Wegen Blasphemie verurteilte Christin in grosser Gefahr
Die Christin und Landarbeiterin Asia Bibi wurde 2010 wegen Blasphemie zum Tode verurteilt. Der Oberste Gerichtshof Pakistans sprach sie kürzlich von allen Anklagen frei, doch jetzt gab die pakistanische Regierung den Forderungen eines gewalttätigen Mobs nach: Sie hinderte Asia Bibi daran, das Land zu verlassen und wies den Obersten Gerichtshof an, das Urteil zu überprüfen.
Asia Bibi (auch als Asia Noreen bekannt) hat die letzten acht Jahre im Todestrakt verbracht und darauf gewartet, dass ihr Rechtsmittel die pakistanischen Gerichte durchläuft. Asia Bibi wurde im November 2010 wegen Blasphemie zum Tode verurteilt. Sie soll den Propheten Mohammed beleidigt haben, als sie Kolleginnen Wasser anbot. Diese lehnten mit der Begründung ab, dass das Wasser einer Christin «unrein» sei. Pakistanische ChristInnen in Punjab, woher auch Asia Bibi stammt, werden immer noch mittels des Kastensystems und auch aus religiösen Gründen diskriminiert, da viele von ihnen in früheren Generationen Dalits waren, die zum Christentum konvertierten. Dalits galten im Kastensystem als «unberührbar».
Drei Jahre nachdem der Oberste Gerichtshof Pakistans Asia Bibis Rechtsmittel zugelassen hatte, sprach er sie am 31. Oktober 2018 aus Mangel an Beweisen von allen Vorwürfen frei. Nach Verkündung des Urteils brachen in pakistanischen Grossstädten gewaltsame Proteste aus, bei denen gewalttätige Mobs Strassen blockierten und Fahrzeuge in Brand setzten. Der Premierminister Imran Khan sagte daraufhin im Fernsehen, dass das Urteil aufrechterhalten werde und verurteilte die Gewalt. Doch als die Proteste anhielten machte seine Regierung zwei Tage später einen Rückzieher.
Eine Delegation der Regierung trat in Verhandlungen mit führenden Mitgliedern der Partei Tehreek-e-Labbayk, die diese Proteste angeführt hatte, und stimmte zu, dass Asia Bibi die Ausreise verweigert wird und der Oberste Gerichtshof einen «Antrag auf Überprüfung» anhören wird, mit dem ihr Freispruch aufgehoben werden soll. Bislang wurde kein Datum für die Überprüfung festgelegt und Asia Bibi befindet sich weiterhin im Gefängnis.
Das Leben von Asia Bibi und ihrer Familie ist in grosser Gefahr, da sie weiterhin bedroht werden. Asia Bibi wurde bereits vor dem Urteil des Obersten Gerichtshofs von Mitgefangenen angegriffen. Wenn das Urteil des Obersten Gerichtshofs überprüft wird, droht ihr die Hinrichtung. Und sollte sie freigelassen werden, schwebt sie in Lebensgefahr, da der Mob verhindern will, dass sie das Land verlässt.
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
Nachdem Asia Bibi im November 2010 zum Tode verurteilt wurde, nahmen zwei bekannte PolitikerInnen sich ihres Falls an und riefen den damaligen pakistanischen Präsidenten Asif Ali Zardari auf, sie zu begnadigen. Salmaan Taseer, der Gouverneur von Punjab und Gegner der pakistanischen Blasphemiegesetze, wurde im Januar 2011 von seinem eigenen Leibwächter ermordet. Zwei Monate darauf wurde der einzige Christ im Kabinett, Shahbaz Bhatti, vor dem Haus seiner Mutter in Islamabad erschossen.
Pakistans Blasphemiegesetze sind überaus vage formuliert und beinhalten hohe Strafen. Beschuldigte können ohne jedes Beweismaterial zum Tode verurteilt werden. Die Blasphemiegesetze verstossen gegen Pakistans Verpflichtungen zur Einhaltung der Menschenrechte und leisten darüberhinaus anderen Menschenrechtsverstössen Vorschub, darunter Drohungen und Tötungen. RichterInnen zögern, Angeklagte von dem Vorwurf der Blasphemie freizusprechen, weil sie fürchten, selbst zur Zielscheibe zu werden. Rechtsbeistände sind bereits im Gerichtssaal getötet worden. ZeugInnen und Familienangehörige von Betroffenen der Blasphemiegesetze müssen zum Teil untertauchen. Und die Behörden haben sich, statt die Menschenrechte konsequent zu verteidigen, im Hintergrund gehalten und diejenigen Boden gewinnen lassen, die Gewalt und Drohungen einsetzen, um sie einzuschüchtern.
Sobald eine Person der Blasphemie beschuldigt wird, kann sie von der Polizei ohne Überprüfung der Fakten festgenommen werden. Angesichts aufgebrachter Menschenmassen, darunter auch Geistliche und deren UnterstützerInnen, übergibt die Polizei die Fälle oft ohne Prüfung der Beweislage an die Staatsanwaltschaft. Sobald Anklage erhoben wurde, kann den Betroffenen die Freilassung gegen Kaution verweigert werden, und ihnen drohen lange und unfaire Gerichtsverfahren.
Häufig wird den Betroffenen Gewalt angedroht, weil sich bestimmte Gruppen oder Einzelpersonen berechtigt fühlen, Selbstjustiz zu üben und die Beschuldigten und/oder andere ihnen nahestehende Personen – z. B. Rechtsbeistände, Familienangehörige, Gemeindemitglieder – zu bedrohen oder zu töten.
Auch Rechtsbeistände, PolizistInnen, StaatsanwältInnen und RichterInnen sowie andere Bedienstete des Strafjustizsystems operieren in einem Klima der Angst, was sie daran hindert, ihre Arbeit wirksam, unparteiisch und angstfrei zu erledigen.
Der englischsprachige Bericht Pakistan: "As Good as Dead": The Impact of the Blasphemy Laws in Pakistan (https://www.amnesty.org/en/documents/asa33/5136/2016/en/) zeigt deutlich, dass die pakistanischen Blasphemiegesetze Menschenrechtsverstössen Vorschub leisten. Sie verstossen gegen die völkerrechtlichen Verpflichtungen Pakistans zur Achtung und zum Schutz von Menschenrechten wie dem Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit und dem Recht auf freie Meinungsäusserung. In dem Bericht wird dokumentiert, wie diese Gesetze gegen die schutzbedürftigsten Gruppen der Gesellschaft eingesetzt werden, so zum Beispiel gegen Angehörige religiöser Minderheiten.
Laut einer Stellungnahme des Obersten Gerichtshofs Pakistans «basieren die meisten Blasphemiefälle auf falschen Anschuldigungen» und werden aus niederen Beweggründen zur Anzeige gebracht. Solche Beweggründe werden von den Behörden nur selten untersucht. Bei ihnen handelt es sich wahlweise um berufliche Rivalitäten, persönliche Auseinandersetzungen, religiöse Streitigkeiten oder die Hoffnung auf wirtschaftliche Vorteile.
Amnesty International fordert die Aufhebung dieser Gesetze und erwartet, dass alle neu eingeführten Gesetze in vollem Umfang mit dem Völkerrecht und den internationalen Normen konform gehen.