Krebspatient in Haft braucht medizinische Versorgung
Der Gesundheitszustand des 84-jährigen Dr. Mohammed al-Khudari verschlechtert sich in der Haft zunehmend. Ihm wird die angemessene medizinische Behandlung für seine fortgeschrittene Krebserkrankung verweigert. Er und sein Sohn, Dr. Hani al-Khudari, haben ihre Haftstrafen offiziell am 28. Februar 2022 verbüsst. Trotzdem bleiben sie inhaftiert, bis der Oberste Gerichtshof die Urteile aller Angeklagter ihres Massenverfahrens überprüft hat, die Rechtsmittel eingelegt haben. Inzwischen befindet sich Dr. Mohammed al-Khudari im Gefängnis in Lebensgefahr.
In der Haft im Abha-Gefängnis in der saudi-arabischen Provinz Asir verschlechtert sich der Gesundheitszustand des 84-jährigen Dr. Mohammed al-Khudari zunehmend und rapide. Die Gefängnisbehörden verweigern ihm weiterhin die dringend benötigte fachärztliche Behandlung seines fortgeschrittenen Prostatakrebsleidens. Dr. Mohammed al-Khudari erhält mittlerweile überhaupt keine Krebsmedikamente mehr. Seit er vor zwei Jahren vom Dahaban-Gefängnis in das Abha-Gefängnis verlegt wurde, in welchem die Häftlinge keine ausreichende medizinische Versorgung erhalten, wird ihm die fachärztliche Betreuung verweigert. Zusätzlich muss er dringend von Fachärzt*innen aus den Bereichen der Kardiologie, Orthopädie und Zahnmedizin untersucht werden, um seine zahlreichen Beschwerden zu behandeln. Das Verweigern von angemessener medizinischer Versorgung ist eine Verletzung seines Rechts auf Gesundheit und bringt ihn in Lebensgefahr. Sein Sohn, Dr. Hani al-Khudari, muss auch dringend medizinisch versorgt werden, damit seine Nierensteine entfernt werden können, und eine dringend benötigte zahnärztliche Versorgung erhalten.
Das Sonderberufungsgericht in Riad befürwortete am 28. Dezember 2021, die Haftstrafe von Dr. Mohammed al-Khudari von fünfzehn auf sechs Jahre zu reduzieren. Allerdings bestätigte das Gericht die gegen Dr. Hani al-Khudari verhängte Haftstrafe von drei Jahren inklusive der bereits im Gefängnis verbrachten Zeit. Demnach hätten die beiden Männer ihre Haftstrafen am 28. Februar 2022 verbüsst. Da der Fall immer noch beim Berufungsgericht liegt und noch nicht zur finalen Entscheidung an den Obersten Gerichtshof weitergeleitet worden ist, befinden sich beide Männer weiterhin in Haft. Die Behörden begründeten diese Verzögerung mit dem bürokratischen Aufwand, den ein Massenverfahren mit 68 Angeklagten mit sich bringt. Dr. Mohammed und Hani al-Khudari gehören zu den Angeklagten in diesem Verfahren.
Familienangehörige der Al-Khudaris hatten im Jahr 2021 vor Gericht einen Antrag gestellt und baten darin darum, Dr. Mohammed al-Khudari aufgrund seines Alters und seines sich verschlechternden Gesundheitszustands freizulassen. Obwohl ihr Antrag im Februar 2022 sowohl vom Sonderstrafgericht als auch der Staatssicherheit genehmigt wurde, hat die Gefängnisverwaltung des Abha-Gefängnisses Dr. Mohammed al-Khudari immer noch nicht aus der Haft entlassen.
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
Die Palästinenser Dr. Mohammed al-Khudari und Dr. Hani al-Khudari waren am 4. April 2019 willkürlich festgenommen worden und befanden sich bis zum 8. März 2020 ohne Anklage in Haft. Beide erlebten schwerste Menschenrechtsverletzungen. Sie wurden willkürlich festgenommen, fielen dem Verschwindenlassen zum Opfer und wurden ohne Kontakt zur Aussenwelt in Einzelhaft gehalten. Darüber hinaus wurden sie hinter verschlossenen Türen und in Abwesenheit ihrer Rechtsbeistände verhört. Im November 2020 wurden sie in das Abha-Gefängnis verlegt, in dem es an Fachärzt*innen und der notwendigen Standardversorgung fehlt. Am 8. März 2020 wurden bei-de Männer im Rahmen eines Massenverfahrens gegen 68 Personen angeklagt, «einer terroristischen Gruppe» bei-getreten zu sein, womit offenbar die Hamas gemeint ist. Dr. Mohammed al-Khudari wird zudem beschuldigt, mehrere Führungspositionen innerhalb der Gruppe innegehabt zu haben. Das Massenverfahren gegen die beiden Männer verletzte zahlreiche Verfahrensrechte, unter anderem durch Verschwindenlassen, willkürliche Festnahmen, Inhaftierungen ohne Kontakt zur Aussenwelt und Einzelhaft. Am 8. August 2021 verurteilte das Sonderstrafgericht (SCC) in Riad Dr. Mohammed al-Khudari zu 15 Jahren Gefängnis, wobei die Hälfte der Strafe wegen seines Alters erlassen wurde. Dr. Hani al-Khudari wurde zu einer dreijährigen Haftstrafe verurteilt, einschliesslich der bereits verbüssten Haftzeit, anschliessend soll seine Ausweisung aus Saudi-Arabien erfolgen. Nachdem die beiden Männer Rechtsmittel gegen das Urteil eingelegt hatten, reduzierte das Berufungsgericht in Riad am 28. Dezember 2021 die Haftstrafe von Dr. Mohammed al-Khudari auf sechs Jahre, wobei wieder die Hälfte der Strafe aufgrund seines Alters erlassen wurde.
Dr. Mohammed al-Khudari hat durch die schlechten Schlafbedingungen in seiner Zelle einen Mobilitätsverlust in seinem rechten Arm erlitten. Darüber hinaus hat sein Hörvermögen um die Hälfte nachgelassen. Ausserdem hat er Zahnprobleme auf der linken Seite und schon einige Zähne verloren. Dadurch hat er Schwierigkeiten zu essen und hat erheblich an Gewicht verloren. Seine Familienangehörigen haben Amnesty International berichtet, dass er auch unter Inkontinenz, Bandscheibenvorfällen, Knieschmerzen, Knochenschwäche und allgemeiner Gebrechlichkeit leidet. Trotz der lebensbedrohlichen Situation und obwohl er mehrfach in ein Krankenhaus eingeliefert wurde, erhielt Dr. Mohammed al-Khudari weder Zugang zu einem_r Onkolog*in noch zu einer Zahnärztin oder einem Zahnarzt. Auch Dr. Hani al-Khudari, der an Blutarmut und Nierensteinen leidet, wurde eine angemessene medizinische Versorgung verweigert. Ausserdem haben sich beide Männer im Gefängnis mit Covid-19 infiziert.
Die Familie von Dr. Mohammed al-Khudari und Dr. Hani al-Khudari ist insbesondere deswegen sehr besorgt, weil es in saudi-arabischen Gefängnissen immer wieder zu Todesfällen kommt. Im April 2020 fiel der bekannte saudische Menschenrechtsaktivist Dr. Abdullah al-Hamid ins Koma und starb, nach-dem er in Haft einen Schlaganfall erlitten hatte. Im Oktober 2021 wurde der prominente saudische Geistliche Musa al-Qarni im Gefängnis von einem Mithäftling brutal zusammengeschlagen und getötet. «Wir machen uns grosse Sorgen um ihr Leben. Wir haben die Behörden angefleht, ihnen eine angemessene medizinische Versorgung zukommen zu lassen oder Dr. Mohammed al-Khudari unter Hausarrest zu stellen, damit er behandelt werden kann, oder die Freilassung zu beschleunigen, aber bisher bekamen wir keine Antwort ... Das ist wie ein Todesurteil», sagte ein Familienmitglied gegenüber Amnesty International.
Ihre Haftbedingungen setzen beide Männer grossem psychischem Stress aus, insbesondere Dr. Mohammed al-Khudari. Eine derartige Behandlung kommt Folter und anderen Misshandlungen gleich, was völkerrechtlich verboten ist. Darüber hinaus wird beiden Männern weiterhin der regelmässige Kon-takt zu ihrer Familie verwehrt, da die Gefängnisbehörden ihren wöchentlichen Anruf oder monatlichen Familienbesuch ohne Erklärung einfach absagen können.
Die Festnahme und Inhaftierung der beiden palästinensischen Männer ist Teil eines Musters, nach dem die saudischen Behörden gegen palästinensische, jordanische und saudi-arabische Staatsangehörige vorgehen, die mutmasslich mit der Hamas in Verbindung stehen.
Amnesty International hat dokumentiert, wie die saudi-arabischen Behörden seit 2011 regelmässig das Sonderstrafgericht anrufen, um Andersdenkende systematisch zum Schweigen zu bringen. Es haben zahlreiche Prozesse stattgefunden, die weit hinter den internationalen Standards für faire Verfahren zu-rückbleiben und in denen Angeklagte zu bis zu 30 Jahren Haft und in einigen Fällen zum Tode verurteilt wurden. Grundlage waren vage formulierte Bestimmungen des Antiterrorgesetzes und des Gesetzes zur Bekämpfung von Internetkriminalität.