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Abgeschlossen am 16. Dezember 2022

28 Menschen in Verbindung mit Protesten droht Hinrichtung

AI-Index: MDE 13/6271/2022

Mindestens 28 Personen, darunter drei Minderjährigen, könnte in Verbindung mit den landesweiten Protesten die Hinrichtung drohen. Die iranischen Behörden nutzen die Todesstrafe als Instrument zur politischen Unterdrückung, um die Menschen in Angst zu versetzen und die Unruhen zu beenden. Mindestens sechs Personen wurden bereits in Scheinprozessen zum Tode verurteilt.

Es besteht Anlass zur Sorge, dass die iranischen Behörden in grob unfairen Scheinprozessen gegen mindestens 28 Personen die Todesstrafe erwirken wollen. Der Rapper Toomaj Salehi und die 27 weiteren Personen stehen in Verbindung mit den seit Mitte September im ganzen Land stattfindenden Protesten unter Anklage. Wie es von offizieller Seite hiess, wurden im November sechs Personen wegen «Feindschaft zu Gott» (moharebeh) und «Verdorbenheit auf Erden» (ifsad fil-arz) zum Tode verurteilt. Gegen ihre Urteile können vor dem Obersten Gerichtshof Rechtsmittel eingelegt werden. Die Behörden haben die Namen der betroffenen Personen nicht bekanntgegeben. Auf der Grundlage öffentlich zugänglicher Informationen geht Amnesty International jedoch davon aus, dass zu ihnen Sahand Nourmohammad-Zadeh, Mahan Sedarat Madani und Manouchehr Mehman Navaz gehören, die jeweils in getrennten Verfahren vor verschiedenen Revolutionsgerichten in Teheran angeklagt wurden, sowie Mohammad Boroughani und Mohammad Ghobadlou. Mohammad Boroughani und Mohammad Ghobadlou wurden zusammen mit vier weiteren Personen – Abolfazl Mehri Hossein Hajilou, Mohsen Rezazadeh Gharagholou, Saman Seydi (Yasin) und Saeed Shirazi – vor einem Sondergericht angeklagt, das für «Anklagen gegen die jüngsten Unruhestifter» zuständig ist.

15 weitere Personen müssen sich wegen «Feindschaft zu Gott» vor einem Revolutionsgericht in Karadsch in der Provinz Alborz verantworten. Unter ihnen befinden sich der Arzt Hamid Ghare-Hasanlou und seine Frau Farzaneh Ghare-Hasanlou sowie drei 17-jährige Jungen, Amin Mohammad (Mehdi) Shokrollahi, Amir Mohammad (Mehdi) Jafari und Arian Farzamnia. Zu den weiteren Angeklagten in diesem Fall gehören Mohammad Mehdi Karami, Seyed Mohamm-ad Hosseini, Reza Arya, Mehdi Mohammadi, Shayan Charani, Mohammad Amin Akhlaghi, Reza Shaker Zavardahi, Javad Zargaran, Behrad Ali Kenari und Ali Moazemi Goudarzi. Die Behörden fordern auch die Todesstrafe für Akbar Ghafari und Majidreza Rahnavard, die in der Provinz Teheran bzw. in der Provinz Razavi-Chorasan vor Gericht stehen, für Toomaj Salehi, einen regimekritischen Rapper, der wegen seiner Musik und seiner Beiträge in den Sozialen Medien angeklagt ist, und für Ebrahim Rigi, der der unterdrückten belutschischen Minderheit angehört.

Der Rapper Toomaj Salehi wurde am 31. Oktober in der Provinz Tschahār Mahāl und Bachtiyāri festgenommen. Die Anklagen wegen «Feindschaft zu Gott» und «Verdorbenheit auf Erden» scheinen ausschliesslich auf seine kritische Musik und seine Beiträge in den Sozialen Medien zurückzuführen zu sein. Darin prangert er die ungerechten Praktiken der Führung der Islamischen Republik an und fordert Freiheit und Menschenrechte für die Menschen im Iran. Sein Fall wurde an das Revolutionsgericht in Isfahan verwiesen. Einer gut informierten Quelle zufolge wurde er in der Haft gefoltert.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Angesichts der mehreren tausend Anklagen, die bisher erhoben wurden, befürchtet Amnesty International, dass ausser den genannten 28 Personen noch viele weitere von der Hinrichtung bedroht sind. Diese Sorge wird noch verstärkt durch offizielle Forderungen nach der Beschleunigung von Prozessen und öffentlichen Hinrichtungen. Von den neun Männern, die Ende Oktober bzw. Anfang November vor verschiedenen Revolutionsgerichten bzw. dem Sondertribunal in Teheran angeklagt wurden, ist nur Mohammad Ghobadlou im Zusammenhang mit dem Tod eines Polizisten angeklagt. Mohammad Boroughani steht wegen der mutmasslichen Beteiligung an Brandstiftung und des Angriffs auf Staatsbedienstete vor Gericht, die übrigen sieben Männer wegen vermeintlichen Vandalismus, Brand-stiftung und Zerstörung von öffentlichem und privatem Eigentum. Dies stellt einen weiteren schwerwiegenden Verstoss gegen die völkerrechtlichen Verpflichtungen der iranischen Behörden dar, wonach die Todesstrafe nur auf die «schwersten Verbrechen» angewendet werden darf; dies sind Taten, die mit einer vorsätzlichen Tötung einhergehen. Mohammad Ghobadlou wurde in der Haft gefoltert oder anderweitig misshandelt, unter anderem durch lang andauernde Einzelhaft und die Verweigerung seiner Medikamente. Ein gerichtsmedizinischer Bericht vom 20. Oktober wies ausserdem auf Blutergüsse und Verletzungen an seinem Körper hin, die er während seiner Haft erlitten hat.
Allen 28 Personen wurde ein faires Gerichtsverfahren verweigert, welches das Recht auf einen Rechtsbeistand ihrer Wahl, das Aussageverweigerungsrecht, das Recht zu schweigen und das Recht auf eine faire, öffentliche Anhörung beinhaltet. Gut informierten Quellen zufolge wurden mehrere Angeklagte gefoltert und ihre durch Folter erlangten «Geständnisse» als Beweise eingesetzt. Staatliche Medien strahlten vor den Verfahren erzwungene «Geständnisse» von mindestens neun Angeklagten aus. Die drei Minderjährigen werden vor Erwachsenengerichten angeklagt, was einen Verstoss gegen das Übereinkommen über die Rechte des Kindes darstellt, das der Iran ratifiziert hat.
Am 30. November begann vor der Abteilung 1 des Revolutionsgerichts in der Provinz Alborz das Verfahren wegen „Feindschaft zu Gott“ gegen eine Gruppe von 15 Personen. Die Behörden machen alle Angeklagten gemeinsam verantwortlich für den tödlichen Angriff auf einen Angehörigen der paramilitärischen Basidsch-Miliz, ohne die Art der angeblichen Beteiligung der einzelnen Angeklagten an dem Vorfall näher zu spezifizieren. Unter ihnen befinden sich auch der Arzt Hamid Ghare-Hasanlou und seine Frau Farzaneh Ghare-Hasanlou. Einer gut informierten Quelle zufolge wurde das Ehepaar von den Behörden gefoltert, um ein «Geständnis» von Hamid Ghare-Hasanlou zu erzwingen und Farzaneh Ghare-Hasanlou dazu zu bringen, ihren Ehemann zu belasten. Am 6. November, zwei Tage nach ihrer Festnahme, veröffentlichten staatliche Medien Videos mit den erzwungenen «Geständnissen» des Paares und anderer Beschuldigter, in denen diese als «Mörder*innen» bezeichnet wurden. Am 1. Dezember wurde Hamid Ghare-Hasanlou aus dem Krankenhaus, in dem er wegen innerer Blutungen behandelt worden war, zur Verhandlung vor Gericht gebracht. Er stand nach einer Operation noch unter schweren Beruhigungsmitteln und wurde danach wieder ins Krankenhaus gebracht. Die ersten beiden Rechtsbeistände des Ehepaares hatten den Fall abgegeben, nachdem sie von Sicherheitskräften und Angehörigen des Geheimdienstes bedroht worden waren.
Am 29. November begann vor einem Revolutionsgericht das Verfahren wegen «Feindschaft zu Gott» gegen Majidreza Rahnavard. Er wurde von den Behörden beschuldigt, am 17. November, nur zwölf Tage vor Prozessbeginn, in Maschad in der Provinz Razavi-Chorasan zwei Angehörige der Basidsch-Miliz mit einem Messer getötet zu haben. Vor seinem Prozess wurden in den staatlichen Medien Videos ausgestrahlt, die zeigen, wie Majidreza Rahnavard mit verbundenen Augen von Angehörigen der Behörden und Reporter*innen der staatlichen Medien verhört wird und unter Zwang selbstbelastende Aussagen macht. In den Videos wird er unter Verstoss gegen die Unschuldsvermutung als «Mörder» bezeichnet. Ausserdem ist zu sehen, dass sein linker Arm stark bandagiert ist und in einem Gipsverband steckt, was auf Folter hinweisen könnte.
Nach Informationen von Amnesty International müssen auch Ebrahim Rigi und Akbar Ghafari mit einem Todesurteil rechnen, im Gegensatz zu den 26 anderen Fällen hat die iranische Justiz in ihrem Fall jedoch keine offizielle Erklärung abgegeben. Akbar Ghafari wurde festgenommen, nachdem er Demonstrierenden im Haus seiner Schwester in Teheran Unterschlupf gewährt hatte. Ihm wird im Zusammenhang mit dem Tod einer Sicherheitskraft in Teheran «Feindschaft zu Gott» vorgeworfen. Nach Angaben eines Gefangenen, der kurzzeitig zusammen mit ihm im Evin-Gefängnis inhaftiert war, wurde Akbar Ghafari, der nicht lesen kann, unter Folter gezwungen, eine Erklärung zu unterschreiben, von der er später erfuhr, dass sie ihn fälschlicherweise der Tötung beschuldigte. Er befindet sich nun ohne Kontakt zur Aussenwelt in einer Haftanstalt im Grossraum Teheran, auch bekannt als Fashafouyeh-Gefängnis. Ebrahim Rigi, der der iranischen Minderheit der Belutsch*innen angehört, wurde am 13. September in Zahedan in der Provinz Sistan und Belutschistan festgenommen.

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