07.08.2018: Press release
Aktivist drohen 14 Jahre Haft
Der Fotograf und bekannte Menschenrechtsaktivist Shahidul Alam wurde nach Paragraf 57 des Gesetzes über Informations- und Kommunikationstechnologie angeklagt, nachdem er in einem Interview mit dem Sender Al-Jazeera über die aktuellen SchülerInnenproteste in Bangladesch berichtet hatte. Shahidul Alam wurde nur wegen der Ausübung seines Rechts auf Meinungsfreiheit festgenommen und angeklagt. Er muss umgehend und bedingungslos freigelassen werden.
Shahidul Alam ist in Bangladesch sowohl als Aktivist als auch als Fotograf bekannt. Nun wurde er wegen des Verstosses gegen Paragraf 57(2) des 2013 ergänzten Gesetzes für Informations- und Kommunikationstechnologie (Information and Communications Technology Act, ICT) angeklagt. Die 2013 vorgenommenen Ergänzungen des Gesetzes sind als drakonisch berüchtigt. Ein Gericht in Dhaka genehmigte der Polizei am 6. August ausserdem, ihn für sieben Tage in Untersuchungshaft zu nehmen – obwohl bekannt ist, dass es im Polizeigewahrsam regelmässig zu exzessiver Gewaltanwendung wie Folter und anderen Formen von grausamer und unmenschlicher Behandlung, bis hin zum Tod in Gewahrsam kommt. Als Shahidul Alam vor Gericht erschien, konnte er nicht mehr laufen. Das legt nahe, dass er in der Haft Opfer von Folter oder anderer Misshandlung geworden ist.
Shahidul Alam wurde am 5. August festgenommen. Kurz zuvor hatte er in einem Interview mit dem Nachrichtensender Al-Jazeera English über die aktuellen SchülerInnenproteste in Bangladesch berichtet, die er als Fotograf begleitet und über Facebook Live übertragen hatte. Dabei kritisierte er auch die harte Reaktion der Regierung auf die Proteste. Noch am Morgen vor dem Interview hatten Männer in Zivilkleidung und mit Helmen fünf FotojournalistInnen und JournalistInnen von lokalen Mediensendern mit Macheten und Eisenstangen angegriffen. Auch diese hatten lediglich über die friedlichen Proteste berichtet.
Der Paragraf 57 des ICT-Gesetzes sieht eine Haftstrafe von mindestens sieben und maximal 14 Jahren vor. Entgegen internationalen Rechtsnormen, die das Recht auf Meinungsfreiheit schützen, wird das Gesetz dazu genutzt, kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen. Amnesty International betrachtet Shahidul Alam als gewaltlosen politischen Gefangenen, der nur aufgrund der rechtmässigen Ausübung seiner Meinungsfreiheit in Haft ist. Er muss umgehend und bedingungslos freigelassen werden.
In ihren Protesten fordern die SchülerInnen sichere Strassen in Bangladesch, nachdem zwei SchülerInnen getötet und 13 weitere durch einen zu schnell fahrenden Bus verletzt wurden, als diese an einer Bushaltestelle warteten. Die Polizei reagierte auf die überwiegend friedlichen Proteste mit unverhältnismässiger Gewaltanwendung. Dabei kamen auch Tränengas und Gummigeschosse zum Einsatz. Mehr als zweihundert SchülerInnen wurden verletzt.
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
Am späten Abend des 5. August 2018 wurde Shahidul Alam von einer Gruppe Männer in Zivilkleidung aus seiner Wohnung in Dhanmondi in der Stadt Dhaka abgeholt. Das Sicherheitspersonal des Wohngebäudes und andere AugenzeugInnen berichteten, dass die Männer – die behauptet hatten, zu einer Kriminalabteilung (Detective Branch) zu gehören – Shahidul Alam aus seiner Wohnung holten und ihn in ein wartendes Auto zwangen.
Die Männer deckten dabei eine Überwachungskamera ab und nahmen die Aufzeichnung ihres Eintritts in das Gebäude mit. Das Sicherheitspersonal wurde überwältigt und eingesperrt. Shahidul Alams PartnerIn hörte seine Rufe aus der Nebenwohnung und eilte die Treppen hinunter. Das Auto, in dem Shahidul Alams sass, sowie zwei weitere Fahrzeuge fuhren jedoch bereits mit Vollgas davon.
Das Engagement von SchülerInnen und Studierenden – die meisten davon unter 18 Jahren – für mehr Sicherheit im Strassenverkehr haben viel Anerkennung und Solidarität aus der Bevölkerung erfahren. Die ursprünglich friedliche Protestbewegung schlug in Gewalt um, nachdem Männer in Zivilkleidung und mit Helmen die Kinder und Jugendlichen sowie JournalistInnen mit Macheten und Eisenstangen angriffen. Letztere gingen lediglich ihrem Beruf nach und berichteten über den friedlichen Protest.
Shahidul Alam und andere Personen, die die Angriffe auf Facebook und in anderen Sozialen Netzwerken dokumentiert haben, werden nun von den Sicherheitskräften aufgespürt und nach dem erweiterten Gesetz für Informations- und Kommunikationstechnologie von 2013 strafverfolgt. Die Sicherheitskräfte arbeiten mit der Bangladesch Chhatra-League zusammen, der universitären Organisation der Awami-Liga, welche die Regierungspartei von Bangladesch stellt.
Die Regierung von Bangladesch hat es nicht nur versäumt, kritische Stimmen zu schützen und die sie bedrohenden bürgerwehrähnlichen Gruppen zur Rechenschaft zu ziehen, sondern sie unterdrückt mittels repressiven Strategien und neuen Gesetzen auch aktiv die Meinungsfreiheit.
Das ICT-Gesetz, welches Haftstrafen von mindestens sieben Jahren vorsieht, spielt eine entscheidende Rolle bei der Unterdrückung kritischer Stimmen in Bangladesch. Die vage formulierten Klauseln ermächtigen die Behörden, Menschen «im Interesse der Souveränität, Integrität und Sicherheit von Bangladesch» oder bei der Vermutung, dass diese «den Ruf des Staates schädigen» oder «religiöse Gefühle verletzen», zu verfolgen.
Die Regierung nutzt das drakonische Gesetz, um Kritik in den Medien zu ersticken, indem Anklagen gegen JournalistInnen erhoben werden, die lediglich ihrem Beruf nachgegangen sind. So wurde z.B. im Dezember 2016 der Zeitungs- und Fernsehjournalist Nazmul Huda festgenommen, im Gewahrsam brutal geschlagen und unter dem ICT-Gesetz angeklagt, weil er über Proteste von ArbeiterInnen aus der Textilindustrie ausserhalb der Hauptstadt Dhaka berichtet hatte.