Umweltschützer getötet, weitere in Gefahr
Ein Mitglied der Bewegung Ríos Vivos (Lebende Flüsse) wurde am 2. Mai getötet, an dem Tag, an dem die Gruppe einen ganztägigen Protestmarsch gegen das Hidroituango-Staudammprojekt im Departamento Antioquia veranstaltete. Mitglieder der Bewegung befürchten weitere Repressalien.
Am 2. Mai töteten Unbekannte Hugo Albeiro George Pérez, ein Mitglied der Vereinigung für Opfer und Betroffene von Megaprojekten (Asociación de Víctimas y Afectados por Megaproyectos – ASVAM), Teil der Ríos Vivos-Bewegung in Antioquia (Movimiento Ríos Vivos Antioquia – MRVA). Er befand sich in einem Café in Puerto Valdivia im Norden von Antioquia, als zwei bewaffnete Männer auf Motorrädern ihn mit zwei Schüssen töteten. Sein Neffe Domar Egidio Zapata George wurde bei dem Anschlag ebenfalls getötet.
Die Vorfälle ereigneten sich an dem Tag, an dem Ríos Vivos eine ganztägige Demonstration organisiert hatte. Rund 160 Personen hatten sich versammelt, um ihre Bedenken hinsichtlich des Überschwemmungs- und Erdrutschrisikos in ihren Gemeinden zu äussern. Medienberichten zufolge wurde ein Tunnel des Hidroituango-Staudammprojekts durch heftigen Regen blockiert. Diese Blockierung führte zu einem Anstieg des Wasserpegels, von dem der Ríos Vivos-Bewegung zufolge mindestens 45 Familien betroffen waren und der in den folgenden Tagen viele weitere betreffen könnte, sollte die Blockierung nicht rasch behoben werden.
Hugo George hat sich öffentlich gegen den Bau des Hidroituango-Staudammprojekts ausgesprochen. 2013 begann er, Entschädigungen für Familien zu fordern, deren Land und landwirtschaftliche Tätigkeit durch den Bau einer Strasse vom Staudamm nach Puerto Valdivia beeinträchtigt worden war.
Mitglieder der Ríos Vivos-Bewegung erklärten Amnesty International, dass die Behörden den Zugang zum Tatort trotz der Polizeipräsenz nach der Tötung von Hugo George nicht einschränkten und seine Leiche ohne Rücksicht auf die Spurensicherung bewegt wurde. Sie prangerten auch an, dass der Gouverneur und die Polizei von Antioquia in öffentlichen Erklärungen bestritten, dass es sich bei Hugo George um einen Sprecher der Bewegung handelte. Die regionalen Behörden haben die Ríos Vivos-Bewegung bei früheren Gelegenheiten öffentlich delegitimiert. Das Innenministerium, das für den kollektiven Präventions- und Schutzplan für die Mitglieder von Ríos Vivos zuständig ist, stand Berichten zufolge mit den OrganisatorInnen in Kontakt, unternahm aber keine konkreten Schritte, den Schutzplan umzusetzen.
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
Mit dem Bau des Hidroituango-Staudamms am Cauca-Fluss in Antioquia wurde 2010 begonnen. Das Projekt sieht u. a. die «vorübergehende Umleitung des Cauca-Flusses» vor. Laut Ríos Vivos wurden im Zuge des Projekts bisher mehr als 500 Familien vertrieben. Einer Sozial- und Umweltverträglichkeitsstudie des Hidroituango-Projekts zufolge werden die Gemeinden Orobajo und Barbacoas in dem Gebiet «vollständig überflutet» werden.
Ríos Vivos berichtet im Zusammenhang mit Protesten gegen das Hidroituango-Staudammprojekt von 151 Angriffen auf seine Mitglieder, bei denen drei Mitglieder getötet wurden. Ausserdem soll es zwei weitere Versuche gegeben haben, Mitglieder zu töten, und es sind mehr als 60 Morddrohungen eingegangen.
Am 20. April 2018 brachten 25 Abgeordnete des Europäischen Parlaments in einem Schreiben an die kolumbianischen Behörden ihre Sorge angesichts der Lage der BewohnerInnen dieser Gegend vor der unmittelbar bevorstehenden Flutung des Damms zum Ausdruck. Ihre besondere Sorge galt der Tatsache, dass der Damm sich in einem Gebiet mit Massengräbern und Einzelgräber befindet. Bisher wurden 159 Leichname exhumiert, und die Wahrscheinlichkeit weiterer Leichenfunde in dieser Gegend ist gross.
Im Jahr 2013 wurde den Mitgliedern der Ríos Vivos-Bewegung ein kollektiver Präventions- und Schutzplan gewährt, dessen Implementierung Berichten zufolge von den Behörden bisher allerdings noch nicht eingeleitet wurde. In diesem Zusammenhang forderte eine Abgeordnetengruppe aus Schweden in einem Schreiben die Implementierung des Präventions- und Schutzplans für die MRVA.
Der NGO Somos Defensores zufolge wurden in Kolumbien seit Beginn dieses Jahres mehr als 40 MenschenrechtsverteidigerInnen getötet.