Filmemacher zu Haftstrafe verurteilt
Min Htin Ko Ko Gyi ist seit dem 12. April in Haft. Jetzt wurde der bekannte Filmemacher wegen «Aussagen zur Förderung öffentlichen Unfugs» zu einer einjährigen Haftstrafe verurteilt. Das Urteil hängt mit einer Reihe von Beiträgen in den Sozialen Medien zusammen, in denen er die Rolle des myanmarischen Militärs in der Politik kritisierte. Das Rechtsmittel gegen seine Verurteilung wurde abgelehnt. Ausserdem muss er mit zwei weiteren Jahren Haft rechnen, da ihm noch weitere Straftaten zur Last gelegt werden. Min Htin Ko Ko Gyi ist ein gewaltloser politischer Gefangener und muss umgehend und bedingungslos freigelassen werden.
Min Htin Ko Ko Gyi wurde am 29. August wegen des mutmasslichen Verstosses gegen Paragraf 505(a) des Strafgesetzbuchs – «Aussagen zur Förderung öffentlichen Unfugs» – zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Das Rechtsmittel gegen seine Verurteilung wurde am 9. September abgelehnt. Darüber hinaus wird Min Htin Ko Ko Gyi nach Paragraf 66(d) des Telekommunikationsgesetzes von 2013 «Verleumdung im Internet» zur Last gelegt. Dieser Vorwurf wird noch untersucht. Wird er verurteilt, drohen ihm zwei weitere Jahre Haft. Amnesty International betrachtet ihn als gewaltlosen politischen Gefangenen, der sich lediglich aufgrund der friedlichen Wahrnehmung seines Rechts auf Meinungsfreiheit in Haft befindet.
Min Htin Ko Ko Gyi ist ein in Myanmar bekannter Filmemacher und Gründer des Filminstituts der Menschenwürde. Ausserdem initiierte er ein internationales Filmfestival zu Menschenrechtsthemen. Am 12. April wurde er festgenommen, nachdem ihn ein Militärvertreter beschuldigt hatte, das Militär beleidigt zu haben. Min Htin Ko Ko Gyi hatte zuvor in einer Reihe von Facebook-Beiträgen Kritik an einem Verfassungsentwurf des Militärs geübt. Zudem kritisierte er die Rolle des Militärs in der Politik.
Auch der Gesundheitszustand von Min Htin Ko Ko Gyi gibt Anlass zur Sorge. Er leidet an Leberkrebs und musste sich Anfang des Jahres einer grossen Operation unterziehen. Zwar befindet er sich momentan in Remission und kann auch zu Nachsorgeuntersuchungen gehen, doch benötigt er eine durchgehende fachärztliche Behandlung, Pflege, Überwachung und Medikamente. Myanmar ist Vertragsstaat des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte und ist somit verpflichtet, das Recht auf Gesundheit zu gewährleisten. Die Behörden sind direkt für die Gesundheitsversorgung von Häftlingen verantwortlich und müssen sicherstellen, dass diese in Notfällen umgehend Zugang zu einer adäquaten Behandlung erhalten.
In Myanmar werden in jüngster Zeit wieder vermehrt Menschen aus politischen Gründen festgenommen und inhaftiert. Diese Festnahmen geschehen auf der Grundlage von Gesetzen, die seit mehreren Jahren dazu genutzt werden, friedliche politische AktivistInnen, KritikerInnen und MenschenrechtsverteidigerInnen strafrechtlich zu verfolgen. Diese Gesetze laufen internationalen Menschenrechtsnormen und -standards zuwider und solange sie in Kraft bleiben, sind MenschenrechtsverteidigerInnen und andere friedliche AktivistInnen weiterhin in Gefahr, willkürlich festgenommen und inhaftiert zu werden.
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
Nachdem der Militärvertreter seine Beschwerde eingelegt hatte, wurde Min Htin Ko Ko Gyi zunächst nach Paragraf 66(d) des Telekommunikationsgesetzes von 2013 «Verleumdung im Internet» zur Last gelegt. Einige Tage später erstattete derselbe Militärbeamte eine zweite Anzeige, diesmal nach Paragraf 505(a) des Strafgesetzbuchs. Dieser Paragraf kriminalisiert jede Person, die «eine Aussage, ein Gerücht oder einen Bericht macht, publiziert oder verbreitet, (a) mit der Absicht oder mit der wahrscheinlichen Folge, einen Offizier, Soldaten, Seemann oder Flieger in der Armee, Marine oder Luftwaffe zur Meuterei oder einer anderen Respektlosigkeit oder dem Nichtnachkommen seiner Aufgabe zu veranlassen» und ahndet dies mit einer Haftstrafe von bis zu zwei Jahren. Min Htin Ko Ko Gyi wurde in der zweiten Anklage für schuldig befunden und am 29. August 2019 zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Das Rechtsmittel gegen seine Verurteilung wurde umgehend abgelehnt. Die Beschuldigung nach Paragraf 66(d) des Telekommunikationsgesetzes von 2013 wird noch untersucht. Paragraf 66(d) ahndet Verstösse mit einer bis zu zweijährigen Gefängnisstrafe.
MenschenrechtsverteidigerInnen und andere AktivistInnen werden in Myanmar auch weiterhin nur deshalb festgenommen und inhaftiert, weil sie ihr Recht auf freie Meinungsäusserung wahrnehmen. Dieses Recht ist in Artikel 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verankert. Amnesty International ist angesichts einiger myanmarischer Gesetze besorgt, mit denen das Recht auf freie Meinungsäusserung eingeschränkt wird, so auch Paragraf 505 des Strafgesetzbuchs und Paragraf 66(d) des Telekommunikationsgesetzes von 2013.
In den UN-Mindestgrundsätzen für die Behandlung von Gefangenen (Nelson-Mandela-Regeln) heisst es, dass die gesundheitliche Versorgung von Gefangenen Aufgabe des Staates ist und dass die Gefängnisbehörden in dringenden Fällen eine umgehende medizinische Versorgung sicherzustellen haben. Die gesundheitliche Versorgung von Gefangenen sollte nicht unterbrochen werden und Gefangene, die fachärztliche Behandlung bzw. eine Operation benötigen, sind in Spezialkliniken oder zivile Krankenhäuser zu verlegen.
Das Militär verfügt in Myanmar nach wie vor über erheblichen wirtschaftlichen und politischen Einfluss. Angehörige des Militärs agieren ohne zivilrechtliche Kontrolle und daher faktisch ohne Rechenschaftspflicht. Die Verfassung von 2008 legt darüber hinaus fest, dass das Militär mindestens 25 Prozent der Sitze im Parlament innehaben muss, was bedeutet, dass es bei wichtigen Verfassungsänderungen ein Veto einlegen kann. Das Verteidigungsministerium, das Innenministerium und das Ministerium für Grenzangelegenheiten unterstehen allesamt der Armee.