Menschenrechtsanwalt weiter im Visier der Behörden
Nach mehr als einem Monat unter Hausarrest wurde Alberto Nallar am 18. August freigelassen. Doch die Anklage gegen ihn besteht weiterhin: Der prominente Menschenrechtsanwalt spielte bei den Protesten in der nordargentinischen Provinz Jujuy eine aktive Rolle – nun wird ihm Aufwiegelung vorgeworfen.
Die anhaltende Kriminalisierung von Alberto Nallar gibt Anlass zu grosser Sorge. Obwohl der Menschenrechtsanwalt Mitte August aus dem Hausarrest freigelassen wurde, gehen die Ermittlungen gegen ihn weiter. Er muss nach wie vor damit rechnen, wegen seiner friedlichen Teilnahme an Protesten bestraft zu werden.
Zwischen dem 11. und 13. Juli wurden in den Städten Humahuaca und San Salvador in der Provinz Jujuy mindestens 40 Hausdurchsuchungen durchgeführt. Zahlreiche Personen wurden festgenommen, unter ihnen Lehrer*innen, Studierende der örtlichen Universität und Menschenrechtsverteidiger*innen. Alle hatten zuvor an den Protesten teilgenommen, die am 15. Juni ausgebrochen waren und die sich gegen die jüngste Verfassungsreform in Jujuy richten.
Am 13. Juli wurde auch Alberto Nallar festgenommen. Bis zu seiner Freilassung am 18. August stand er 37 Tage lang unter Hausarrest. Zuvor hatte er sowohl selbst an den Protesten in Jujuy teilgenommen als auch andere beraten und unterstützt. Deswegen wird ihm «Aufwiegelung» vorgeworfen. Auch nach seiner Freilassung wird weiter gegen ihn ermittelt. Amnesty International liegen Berichte über Haftbefehle gegen mindestens sieben weitere Anwält*innen vor, die die Demonstrierenden unterstützt haben sollen.
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
Am 15. Juni 2023 verabschiedete der Verfassungskonvent der nordargentinischen Provinz Jujuy den grössten Teil einer Verfassungsreform, die nach Ansicht vieler überstürzt und ohne öffentliche Beteiligung durchgeführt worden war. Die Reform ignoriert die Perspektive der indigenen Bevölkerung und hat das Potential, deren kollektiven Rechte zu gefährden. Die Protestierenden werfen der örtlichen Regierung unter anderem vor, sich die Rechte über Rohstoffe in der an Bodenschätzen reichen Region mit ihren Lithium-Vorkommen aneignen zu wollen. Dieser Punkt in dem Gesetzestext wurde angesichts der Proteste zunächst ausgeklammert, doch die übrigen Teile der von Gouverneur Gerardo Morales vorangetriebenen Reform der Provinzverfassung wurden verabschiedet.
Auf die Verabschiedung des grössten Teils der Reform folgten Proteste, die Berichten zufolge von der Polizei gewaltsam unterdrückt wurden. Dabei kam es zu schweren Fällen unverhältnismässiger Gewaltanwendung durch die Sicherheitskräfte der Provinz Jujuy. Dies stellt eine schwerwiegende Verletzung der Rechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit dar, die sowohl durch örtliche Vorschriften als auch das Völkerrecht anerkannt und geschützt sind.
Da der Verfassungskonvent die Reform nicht zurückgenommen hat, gehen die Proteste der indigenen Gemeinschaften, der Zivilgesellschaft und von Menschenrechtsorganisationen in der Provinz Jujuy weiter. Seit Beginn der Proteste wurden mindestens 130 Personen festgenommen, darunter auch einige Menschenrechtsverteidiger*innen.
Der Rechtsanwalt und Menschenrechtsverteidiger Alberto Nallar hatte die Mobilisierungen gegen die Verfassungsreform unermüdlich unterstützt und sowohl Inhaftierten als auch deren Familien Rechtsbeistand geleistet. Der Straftatbestand der Aufwiegelung wird in Argentinien häufig angewandt, um Personen zu kriminalisieren, die ihr Recht auf sozialen Protest wahrnehmen. Ähnliches gilt für Vorwürfe wie das Blockieren öffentlicher Strassen, die Anstiftung zu Straftaten oder der Widerstand gegen die Staatsgewalt.
Empfohlene Aktionen
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Bitte schreiben Sie vor dem 6. Oktober 2023.
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Modellbrief
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Señor Fiscal General:
Me dirijo a usted para expresarle mi honda preocupación por la continuada criminalización del abogado de derechos humanos Alberto Nallar. Aunque ha sido puesto en libertad, los cargos contra él por protestar siguen investigándose. Pese a su liberación, aún se enfrenta a cargos penales por participar pacíficamente en una protesta.
Como usted sabe, en la provincia de Jujuy, entre el 11 y el 13 de julio, se llevaron a cabo al menos 40 detenciones y registros en domicilios particulares en Humahuaca y San Salvador. Entre las personas detenidas había docentes, estudiantes de universidad y defensores y defensoras de los derechos humanos que habían participado en las movilizaciones sociales derivadas de la reciente reforma constitucional en la provincia.
En este contexto, Alberto Nallar fue detenido el 13 de julio de 2023, y permaneció 37 días bajo arresto domiciliario. Aún sigue acusado de sedición por su apoyo a quienes se manifestaron contra la reforma constitucional y por su participación en las protestas. Además, Amnistía Internacional ha recibido informes sobre órdenes de detención dictadas contra al menos otros siete abogados que presuntamente habían apoyado a quienes se manifestaban.
Habida cuenta de la obligación internacional contraída por el Estado argentino de respetar, proteger y garantizar la libertad de expresión y manifestación de todas las personas, le pido que retire los cargos contra Alberto Nallar que podrían implicar una restricción directa del derecho a la protesta social.
Un cordial saludo,
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Sehr geehrter Herr Staatsanwalt
Die anhaltende Kriminalisierung von Alberto Nallar gibt Anlass zu grosser Sorge. Obwohl der Menschenrechtsanwalt Mitte August aus dem Hausarrest freigelassen wurde, gehen die Ermittlungen gegen ihn weiter. Er muss nach wie vor damit rechnen, wegen seiner friedlichen Teilnahme an Protesten bestraft zu werden.
Zwischen dem 11. und 13. Juli wurden in den Städten Humahuaca und San Salvador in der Provinz Jujuy mindestens 40 Hausdurchsuchungen durchgeführt. Zahlreiche Personen wurden festgenommen, unter ihnen Lehrer*innen, Studierende der örtlichen Universität und Menschenrechtsverteidiger*innen. Alle hatten zuvor an den Protesten teilgenommen, die am 15. Juni ausgebrochen waren und die sich gegen die jüngste Verfassungsreform in Jujuy richten.
Am 13. Juli wurde auch Alberto Nallar festgenommen. Bis zu seiner Freilassung am 18. August stand er 37 Tage lang unter Hausarrest. Zuvor hatte er sowohl selbst an den Protesten in Jujuy teilgenommen als auch andere beraten und unterstützt. Deswegen wird ihm «Aufwiegelung» vorgeworfen. Auch nach seiner Freilassung wird weiter gegen ihn ermittelt. Amnesty International liegen Berichte über Haftbefehle gegen mindestens sieben weitere Anwält*innen vor, die die Demonstrierenden unterstützt haben sollen.
In Anbetracht der internationalen Verpflichtungen Argentiniens, die Rechte auf freie Meinungsäusserung und Protest für alle zu achten, zu schützen und zu garantieren, fordere ich Sie auf, die Anklage gegen Alberto Nallar – die zu einer massiven Einschränkung des Rechts auf sozialen Protest führen könnte – fallen zu lassen.
Hochachtungsvoll,
Appelle an
Generalstaatsanwalt der Provinz Jujuy
Dr. Sergio Lello Sánchez
E-Mail: slello@mpajujuy.gob.ar
→ beste Möglichkeit, die Zielperson zu erreichen
Kopien an
Botschaft der Republik Argentinien
Jungfraustrasse 1
3005 Bern
Fax: 031 356 43 40
E-Mail: esuiz@mrecic.gov.ar
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Der Versand von Briefen PRIORITY ist nach fast allen Ländern möglich.
Bitte prüfen Sie vorher auf der Website der Schweizer Post, ob Briefe im Zielland aktuell zugestellt werden. Falls nicht, bitten wir Sie, für die Zustellung Ihres Appells andere Kommunikationskanäle zu nutzen (E-Mail, Fax oder soziale Medien) und/oder senden Sie diesen via die Botschaft mit der Bitte um Weiterleitung an die genannte Person.
Mögliche Antwort auf Ihren Appellbrief
Es ist möglich, dass Sie ein Antwortschreiben auf Ihren Appellbrief erhalten. Sie müssen nicht selber auf diese Schreiben antworten, aber wir sind dankbar, wenn sie uns dieses Antwortschreiben zukommen lassen. Idealerweise gescannt per E-mail an ua@amnesty.ch. Wir leiten die Antwortschreiben jeweils an das zuständige Research-Team (via das Internationale Sekretariat von Amnesty) weiter. Die Kolleg*innen analysieren den Inhalt und entscheiden über das weitere Vorgehen, das allenfalls in einer Further information zum tragen kommt.
Wir befürchten keinerlei Konsequenzen für UA-Aktivist*innen in der Schweiz.
Möglicherweise ist es sinnvoll, eventuell keinen Brief zu schreiben, falls Sie in das Land einreisen möchten (oder dort Familie haben). Dies betrifft vor allem «problematische» und repressive Länder. (Russland, Türkei, China, ...)