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Oppositioneller Künstler in Gefahr
Der kubanische Künstler Luis Manuel Otero Alcántara ist wieder frei. Doch die Anklagen gegen ihn bestehen weiterhin und er ist in Gefahr, erneut inhaftiert zu werden. Luis Manuel Otero Alcántara wurde 13 Tage lang von den Behörden festgehalten, da er sich gegen das geplante Dekret 349 einsetzt. Dieses soll dem Staat die Zensur von Auftritten und künstlerischen Konzepten ermöglichen. Das Verfahren gegen Luis Manuel Otero Alcántara muss umgehend eingestellt werden.
Vor seiner Festnahme am 1. März 2020 hatte Luis Manuel Otero Alcántara auf Facebook verkündet, an einer Protestveranstaltung teilnehmen zu wollen, die von LGBTI-AktivistInnen nach der mutmasslichen staatlichen Zensur eines Films mit einer Kussszene zwischen zwei Männern einberufen worden war.
Der Künstler war 13 Tage lang in Haft, bevor er am 14. März wieder freigelassen wurde. Nun wartet er auf seinen Gerichtsprozess. Angeklagt ist er wegen der «Beleidigung von Symbolen des Heimatlandes», einem Straftatbestand, der nicht den internationalen Menschenrechtsstandards entspricht, sowie der «Beschädigung» von Eigentum.
Luis Manuel Otero Alcántara wurde der NGO Cubalex zufolge in den letzten 30 Monaten mehr als 20 Mal festgenommen. Nach seiner Festnahme am 1. März betrachtete ihn Amnesty International als gewaltlosen politischen Gefangenen, der umgehend und bedingungslos freigelassen werden muss.Auch bei einer erneuten Inhaftierung wäre er ein gewaltloser politischer Gefangener, da sämtliche Anschuldigungen gegen ihn ausschliesslich auf der friedlichen Ausübung seines Rechts auf freie Meinungsäusserung beruhen.
Die Gerichtsverhandlung gegen Luis Manuel Otero Alcántara sollte ursprünglich am 11. März beginnen, wurde jedoch bis auf Weiteres vertagt. So lange das Strafverfahren noch anhängig ist, läuft er Gefahr, erneut willkürlich festgenommen zu werden.
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
Luis Manuel Otero Alcántara ist zu einer führenden Stimme der kubanischen Oppositionsbewegung gegen das Dekret 349 geworden.
Dem Dekret zufolge ist es allen KünstlerInnen, einschliesslich Kollektiven, MusikerInnen und PerformerInnen, untersagt, ohne vorherige Genehmigung durch das Kulturministerium in öffentlichen oder privaten Räumen tätig zu werden. Personen oder Unternehmen, die KünstlerInnen ohne Genehmigung beschäftigen, können bestraft werden. KünstlerInnen, die ohne vorherige Genehmigung arbeiten, laufen Gefahr, dass ihre Materialien beschlagnahmt werden oder dass sie hohe Geldbussen zahlen müssen. Nach dem Dekret sind die Behörden auch befugt, eine Aufführung sofort auszusetzen und die Annullierung der für die Ausübung der künstlerischen Tätigkeit erteilten Genehmigung zu beantragen. Aufgehoben werden können diese Entscheidungen nur vom Kulturministerium selbst (Artikel 10). Das Dekret sieht keinen wirksamen Rechtsbehelf vor, um eine solche Entscheidung vor einer unabhängigen Stelle – auch vor den Gerichten – anfechten zu können.
Das Dekret enthält vage formulierte und zu weit gefasste Einschränkungen des künstlerischen Ausdrucks. So sind beispielsweise audiovisuelle Produktionen untersagt, die u. a. Folgendes enthalten: «patriotische Symbole, die gegen die geltende Gesetzgebung verstossen» (Artikel 3a), «sexistische, obszöne oder vulgäre Sprache» (Artikel 3d) und «jeden anderen Inhalt, der gegen die gesetzlichen Bestimmungen verstösst, die die normale Entwicklung unserer Gesellschaft in kulturellen Angelegenheiten regeln» (Artikel 3g). Strafbar ist auch der Verkauf von Büchern mit «Inhalten, die ethische und kulturelle Werte beschädigen» (Artikel 4f).
Nach internationalen Menschenrechtsnormen und -standards muss jede Einschränkung des Rechts auf freie Meinungsäusserung, das auch für die Kunst gilt, gesetzlich vorgesehen und hinreichend präzise formuliert werden, um eine zu weite oder willkürliche Auslegung oder Anwendung zu vermeiden. Die verhängten Einschränkungen müssen der Öffentlichkeit zugänglich sein und es muss klar dargelegt werden, welches Verhalten verboten ist und welches nicht.
Als Vertragsstaat des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (IPprR) ist Kuba verpflichtet, von Handlungen abzusehen, die Ziel und Zweck des Pakts zuwiderlaufen würden. Artikel 19 des IPprR schützt insbesondere das Recht auf freie Meinungsäusserung. Dieses Recht «schliesst die Freiheit ein, ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen Informationen und Gedankengut jeder Art in Wort, Schrift oder Druck, durch Kunstwerke oder andere Mittel eigener Wahl sich zu beschaffen, zu empfangen und weiterzugeben».
Amnesty International hat bereits zuvor Bedenken geäussert, dass das Dekret 349 eine generelle abschreckende Wirkung auf KünstlerInnen in Kuba haben wird und sie aus Angst vor Repressalien ihrer legitimen Tätigkeit nicht mehr nachgehen können.
Paragraf 203 des Strafgesetzbuchs, einer der Paragrafen, unter denen Luis Manuel Otero Alcántara offenbar angeklagt ist, steht im Widerspruch zu internationalen Standards, da er die Meinungsfreiheit einschränkt. Amnesty International lehnt Gesetze ab, die die Respektlosigkeit gegenüber Staatsoberhäuptern oder AmtsträgerInnen, Angehörigen des Militärs oder anderen öffentlichen Einrichtungen sowie Flaggen oder Symbolen verbieten; darunter fallen Majestätsbeleidigung und Verleumdungsgesetze.