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Startseite Urgent Actions 2022 07 Journalist prosecuted by a military court
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Tunesien
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20.9.2022: GREAT NEWS → Journalist Salah Attia was freed from detention !

Tunisian journalist Salah Attia was freed from detention and reunited with his family last Friday (16 September) after the military court refused the prosecutor’s request to lengthen his prison sentence. While we maintain that Salah should never have been jailed in the first place, we welcome the news.

An Outcome UA, formally closing the action, will be shared soon. In the meantime, feel free to share the good news on social using  suggested tweet below:

#Tunisia: Journalist Salah Attia is finally free after the military appeals court declined on 16 September to lengthen his prison sentence. He never should have been jailed at all, let alone by a military court. Call on authorities to end military prosecutions of civilians.

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19.8.2022

On 16 August, a judge at the military court sentenced Salah Attia to three months in prison, starting from his arrest on 11 June, which means that he has about a month left in prison. This has been confirmed by one of his lawyers. The judge has yet to disclose for which of the three charges Salah Attia has been found guilty. The military prosecutor has appealed the sentence on the grounds that it is too lenient. Salah’s lawyers also intend on filing an appeal.

Salah Attia’s case is a travesty in itself, but it’s also emblematic of the broader backsliding on human rights under President Saied since his power grab last year: a public figure prosecuted and now sentenced to prison for the «crime» of voicing embarrassing claims about the President and a key state institution, in one of Tunisia’s increasingly frequent instances of civilians dragged before military courts.

Things are in flux right now as we wait to learn more about the basis of the sentencing, but Salah remains in detention and our calls for his release, so until we learn more, please continue taking action, calling for his immediate release. We will be in touch with next steps soon.

Thank you for ongoing support and action.

Journalist vor Militärgericht

AI-Index: MDE 30/5790/2022

Am 11. Juni 2022 nahmen zwei Polizeikräfte in Zivil den Journalisten Salah Attia fest. Seine Festnahme beruht auf einer Erklärung, die er am Vortag im Fernsehsender Al Jazeera abgegeben hatte. Darin erwähnte er, dass die Armee sich geweigert habe, der Anordnung des Präsidenten Folge zu leisten, den Hauptsitz des Gewerkschaftsdachverbands Union Générale Tunisienne du Travail (UGTT) zu schliessen. Aktuell ist Salah Attia bis zu weiteren Ermittlungen im Gefängnis Mornaguia in Tunis inhaftiert. Er ist der zweite Journalist und mindestens die zwölfte Zivilperson, die seit der Machtergreifung von Präsident Kais Saied von einem Militärgericht strafverfolgt wird. Amnesty International fordert seine sofortige Freilassung. Ausserdem müssen die Behörden den Einsatz von Militärgerichten auf die strafrechtliche Verfolgung von Militärangehörigen und Verstösse gegen die Militärdisziplin beschränken.

Am Abend des 10. Juni 2022 wurde Salah Attia im Fernsehsender Al Jazeera zugeschaltet, wo er gelegentlich als politischer Analyst zu Tunesien zu sehen ist. In seinen Kommentaren gab er an, dass Präsident Saied die Armee aufgefordert habe, die Schliessung des Hauptsitzes des tunesischen Gewerkschaftsdachverbands UGTT zu erzwingen, die Armee sich jedoch geweigert und anschliessend den UGTT über die Anordnung informiert habe. Ausserdem habe sich die Armee laut Salah Attia auch geweigert, eine Reihe politischer Führungskräfte unter Hausarrest zu stellen, wie ebenfalls von Präsident Saied gefordert. Namen wurden von Salah Attia jedoch nicht genannt.

Am 11. Juni veröffentlichte der UGTT eine Pressemitteilung, in der er die Behauptungen des Journalisten dementierte. Salah Attia steht unter Anklage wegen „Aufwiegelung zum bewaffneten Kampf und Verursachung von Unruhen, Mord und Plünderungen auf tunesischem Hoheitsgebiet, Beschuldigung von Staatsbediensteten ohne Beweise für illegale Handlungen, Verunglimpfung der Armee sowie «vorsätzlicher Schädigung anderer oder Ruhestörung über Telekommunikationsnetze». Grundlage hierfür sind jeweils Paragraf 72 des Strafgesetzbuches, der die Todes-strafe vorsieht, Paragraf 128 des Strafgesetzbuches, Paragraf 91 des Militärstrafgesetzbuchs und Paragraf 86 des Telekommunikationsgesetzes. Nach Angaben seines Anwalts Samir Dilou soll Salah Attia am 7. Juli vor einem*r Untersuchungsrichter*in des Militärgerichts erscheinen.

Die strafrechtliche Verfolgung von Salah Attia durch ein Militärgericht verstösst gegen Artikel 14 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte, dessen Vertragsstaat Tunesien ist. Artikel 14 garantiert das Recht auf einen «fairen und öffentlichen Gerichtsprozess durch ein zuständiges, unabhängiges, unparteiisches und auf gesetzlicher Grundlage eingerichtetes Gericht». Zudem wird durch seine strafrechtliche Verfolgung auch sein Recht auf freie Meinungsäusserung untergraben, da sie auf seinen Äusserungen auf Al Jazeera beruht, die nach internationalem Recht geschützt sind.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Salah Attia ist Journalist sowie Gründer und Herausgeber der arabischen Nachrichtenwebsite Al Ray Al Jadid (die neue Meinung). Die Website veröffentlicht Nachrichten aus Tunesien und der Welt. Gelegentlich wird Salah Attia auch von anderen Nachrichtenorganen als politischer Analyst zu Tunesien interviewt.
Am Abend des 11. Juni suchten Polizeikräfte in Zivil das Haus von Salah Attia in Hay Ettahrir in Tunis auf, wo sie seine Frau und zwei seiner drei Kinder vorfanden. Die Polizei wollte das Haus durchsuchen, ohne einen Durchsuchungsbeschluss vorzuweisen. Dies habe die Frau von Salah Attia jedoch verweigert, wie Sondes Attia, seine Tochter, berichtete. Sie selbst war nicht zugegen, gab jedoch an Amnesty International weiter, was ihre Familie ihr erzählt hatte. Die Polizei wollte am Telefon mit Salah Attia sprechen, der ihnen sagte, dass er sich in einem Café im Viertel Ibn Khaldun befände. Die Polizei suchte das Café auf und nahm Salah Attia fest.
Die Polizeiangehörigen eskortierten Salah Attia nach Hause, wo er sich umzog, und brachten ihn zum Verhör in die Militäreinrichtung El Aouina. Dort wurde er nach der Quelle seiner Behauptungen über die Armee befragt sowie nach seinen Beweggründen, die Geschichte öffentlich zu machen.
Nach seinem Verhör am 11. Juni brachte die Polizei Salah Attia nach Bouchoucha, einer Hafteinrichtung in Tunis, wo er bis zu seinem Erscheinen vor einem Militärgericht am 13. Juni bleiben sollte. Wie Samir Dilou, einer der Rechtsbeistände von Salah Attia, Amnesty International mitteilte, wurde sein Verfahren vom Militärgericht erster Instanz in Tunis eröffnet.
Am 13. Juni brachte die Polizei Salah Attia zu einer Anhörung vor einem*r Ermittlungsrichter*in am Militärgericht erster Instanz in Tunis. Einer seiner Rechtsbeistände, Malek Ben Amor, der bei der Anhörung zugegen war, berichtete Amnesty International, dass das Verfahren allein auf den Äusserungen von Salah Attia auf Al Jazeera beruhe. Der*Die Ermittlungsrichter*in forderte Salah Attia auf, seine Quelle zu nennen, was dieser jedoch laut seinem Anwalt ablehnte.
Amnesty International hat seit der Machtergreifung von Präsident Saied am 25. Juli 2021 ein systematisches Vor-gehen der Militärgerichte gegen Zivilpersonen dokumentiert, u. a. gegen Journalist*innen, Parlamentarier*innen, Rechtsbeistände und Blogger*innen.
Die tunesischen Militärgerichte erfüllen die Anforderung der Unabhängigkeit nicht, da der Präsident das letzte Wort bei der Ernennung von Richter*innen und Staatsanwält*innen an Militärgerichten hat. Darüber hinaus gehören so-wohl der Generalstaatsanwalt als auch alle anderen Staatsanwält*innen an Militärgerichten der Armee an und unter-liegen damit militärischen Disziplinarverfahren. Somit stehen sie unter dem Einfluss der Exekutive, da der Präsident gemäss der tunesischen Verfassung auch Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist.
Gemäss dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, zu dessen Vertragsstaaten Tunesien gehört, hat jede Person das Recht auf freie Meinungsäusserung. Dies schliesst auch die Freiheit ein, «über Medien jeder Art und ohne Rücksicht auf Grenzen Informationen und Gedankengut zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten». Laut dem UN-Sonderberichterstatter zur Meinungsfreiheit sind Freiheitsstrafen wegen Verleumdung nicht zu rechtfertigen: «Alle Gesetze, die strafrechtliche Sanktionen für Verleumdung vorsehen, sollten abgeschafft und gegebenenfalls durch geeignete zivilrechtliche Verleumdungsgesetze ersetzt werden.» Der UN-Menschenrechtsausschuss, das Vertragsorgan, das für die Auslegung der staatlichen Pflichten im Rahmen des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte massgeblich ist, vertritt die Auffassung, dass staatliche Stellen nicht das Recht haben, Informationen von legitimem öffentlichem Interesse, die die nationale Sicherheit nicht beeinträchtigen, zu unterdrücken oder der Öffentlichkeit vorzuenthalten oder Journalist*innen, Forscher*innen, Umweltaktivist*innen, Menschenrechtsaktivist*innen oder andere wegen der Verbreitung solcher Informationen strafrechtlich zu verfolgen.
Darüber hinaus erklärte der UN-Sonderberichterstatter über die Förderung und den Schutz der Meinungsfreiheit und des Rechts der freien Meinungsäusserung in seinem Bericht vom 20. April 2010 Folgendes:
«Strafrechtliche Verleumdungsgesetze dürfen nicht dazu verwendet werden, abstrakte oder subjektive Begriffe oder Konzepte wie den Staat, nationale Symbole, die nationale Identität, Kulturen, Denkschulen, Religionen, Ideologien oder politische Doktrinen zu schützen.»

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