21.1.2020: NEWS
Tran Thi Nga wurde am 9. Januar 2020 unter der Bedingung freigelassen, dass sie mit ihrer Familie in die USA ausreist. Tran Thi Nga befindet sich seit dem 10. Januar zusammen mit ihren beiden Kindern in Atlanta, wo sie Asyl bekommen hat.
Weitere Appelle sind daher nicht nötig.
Dass die Freilassung an die Ausreise gebunden wurde, ist nicht schön, aber wir sind sehr froh, dass sie sich nun nicht mehr in Haft befindet.
Vielen Dank allen, die Appelle geschrieben haben!
Angst um gewaltlose politische Gefangene
Die Menschenrechtsverteidigerin Trần Thị Nga wurde in Haft brutal zusammengeschlagen und erhielt von anderen Gefangenen Morddrohungen. Dies erzählte sie ihrem Mann kürzlich in einem hastigen Telefonat. Nach einem vorhergehenden Telefonat mit ihrer Familie scheint es, als seien die Angriffe von den Gefängnisbehörden organisiert worden, um sie zu bestrafen. Trần Thị Nga ist eine gewaltlose politische Gefangene, die seit mehr als 18 Monaten in Haft ist. Sie muss umgehend und bedingungslos freigelassen werden.
Trần Thị Nga, auch bekannt als «Thúy Nga», erzählte ihrem Mann in einem fünfminütigen Telefonat am 17. August 2018, dass sie vor kurzem zusammengeschlagen worden sei und von anderen Gefangenen Morddrohungen erhalten habe. Trần Thị Nga darf ihre Familie nur einmal im Monat anrufen. Bereits im vorangegangenen Telefonat im Juli hatte sie ihren Angehörigen erzählt, dass sie zusammen mit einer Gefangenen in derselben Zelle festgehalten werde, die dafür bekannt ist, den GefängniswärterInnen dabei zu helfen, andere Gefangene einzuschüchtern und zu schlagen. Ihr Mann macht sich grosse Sorgen um ihre Sicherheit, nachdem ihre Verbindung abrupt unterbrochen wurde, als Trần Thị Nga von ihrem Zustand im Gefängnis berichten wollte. Ihre letzten Worte an ihn waren: «Ich wurde oft zusammengeschlagen und kürzlich drohten sie damit, mich umzubringen.»
Trần Thị Nga wurde im Januar 2017 festgenommen und wegen «Propaganda gegen den Staat» angeklagt. Die Festnahme erfolgte, nachdem sie sich an friedlichen Protesten gegen den Umgang mit einer vom Chemieunternehmen Formosa Plastics 2016 verursachten Umweltkatastrophe beteiligt hatte. Am 25. Juli 2017 erklärte das Gericht von Ha Nam, einer Provinz im Norden Vietnams, Trần Thị Nga für schuldig und verurteilte sie zu neun Jahren Haft mit anschliessenden fünf Jahren Hausarrest.
Im Februar 2018 wurde sie in das Gia-Trung-Gefängnis verlegt, das 1.300 Kilometer von ihrer Heimat entfernt liegt. Damit wird es für ihre Familie sehr schwierig, sie zu besuchen. Gewaltlose politische Gefangene in ein Gefängnis zu verlegen, das weit weg von ihrer Heimat liegt, ist eine gängige Vorgehensweise der vietnamesischen Behörden, um sie zusätzlich zu bestrafen. Darüber hinaus haben die Gefängnisbehörden Trần Thị Nga wiederholt das Recht verweigert, ihre Familie zu sehen. Als Begründung dafür führten sie ihre angebliche «Sturheit» an, die sich wohl darauf bezieht, dass sie ihre Verbrechen nicht «gestanden» hat.
In den mehr als 18 Monaten, die sich Trần Thị Nga bereits in Haft befindet, konnte sie ihren Mann nicht einmal treffen, ihre Kinder durfte sie nur zweimal sehen. Trần Thị Nga ist eine gewaltlose politische Gefangene, die nur aufgrund der friedlichen Wahrnehmung ihrer Rechte auf freie Meinungsäusserung und friedliche Versammlung inhaftiert ist.
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
Trần Thị Nga begann ihre Menschenrechtsarbeit mit dem Engagement gegen Menschenhandel, nachdem sie selbst Opfer von Menschenhandel geworden war. Seitdem hat sie zu einer Vielzahl an Menschenrechtsthemen gearbeitet. Als Aktivistin war Trần Thị Nga immer wieder Drohungen und Angriffen ausgesetzt, darunter brutale Angriffe von in Zivil gekleideten PolizistInnen. Nach einem Angriff von ZivilpolizistInnen im Mai 2014 hatte sie einen gebrochenen Arm und ein gebrochenes Bein.
Auf eine Umweltkatastrophe im Jahr 2016 folgten landesweite massive Proteste. Das taiwanesische Chemieunternehmen Formosa Plastics hat später zugegeben, Industrieabfälle in den Gewässern der zentralen Küstenregion Vietnams entsorgt zu haben und damit für die Katastrophe verantwortlich zu sein. In Folge der Katastrophe starben Hunderttausende Tonnen Fisch, Millionen Menschen verloren ihre Arbeit und im ganzen Land kam es zu einer breiten sozialen Bewegung. Landesweit machten Leute ihrem Ärger Luft und die Menschen in Hanoi und Ho-Chi-Minh-Stadt gingen 2017 auf die Strasse, um gegen die unzulängliche Reaktion der vietnamesischen Regierung auf die Katastrophe zu protestieren. Während dieser Proteste wurden viele Menschen von der Polizei zusammengeschlagen und festgenommen und auch in den darauffolgenden Monaten nahmen die Behörden viele AktivistInnen fest. Etwa 40 Personen wurden in Verbindung mit den Protesten festgenommen und mindestens ein Dutzend AktivistInnen sind aus dem Land geflohen und haben in Thailand Asyl beantragt.
Als Vertragsstaat der UN-Antifolterkonvention und des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte ist Vietnam dazu verpflichtet, Personen vor Folter und anderer Misshandlung zu schützen und solche Vorwürfe umgehend gründlich, unabhängig und unparteiisch zu untersuchen.
Die Haftbedingungen in vietnamesischen Gefängnissen sind oftmals sehr schlecht. Die Nahrungs- und Gesundheitsversorgung sowie andere Bedingungen entsprechen häufig weder den Richtlinien der UN-Mindestgrundsätze für die Behandlung von Gefangenen (Nelson-Mandela-Regeln) noch anderen internationalen Standards. Gewaltlose politische Gefangene werden in Vietnam häufig als zusätzliche Strafe über lange Zeiträume in Einzelhaft gehalten. Dieses Vorgehen stellt einen klaren Verstoss gegen die Nelson-Mandela-Regeln dar und wird von ehemaligen Gefangenen als «Gefängnis innerhalb des Gefängnisses» beschrieben. Weitere Informationen hierzu finden Sie in dem englischsprachigen Bericht «Prisons within Prisons: Torture and ill-treatment of prisoners of conscience in Viet Nam» (ASA41/4187/2016, https://www.amnesty.org/download/Documents/ASA4141872016ENGLISH.PDF).
Trần Thị Nga ist eine der 94 bekannten gewaltlosen politischen Gefangenen in Vietnam, die sich auf der im April 2018 von Amnesty International veröffentlichten Liste befinden. Vietnam gehört in Südostasien zu den Staaten, die die meisten friedlichen AktivistInnen festnehmen. Für Gefangene, die aus politischen Gründen inhaftiert wurden, sind die Haftbedingungen besonders schlecht. Weitere Informationen dazu finden Sie in dem englischsprachigen Bericht «Prisoners of conscience in Viet Nam» (ASA 41/8162/2018, https://www.amnesty.org/en/documents/asa41/8162/2018/en/).
Folter und andere Misshandlungen, darunter längere Phasen der Einzelhaft, der Haft ohne Kontakt zur Aussenwelt, Schläge und das absichtliche Vorenthalten von medizinischer Behandlung sind nach internationalen Menschenrechtsnormen unter allen Umständen verboten, gehört in Vietnam aber weiterhin zur gängigen Praxis.