Mitglieder einer christlichen Gemeinde inhaftiert
Li Yingqiang ist einer von etwa 100 Mitgliedern der christlichen Frühregen-Gemeinde in Chengdu in der Provinz Sichuan, die nach einer Polizeirazzia am 9. Dezember inhaftiert wurden. Er hat weder Kontakt zu seiner Familie noch Zugang zu einem Rechtsbeistand seiner Wahl und ist daher in Gefahr, gefoltert oder anderweitig misshandelt zu werden.
Li Yingqiang, ein führendes Mitglied der Frühregen-Gemeinde, wurde vom Büro für Öffentliche Sicherheit in Chengdu unter dem Verdacht, «Streit angefangen und Ärger provoziert zu haben», am 11. Dezember offiziell in Haft genommen. Li Yingqiang war am Abend des 9. Dezember nach einer Polizeirazzia auf dem Gelände der Kirchengemeinde untergetaucht, wurde jedoch gefunden.
Am 10. Dezember, einen Tag vor seiner Inhaftierung, hatte Li Yingqiang einen Offenen Brief an die Kirchengemeinde geschrieben und ermutigte sie dazu, in dieser schweren Zeit stark zu bleiben. Er betonte darin, dass sich die Frühregen-Gemeinde auch weiterhin in privaten Räumen versammeln sollte, statt sich als offizielle Kirche beim Büro für Religiöse Angelegenheiten registrieren zu lassen und so Teil der behördlich zugelassenen protestantischen Kirche Chinas, der sogenannten «Drei-Selbst-Bewegung», zu werden. Ausserdem riet er seiner Gemeinde, die Anmietung neuer Räume in Erwägung zu ziehen, sollten sie in ihren bisher genutzten keine Gottesdienste mehr abhalten können. «Wenn wir für den Gottesdienst keinen Raum mehr haben sollten, sollten wir den Gottesdienst im Freien abhalten», schrieb er weiter.
Es gibt keinen Kontakt zu Li Yingqiang, seit er am 11. Dezember inhaftiert wurde. Laut einer ihm nahestehenden Quelle hat er bislang keinen Zugang zu einem Rechtsbeistand. Es herrscht grosse Sorge um das Wohlergehen von Li Yingqiang, da er im Stadtgefängnis von Chengdu in der Provinz Sichuan im Südwesten Chinas, in dem er zurzeit festgehalten wird, Gefahr läuft, gefoltert oder anderweitig misshandelt zu werden.
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
Am Abend des 9. Dezember 2018 durchsuchte die Polizei von Chengdu die Räumlichkeiten der Frühregen-Gemeinde. Etwa 100 Gemeindemitglieder wurden abgeführt und in den nachfolgenden Tagen von der Polizei verhört, unter ihnen Li Yingqiang, Pastor Wang Yi, Jiang Rong, Qin Defu, Ge Yingfeng, Li Xiaofeng, Lü Jinfeng, Fu Lijun, Huang Yaling und Li Zihu. Andere wurden bald wieder freigelassen, stehen jedoch unter enger Beobachtung. Einige von ihnen berichteten, dass sie ein Dokument unterschreiben sollten, in dem sie erklärten, dass sie an keinen weiteren Zusammenkünften der Gemeinde mehr teilnehmen würden. Zum Zeitpunkt dieser Urgent Action gelten Liu Yingxu, Ding Shuqi und Song Enguang als vermisst.
Am 12. Dezember – drei Tage nach der Durchsuchung – veröffentlichte die Gemeinde eine Stellungnahme, die Pastor Wang Yi bereits einige Monate zuvor vorbereitet hatte. Darin macht er seine Entschlossenheit deutlich, die Religionsfreiheit zu verteidigen. Einige Gemeindemitglieder wurden wegen Vorwürfen wie «illegale Geschäftspraktiken» oder «Streit angefangen und Ärger provoziert zu haben» in Haft genommen. Pastor Wang Yi und seine Frau Jiang Rong werden ohne Kontakt zur Aussenwelt festgehalten, ihnen wird «Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt» vorgeworfen. Dieser vage Vorwurf wird häufig gegen DissidentInnen und regierungskritische AktivistInnen erhoben.
In China werden christliche Gemeinden zunehmend dazu genötigt, sich im Privaten als Hausgemeinden zu treffen. Die Frühregen-Gemeinde wurde 2005 gegründet und ist eine der grössten und bekanntesten Hausgemeinden des Landes. Auch ihre Mitglieder treffen sich in Privathäusern und nicht in den von der Regierung genehmigten Kirchen. Weder die Würdenträger noch die Mitgliedschaft wollen sich als offizielle Kirche beim Büro für Religiöse Angelegenheiten registrieren lassen und so Teil der behördlich zugelassenen protestantischen Kirche Chinas, der sogenannten «Drei-Selbst-Bewegung», werden. In China werden solche Gemeinden als «Hausgemeinden» oder «Hauskirchen» bezeichnet, da sich ihre Mitglieder zum Gottesdienst in Privathäusern treffen.
Seit am 1. Februar 2018 neue Religionsgesetze in Kraft traten, berichten Hausgemeinden über zunehmende Einschränkungen in ganz China, insbesondere in den Provinzen Henan, Zhejiang, Guangdong und Heilongjiang. Die Behörden liessen Kruzifixe und religiöse Inschriften von Kirchengebäuden entfernen, beschlagnahmten oder zerstörten Gemeindeeigentum, befahlen die Schliessung von Kirchen oder luden Kirchenmitglieder zum Verhör vor.