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Menschenrechtsverteidiger in Einzelhaft misshandelt

AI-Index: MDE 12/3382/2020

Zwischen dem 15. und dem 19. November 2020 nahmen ägyptische Sicherheitskräfte drei leitende Mitarbeiter der unabhängigen Menschenrechtsorganisation Ägyptische Initiative für persönliche Rechte (EIPR) fest. Mohamed Basheer, Karim Ennarah und Gasser Abdel-Razek sind aufgrund von «Terrorismus»-Vorwürfen und anderer haltlosen Anklagen willkürlich in Untersuchungshaft – allein wegen ihrer Menschenrechtsarbeit. Gasser Abdel-Razek, der Geschäftsführer der EIPR, wird im Liman-Tora-Gefängnis unter brutalen und unmenschlichen Bedingungen in Einzelhaft festgehalten.

Die drei festgenommenen Führungskräfte der Ägyptischen Initiative für persönliche Rechte (EIPR) Mohamed Basheer, Karim Ennarah und Gasser Abdel-Razek befinden sich aufgrund terrorismusbezogener Vorwürfe und anderer haltlosen Anschuldigungen im Tora-Gefängniskomplex in willkürlicher Untersuchungshaft. Amnesty International betrachtet sie als gewaltlose politische Gefangene, die allein wegen der friedlichen Menschenrechtsarbeit der EIPR inhaftiert sind.

Es besteht besonders grosse Sorge um den Geschäftsführer der EIPR, Gasser Abdel-Razek, der unter miserablen Haftbedingungen festgehalten wird. Der Familienvater wurde am 20. November in das Liman-Tora-Gefängnis – das zum Tora-Gefängniskomplex gehört– gebracht und wird seither in einer kalten Zelle in Einzelhaft gehalten. Ohne Matratze, ausreichende Bettwäsche oder warme Kleidung. Die Zelle darf er nicht verlassen, auch nicht zum Sport. Alle seine persönlichen Gegenstände wurden beschlagnahmt. Die Gefängnisbehörden rasierten seinen Kopf kahl – eine neue aussergewöhnliche Massnahme, die Menschen in Untersuchungshaft über sich ergehen lassen müssen. Dieser Umstand ist ein weiterer Grund zur Sorge und lässt vermuten, dass er noch anderen diskriminierenden und bestrafenden Massnahmen unterzogen wird. Die Gefängnisbehörden hindern ihn zusätzlich daran, in der Gefängniskantine Dinge des täglichen Bedarfs zu kaufen.

Die neuesten Vergeltungsaktionen gegen die EIPR begannen, nachdem sich einige Mitarbeiter am 3. November mit 13 DiplomatInnen aus westlichen Ländern in dem Büro der EIPR getroffen hatten. Patrick George Zaki, ein weiterer Mitarbeiter der Organisation, ist bereits seit Februar 2020 willkürlich inhaftiert. Die ägyptischen Behörden schikanieren die EIPR und andere zivilgesellschaftliche Organisationen seit Jahren, zum Beispiel indem sie sie in Strafermittlungen wie das «Verfahren 173» verwickeln.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Am 15. November 2020 nahm ein schwer bewaffnetes Kommando der Sicherheitskräfte Mohamed Basheer bei sich zuhause fest und hielt ihn anschliessend zwölf Stunden lang in einer Einrichtung der Nationalen Sicherheitsbehörde (NSA) fest. Dort wurden ihm die Augen verbunden und er wurde ohne die Anwesenheit eines Rechtsbeistands über die Arbeit der EIPR sowie den Besuch der westlichen DiplomatInnen am 13. November verhört. Danach wurde er der Obersten Staatsanwaltschaft für Staatssicherheit (SSSP) vorgeführt, die eine 15-tägige Untersuchungshaft gegen ihn anordnete. Am 18. November wurde Karim Ennarah in einem Strandhotel in Dahab im Süden der Sinai-Halbinsel festgenommen, wo er gerade Urlaub machte. Die BeamtInnen beschlagnahmten sein Mobiltelefon, sein Laptop und andere persönliche Gegenstände und brachten ihn an einen unbekannten Ort, wo er 24 Stunden lang ohne Kontakt zur Aussenwelt festgehalten wurde. Danach führte man ihn der SSSP vor, die ihn zu seiner Arbeit über die Haftbedingungen und die Todesstrafe in Ägypten befragte. Am 19. November nahmen Sicherheitskräfte Gasser Abdel-Razek in seiner Wohnung in Kairo fest. Stunden später verhörte ihn die SSSP und ordnete 15 Tage Untersuchungshaft an. Am 23. November wurde er erneut von der SSSP befragt und anschliessend ins Gefängnis zurückgebracht, wo er zurzeit in Einzelhaft festgehalten wird. Amnesty International hat dokumentiert, wie politische Gefangene unter brutalen und unmenschlichen Haftbedingungen in kleinen, dunklen Zellen in Einzelhaft gehalten werden. Damit soll offenbar jegliche Kritik an den Behörden bestraft werden. In einigen Fällen kommt dies der Folter gleich. Weitere Informationen dazu finden Sie unter https://www.amnesty.de/informieren/aktuell/aegypten-isolationshaft-willkuerlich-als-strafe-gegen-politische-gefangene.
Die Vorwürfe gegen die drei Männer lauten auf «Beitritt zu einer terroristischen Gruppe», «Verbreitung falscher Nachrichten» und «Missbrauch der Sozialen Medien». Mohamed Basheer wurde zusätzlich noch zu dem Vorwurf befragt, «die Straftat der Finanzierung des Terrorismus begangen» zu haben. Die Staatsanwaltschaft nahm alle drei in das Verfahren 855/2020 auf, in dem bereits gegen zahlreiche weitere MenschenrechtsverteidigerInnen und JournalistInnen ermittelt wird – darunter Mahienour el-Masry (UA-131/2019), Mohamed el-Baqer (UA-132/2019), Solafa Magdy (UA-175/2019) und Esraa Abdelfattah (UA-145/2020). Amnesty International hat bereits umfassend dokumentiert, wie die SSSP Menschen aufgrund haltloser «Terrorismus»-Vorwürfe in Untersuchungshaft nimmt und diese dann ständig verlängert. So bleiben KritikerInnen und Menschenrechtsverteidiger monate- oder gar jahrelang inhaftiert, ohne je vor Gericht gestellt zu werden. Weitere Informationen hierzu finden Sie in diesem englischsprachigen Bericht: www.amnesty.org/en/documents/mde12/1399/2019/en/.
Patrick George Zaki, ein Menschenrechtswissenschaftler, der bei der EIPR zu Gender-Fragen und sexuellen Minderheiten arbeitete, befindet sich seit seiner Festnahme im Februar 2020 aufgrund haltloser terrorismusbezogener Vorwürfe in Untersuchungshaft der SSSP. Am 22. November wurde seine Untersuchungshaft um weitere 45 Tage verlängert.
Am 3. November 2020 besuchten BotschafterInnen aus Deutschland, Frankreich, Belgien, Dänemark, Finnland, Italien, Spanien, den Niederlanden und der Schweiz sowie diplomatische GeschäftsträgerInnen aus Kanada, Norwegen und Schweden, der stellvertretende Botschafter Grossbritanniens und Delegierte der Europäischen Kommission ein Treffen im Büro der EIPR in Kairo. Die Organisation und einige Teilnehmende teilten am 8. November Fotos des Treffens in den Sozialen Medien. BeamtInnen der NSA und SSSP-ErmittlerInnen befragten die drei inhaftierten EIPR-Mitglieder, Mohamed Basheer, Karim Ennarah und Gasser Abdel-Razek, über ihre Arbeit und auch über das Treffen mit den DiplomatInnen.
Die Repressalien gegen die EIPR reihen sich in eine harte staatliche Linie gegen NGOs ein, die seit 2011 verfolgt wird. Damals wurden die Bürogebäude von fünf internationalen Organisationen durchsucht und ihre MitarbeiterInnen strafrechtlich verfolgt. Bekannt ist der Fall als «Verfahren 173» oder Ägyptens «Verfahren wegen Auslandsfinanzierung». 2013 wurden im Zusammenhang mit diesem Verfahren 43 ausländische und ägyptische MitarbeiterInnen von internationalen NGOs zu Haftstrafen verurteilt. Sie wurden für schuldig befunden, rechtswidrig gehandelt und unberechtigt Mittel aus dem Ausland angenommen zu haben. 2018 fand ein Neuverfahren vor einem Strafgericht in Kairo statt, bei dem alle Angeklagten freigesprochen wurden. Gegen örtliche zivilgesellschaftliche Organisationen laufen im «Verfahren 173» allerdings nach wie vor strafrechtliche Ermittlungsverfahren. Ein Angeklagter in diesem Fall ist der Gründer der EIPR, Hossam Bahgat, der seit 2016 einem Reiseverbot unterliegt und dessen Vermögenswerte eingefroren wurden. Mindestens 30 weitere MenschenrechtsverteidigerInnen dürfen sich nicht frei bewegen, und die Vermögenswerte von neun weiteren Personen wurden eingefroren.
Die Ägyptische Initiative für persönliche Rechte (EIPR) wurde 2002 gegründet. Die NGO arbeitet zu Bürgerrechten, wirtschaftlichen und sozialen Rechten und strafrechtlichen Themen. Hierzu führt sie Forschungstätigkeiten durch, fertigt Berichte an, setzt sich für Betroffene ein, bietet Rechtsberatung an und führt strategische Gerichtsprozesse. Die EIPR hat beispielsweise über die Rechte religiöser Minderheiten in Ägypten berichtet, Gewalt zwischen religiösen Gruppen dokumentiert, LGBT+-Personen vor Gericht vertreten und sich für Reformen der Gesetze zur psychischen Gesundheit stark gemacht. Die EIPR ist eine der wenigen Menschenrechtsorganisationen, die sich in Ägypten für die Umwelt einsetzen. Die neuesten Arbeiten der Organisation beinhalten Berichte über die besorgniserregende Zunahme von Hinrichtungen in Ägypten in den vergangenen Monaten, über die Notwendigkeit des Zugangs zu Covid-19-Impfungen, sowie zum Schutz von Überlebenden und ZeugInnen von sexualisierter Gewalt.

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