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Startseite Urgent Actions 2023 10 Execution set despite unreliable testimony
UA 093/23
USA (Texas)
Abgeschlossen am 9. November 2023

Hinrichtung trotz unzuverlässiger Aussage angeordnet

AI-Index: AMR 51/7274/2023

Brent Brewer soll am 9. November 2023 im US-Bundesstaat Texas hingerichtet werden. Das 1991 gegen ihn verhängte Todesurteil wurde zwar 2007 aufgehoben, 2009 wurde Brent Brewer jedoch erneut zum Tode verurteilt. Sowohl 1991 als auch 2009 stützte sich die Staatsanwaltschaft auf die unwissenschaftliche und unzuverlässige, aber massgebliche Aussage eines Psychiaters, der behauptete, dass Brent Brewer wahrscheinlich in Zukunft weitere Gewalttaten begehen werde. Dies ist eine Voraussetzung, um in Texas ein Todesurteil verhängen zu können. Brent Brewer, der zum Tatzeitpunkt 19 Jahre alt war, ist jetzt 53. Er ist ein vorbildlicher Gefangener, der in seinen 30 Jahren im Todestrakt keinerlei Gewalttaten begangen hat.

Brent Ray Brewer (Häftlingsnummer 999000) ist in Gefahr, am 9. November hingerichtet zu werden.

Während seiner 30 Jahre im Todestrakt soll Brent Brewer ein vorbildhaftes Verhalten gezeigt haben. Im Strafzu-messungsverfahren 1991 sagte ein Psychiater, der Brent Brewer weder gesehen noch begutachtet hatte, aus, der Angeklagte werde, sollte er am Leben gelassen werden, seiner Ansicht nach zukünftig weitere kriminelle Gewaltakte begehen. Der gleiche Psychiater wurde auch im neuen Strafzumessungsverfahren 2009 hinzugezogen und traf damals auf der Grundlage der gleichen Methoden die gleiche Prognose. Schon vor der Anhörung 1991 war diese Art von «Expertenaussage», die Einfluss auf Geschworene hat, innerhalb des Berufsstandes diskreditiert worden, so auch von der American Psychiatric Association.

Es bestehen Zweifel hinsichtlich der Angemessenheit der rechtlichen Vertretung von Brent Brewer bei der Wieder-aufnahme des Verfahrens 2009. In einem Mordprozess mit ähnlichem Verlauf entschied das texanische Berufungsgericht, dass das Gericht die Aussage dieses Psychiaters angesichts der Unzuverlässigkeit seiner Methodik nicht hätte zulassen dürfen. Im Fall von Brent Brewer haben die Rechtsbeistände diese Entscheidung nicht vorgebracht, um die Zulässigkeit der Aussage im Prozess in Frage zu stellen. Darüber hinaus haben den Geschworenen keine umfassenden strafmildernden Umstände zu Brent Brewer vorgelegt, die bei der Urteilsfindung hilfreich gewesen wären.

Nach internationalen Standards müssen zudem alle Personen, denen die Todesstrafe droht, «in allen Prozessphasen Zugang zu angemessener rechtlicher Vertretung» haben, und diese sollte „die Schutzmassnahmen übersteigen, die auf Fälle angewendet werden, in denen keine Todesurteile verhängt werden“. Ein Todesurteil darf sich nicht auf «vage definierte strafrechtliche Bestimmungen» stützen, «deren Anwendung auf die verurteilte Person von subjektiven oder Ermessenserwägungen abhängt, deren Anwendung nicht angemessen vorhersehbar ist». Das texanische System des Prinzips der «zukünftigen Gefährlichkeit» hat zur Anwendung einer «Pseudowissenschaft» mit unzuverlässigen und ungerechten Ergebnissen geführt und verstösst gegen die Verpflichtung der Staatsanwaltschaft, «ein ordnungsgemässes Verfahren und das reibungslose Funktionieren des Strafjustizsystems» zu gewährleisten.

Laut Oberstem Gerichtshof der USA schafft die Endgültigkeit des Todesurteils einen «qualitativen Unterschied» zwischen der Todesstrafe und anderen Strafen, der einen entsprechenden Unterschied mit sich bringt hinsichtlich der «Notwendigkeit der Zuverlässigkeit bei der Entscheidung, ob der Tod die angemessene Strafe in einem bestimmten Fall ist». Ohne die unwissenschaftliche, unzuverlässige Aussage zur zukünftigen Gefährlichkeit und mit einem umfassenden Überblick über die strafmildernden Umstände wäre die Entscheidung der Geschworenen vielleicht anders ausgefallen.

In Texas müssen Geschworene, um die Todesstrafe verhängen zu können, zu der Feststellung gelangen, dass die angeklagte Person zukünftig wahrscheinlich weitere Gewalttaten begehen wird. Bei der erneuten Strafzumessung von Brent Brewer präsentierte die Staatsanwaltschaft einen Psychiater (Dr. C.), der aussagte, seiner Ansicht nach werde der Angeklagte wahrscheinlich in der Zukunft weitere Gewalttaten begehen. Dies hatte Dr. C. bereits im Ver-fahren 1991 ausgesagt. 2009 fügt Dr. C. hinzu, dass Brent Brewer zwar in fast zwei Jahrzehnten Todestrakt kein gewalttätiges Verhalten gezeigt habe, er dennoch überzeugt sei, dass er dies in Zukunft tun werde. Weder 1991 noch 2009 hatte Dr. C. den Angeklagten gesehen oder begutachtet. Seine Aussage beruhte auf hypothetischen, von der Staatsanwaltschaft vorgegebenen Szenarien. Er war der Ansicht, der Angeklagte habe kein Gewissen, Gewalt scheine ihn nicht zu stören, er würde sich im Gefängnis einer Bande anschliessen und habe eine Vorliebe für ein bestimmtes Messer.

77 (13 Prozent) der 583 Personen, die von 1982 bis 2023 in Texas hingerichtet wurden, waren zum Tatzeitpunkt 18 oder 19 Jahre alt (hinzu kommen 13 Personen, die erst 17 Jahre alt waren, bevor dieses Vorgehen 2005 vom Obersten Gerichtshof der USA verboten wurde). 2023 gab es in den USA bislang 19 Hinrichtungen in fünf Bundes-staaten: Alabama (1), Florida (6), Missouri (4), Oklahoma (3) und Texas (5). Auf diese fünf Bundesstaaten entfallen 62 Prozent der 1.577 Hinrichtungen in den USA seit 1976. Texas allein hat einen Anteil von 37 Prozent an der landesweiten Gesamtzahl. Amnesty International lehnt die Todesstrafe grundsätzlich und uneingeschränkt ab.

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