14.10.2019 Further news
Prominenter Aktivist und sein Anwalt inhaftiert
Am 29. September wurde der Aktivist Alaa Abdel Fattah von Angehörigen des ägyptischen Geheimdienstes auf der Polizeiwache des Kairoer Stadtbezirks Dokki in Haft genommen. Später am selben Tag wurde der Menschenrechtsanwalt Mohamed el-Baqer bei der Staatsanwaltschaft der Staatssicherheit festgenommen, wo er in seiner Funktion als Rechtsbeistand für Alaa Abdel Fattah erschienen war. Erst am 1. Oktober tauchten die beiden Männer im Hochsicherheitsgefängnis Tora 2 wieder auf. Amnesty International ist der Ansicht, dass sie lediglich aufgrund ihrer Menschenrechtsarbeit festgehalten werden.
Am 29. September wurde der Aktivist Alaa Abdel Fattah auf der Polizeiwache des Kairoer Stadtbezirks Dokki festgenommen. Er muss dort aufgrund einer früheren Verurteilung täglich zwölf Stunden verbringen. Die Polizei sagte seiner Mutter, dass der Aktivist von Angehörigen des Geheimdiensts NSA zur Staatsanwaltschaft der Staatssicherheit (SSSP) gebracht worden sei. Später am selben Tag erschien Mohamed el-Baqer, einer der Rechtsbeistände von Alaa Abdel Fattah, bei der SSSP, woraufhin man ihm einen Haftbefehl vorlegte und ihn im selben Fall festnahm und befragte. Beiden Männern wird vorgeworfen, «einer illegalen Organisation beigetreten» zu sein, «ausländische Finanzmittel erhalten» zu haben, «falsche Nachrichten verbreitet» und «die Sozialen Medien missbraucht» zu haben (Fall Nr. 1356/2019).
Laut Angaben von Familienangehörigen und FreundInnen war der Verbleib von Alaa Abdel Fattah und Mohamed el-Baqer bis zum 1. Oktober unbekannt, als sie zum ersten Mal seit ihrer Festnahme im Hochsicherheitsgefängnis Tora 2 wieder auftauchten. Man befragte Mohamed el-Baqer hauptsächlich zu seiner Arbeit, und der Staatsanwalt legte ausser einer Ermittlungsakte des Geheimdienstes keinerlei Beweise gegen den Anwalt vor. Weder Mohamed el-Baqer noch sein Rechtsbeistand durften Einsicht in die Akte nehmen. Am 9. Oktober verlängerte die Staatsanwaltschaft der Staatssicherheit die Haftanordnung gegen die beiden Männer um weitere 15 Tage. Mohamed el-Baqer erhielt fünf Minuten lang Zugang zu seiner Familie, während Alaa Abdel Fattah kein Familienbesuch gewährt wurde.
Auf dem Weg zum Gefängnis soll die Polizei beiden Männern die Augen verbunden und Alaa Abdel Fattah geschlagen und getreten haben. Mohamed el-Baqer wurde beleidigt. Nach der Ankunft im Gefängnis musste Alaa Abdel Fattah sich bis auf die Unterwäsche ausziehen und wurde von mehreren Polizisten tätlich angegriffen. Regelmässig kamen Gefängniswärter in die Zelle des Aktivisten und forderten ihn auf, sich zur Wand zu drehen, woraufhin sie ihn bedrohten und beleidigten. Die Habseligkeiten beider Männer wurden beschlagnahmt. Ein Geheimdienstmitarbeiter drohte Alaa Abdel Fattah, man würde ihn noch stärker foltern, wenn er der Staatsanwaltschaft von den Misshandlungen erzähle.
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
Alaa Abdel Fattah ist in Ägypten ein bekannter politischer Aktivist und Regierungskritiker. Im Februar 2015 wurde er zu fünf Jahren Haft verurteilt, weil er in einer Twitternachricht die Justiz als «befangen» bezeichnet und angedeutet hatte, dass die RichterInnen «sich dem Militär unterordnen» würden. Er kam am 29. März 2019 frei, muss aber über einen Zeitraum von fünf Jahren Bewährungsauflagen erfüllen, die vorschreiben, dass er sich jeden Abend um 18 Uhr auf der Polizeiwache von Dokki melden und dort bis 6 Uhr morgens bleiben muss.
Mohamed el-Baqer ist Menschenrechtsanwalt und Direktor des Adalah Center for Rights and Freedoms, das von ihm 2014 gegründet wurde und zu Strafjustiz, Bildung und den Rechten von Studierenden arbeitet.
Amnesty International ist der Ansicht, dass die Festnahme von Mohamed el-Baqer und die Ermittlungen gegen ihn auf seiner Arbeit als Menschenrechtsanwalt basieren, während Alaa Abdel Fattah aufgrund seines Aktivismus und seiner Kritik an der Regierung festgenommen und angeklagt wurde. Die Inhaftierung der beiden Männer verstösst gegen ihr Recht auf freie Meinungsäusserung.
Die Inhaftierung von Alaa Abdel Fattah und Mohamed el-Baqer steht im Kontext der grössten Festnahmewelle seit dem Amtsantritt von Präsident Abdel Fattah al-Sisi im Jahr 2014. Am 20. und 21. September 2019 brachen in mehreren ägyptischen Städten Proteste aus, bei denen der Rücktritt des Präsidenten gefordert wurde. Aller Wahrscheinlichkeit nach waren die Korruptionsvorwürfe des Armeelieferanten Mohamad Ali der Anlass für die Proteste. Er beschuldigte die ägyptische Militärführung und den Präsidenten, öffentliche Gelder für den Bau von Luxusimmobilien zu verschwenden.
Amnesty International hat dokumentiert, wie die ägyptischen Sicherheitskräfte zahlreiche Protestierende, JournalistInnen, MenschenrechtsanwältInnen, AktivistInnen und politische Persönlichkeiten festnahmen, um KritikerInnen zum Schweigen zu bringen und von weiteren Protesten abzuschrecken. Allein zwischen dem 19. und 29. September 2019 wurden in sechs Städten 76 Personen festgenommen. Laut der Ägyptischen Kommission für Rechte und Freiheiten (ECRF) wurden in Verbindung mit den Protesten insgesamt mindestens 2.300 Menschen festgenommen. Nach Angaben von RechtsanwältInnen sind zahlreiche Inhaftierte ohne Befragung wieder freigelassen worden, doch viele andere werden der Staatsanwaltschaft vorgeführt. Die Regierung hat zudem die BBC und den Fernsehsender Al-Hurra auf die Liste der bereits 513 Websites gesetzt, die in Ägypten blockiert sind, und stört Online-Messaging-Anwendungen, um die Proteste noch zusätzlich zu behindern.