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Startseite Urgent Actions 2021 07 Barrister charged for social media posts
UA 086/21
Hong Kong
Abgeschlossen am 22. September 2021

Anwältin wegen Social-Media-Posts angeklagt

AI-Index: ASA 17/4500/2021

Chow Hang-tung, Mitveranstalterin der jährlichen Mahnwache in Hongkong zum Gedenken an die Niederschlagung der Proteste auf dem Pekinger Tiananmen-Platz 1989, wurde wegen «Werbung oder Bekanntmachung einer nicht genehmigten Versammlung» angeklagt. Die Menschenrechtsanwältin war festgenommen worden, nachdem sie in den Sozialen Medien dazu aufgerufen hatte, individuell der Niederschlagung der Tiananmen-Proteste zu gedenken, da die öffentliche Mahnwache verboten worden war. Dies ist ein weiteres Beispiel für die repressiven Auswirkungen der Hongkonger Verordnung über die öffentliche Ordnung auf die Meinungsfreiheit und das Recht auf friedliche Versammlung. Die Behörden nutzen es zunehmend, um Aktivist*innen und Menschenrechtsverteidiger*innen ins Visier zu nehmen.

Die Anwältin Chow Hang-tung (鄒幸彤) ist wegen «Werbung oder Bekanntmachung einer nicht genehmigten Versammlung» festgenommen und angeklagt worden. Es ist alarmierend, dass sie ins Visier genommen wird, nur weil sie in den Sozialen Medien Beiträge veröffentlicht hat, in denen sie die Menschen auffordert, der Niederschlagung der Proteste auf dem Tiananmen-Platz privat zu gedenken. Sie hat lediglich friedlich eine Meinung geäussert, was nach internationalen Menschenrechtsgesetzen und -standards zulässig ist und nicht kriminalisiert werden darf.

Es ist beunruhigend, dass die Behörden die Hongkonger Verordnung über die öffentliche Ordnung (Public Order Ordinance – POO) zunehmend dazu einsetzen, Aktivist*innen und Menschenrechtsverteidiger*innen ins Visier zu nehmen, die ihr Recht auf freie Meinungsäusserung und friedliche Versammlung wahrnehmen. In den letzten zwei Jahren haben die Behörden mindestens neun Mitglieder der Hong Kong Alliance in Support of Patriotic Democratic Movements of China wegen der Teilnahme an nicht genehmigten Versammlungen festgenommen, angeklagt und verurteilt.

Die Teilnahme an und die Organisation von friedlichen Versammlungen bedarf nach internationalen Menschenrechtsabkommen und -standards keiner vorherigen Genehmigung durch den Staat. Das Versäumnis, eine Versammlung bei den Behörden anzumelden, sollte nicht dazu führen, dass die Teilnahme an der Versammlung rechtswidrig wird, und sollte an sich nicht als Grundlage für die Festnahme der Teilnehmenden oder Organisator*innen oder für ein unangemessen hartes Vorgehen gegen sie, wie z. B. eine Anklage wegen Straftaten, dienen.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Chow Hang-tung wurde erstmals am 4. Juni 2021 unter dem Vorwurf der «Werbung oder Bekanntmachung einer nicht genehmigten Versammlung» nach § 17A(1D) der Verordnung über die öffentliche Ordnung (Public Order Ordinance, POO) festgenommen. Kurz darauf liess man sie gegen Kaution frei, nahm sie aber am 30. Juni erneut fest. Seither befindet sie sich in Untersuchungshaft. Nach Angaben der Polizei habe sie gegen ihre Kautionsauflagen verstossen, weil sie angeblich andere zur Teilnahme an einer verbotenen Kundgebung am 1. Juli 2021 angestiftet haben soll.
Chow Hang-tung ist schon lange als Menschenrechtsverteidigerin aktiv. Bevor sie Menschenrechtsanwältin wurde, setzte sie sich sehr für Arbeitsrechte in China ein und unterstützte dort Menschenrechtsverteidiger*innen. Als Rechtsanwältin in Hongkong verteidigt sie politische Aktivist*innen, die unter dem Nationalen Sicherheitsgesetz ins Visier genommen werden. Sie ist auch die stellvertretende Vorsitzende der Hong Kong Alliance in Support of Patriotic Democratic Movements of China (Hongkong-Allianz), die das weltweit grösste jährliche Gedenken an die Niederschlagung der Proteste auf dem Pekinger Tiananmen-Platz 1989 organisiert.
Die jährliche Tiananmen-Mahnwache in Hongkong am 4. Juni ist seit 2020 aus Anlass der Corona-Pandemie verboten. Es wird immer deutlicher, dass die Hongkonger Behörden die Pandemie als Vorwand benutzen, um die Rechte auf freie Meinungsäusserung und friedliche Versammlung zu unterdrücken.
Die Menschenrechtsvertragsorgane und -expert*innen der Vereinten Nationen äussern seit langem ihre Besorgnis darüber, dass die Hongkonger Regierung das Recht auf friedliche Versammlung übermässig einschränkt. Gemäss Paragraf 14-15 der Hongkonger Verordnung über die öffentliche Ordnung müssen diejenigen, die einen Protest organisieren wollen, eine «Unbedenklichkeitsbescheinigung» von der Polizei einholen, bevor eine Versammlung stattfinden kann. 24 Aktivist*innen, die an der friedlichen Tiananmen-Mahnwache im letzten Jahr teilgenommen hatten, wurden seitdem festgenommen, und einige wurden ins Gefängnis gesteckt. Vage und zweideutige Anklagen wie «Anstiftung zur Teilnahme an einer nicht genehmigten Versammlung» scheinen politisch motiviert zu sein und als Vorwand zu dienen, um die friedliche Ausübung der Rechte auf friedliche Versammlung und freie Meinungsäusserung zu verhindern.
Das Gesetz der Volksrepublik China zur Wahrung der nationalen Sicherheit in der Sonderverwaltungszone Hongkong (NSL) wurde vom Ständigen Ausschuss des Nationalen Volkskongresses Chinas (NPCSC) einstimmig verabschiedet und am 30. Juni 2020 in Hongkong in Kraft gesetzt, ohne dass eine formale, aussagekräftige öffentliche oder sonstige Konsultation vor Ort stattgefunden hätte.
Das NSL hat sich unmittelbar und weitreichend auf die Hongkonger Gesellschaft ausgewirkt. Die weitreichende Definition von «nationaler Sicherheit» im Gesetz, die der der chinesischen Zentralbehörden folgt, lässt Klarheit und rechtliche Vorhersehbarkeit vermissen und wurde willkürlich als Vorwand genutzt, um unter anderem die Menschenrechte auf freie Meinungsäusserung, friedliche Versammlung und Vereinigungsfreiheit einzuschränken und Andersdenkende und die politische Opposition zu unterdrücken. Indem sie politische Parteien, Wissenschaftler*innen und andere Organisationen und Einzelpersonen, die tatsächlich oder vermeintlich der gegenwärtigen Regierung und dem politischen System in Hongkong kritisch gegenüberstehen, beschuldigen, die nationale Sicherheit zu bedrohen, versuchen die Behörden, Zensur, Schikanen, Festnahmen und strafrechtliche Verfolgung, die gegen die Menschenrechte verstossen, zu rechtfertigen.
Nach den Festnahmen im Rahmen der POO und den anhaltenden Vorwürfen von Wissenschaftler*innen und Medien, die Zentralchina positiv gegenüberstehen, gegen das NSL verstossen zu haben, entliess die Hongkong-Allianz im Juli 2021 alle Mitarbeiter*innen und verringerte die Anzahl der Komiteemitglieder erheblich, um das Risiko einer Strafverfolgung zu mindern.

8 Briefe verschickt  
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