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Startseite Urgent Actions 2018 05 Two Afro-descendant defenders criminalized
UA 085/18
Kolumbien
Abgeschlossen am 18. Juni 2018

Konstruierte Anklagen gegen Menschenrechtlerinnen

AI-Index: AMR 23/8346/2018

Sara Quiñonez und ihre Mutter Tulia Maria Valencia sind Gemeindesprecherinnen im Verwaltungsbezirk Tumaco im Departamento Valle del Cauca und setzen sich für die Menschenrechte der BewohnerInnen der afrokolumbianischen Gemeinschaft in Alto Mira y Frontera ein. Ende April sind die beiden Frauen rechtswidrig inhaftiert worden. Man wirft ihnen Straftaten zur Last, die sie nicht begangen haben.

Am 23. April wurden Sara Quiñonez und ihre Mutter Tulia Valencia in Cali, der Hauptstadt des Departamento Cali, festgenommen. Gegen die beiden Gemeindesprecherinnen ist Anklage wegen «Rebellion» und «schwerwiegender Verschwörung, ein Verbrechen zu begehen» erhoben worden. Derzeit werden sie im bundesstaatlichen Gefängns von Jamundí in der Nähe von Cali festgehalten. Der afrokolumbianischen Menschenrechtsorganisation «Proceso de Comunidades Negras» (PCN) zufolge sind die Anklagen gegen Sara Quiñonez und Tulia Valencia haltlos, da sie weder Mitglieder einer Guerillagruppe sind, noch an den ihnen zur Last gelegten Straftaten beteiligt waren. PCN berichtete ausserdem, dass das bisherige Verfahren gegen die beiden Frauen wegen ihrer afrokolumbianischen Abstammung und ihrer Rolle als Menschenrechtsverteidigerinnen unfaire und diskriminierende Merkmale aufwies.

Sara Quiñonez ist Vorsitzende des Gemeinderats der afrokolumbianischen Gemeinschaft Alto Mira y Frontera. Sie ist eine Menschenrechtsverteidigerin, die für die Landrechte ihrer Gemeinschaft kämpft. Die BewohnerInnen von Alto Mira y Frontera werden von zahlreichen bewaffneten Akteuren bedroht, welche versuchen, die Kontrolle über ihre Gebiete zu erlangen – insbesondere über die Kokafelder. Auch die Mutter, Tulia Valencia, ist eine bekannte Gemeindesprecherin, die sich mit grossem Engagement dem Schutz der individuellen und kollektiven Rechte ihrer Gemeinde widmet. Beide Frauen leben in Cali, nachdem sie nach der Ermordung zweier anderer GemeindesprecherInnen gezwungen waren, ihre Heimatorte zu verlassen. Die PCN befürchtet, dass das Leben und die Sicherheit weiterer afrokolumbianischer Menschenrechtsverteidigerinnen an der Pazifikküste Kolumbiens gefährdet sind, da es massgeblich diese Frauen sind, die ihren Gemeinschaften eine Stimme geben und deshalb ins Visier der Behörden geraten.

Die Interamerikanische Menschenrechtskommission hat im März 2018 dem Vorstand des Gemeinschaftsrats von Alto Mira y Frontera, einschliesslich Sara Quiñonez, Schutzmassnahmen zugesichert. Dieser Antrag folgte auf Berichte über Gewalt im Departamento Nariño, insbesondere im Verwaltungsbezirk San Andrés de Tumaco, und die Ermordung des Gemeindesprechers José Jair Cortés am 17. Oktober 2017. Sara Quiñonez erhielt ausserdem von der zum Schutz gefährdeter Personen eingerichteten Behörde Unidad Nacional de Protección (UNP) aufgrund der Gefahr, der sie als Gemeindesprecherin ausgesetzt ist, Schutzmassnahmen.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Der Gemeinderat von Alto Mira y Frontera wird seit Jahrzehnten von paramilitärischen Gruppierungen, Guerillagruppen, DrogenhändlerInnen, SoldatInnen und multinationalen Unternehmen mit Gewalt und Enteignung konfrontiert. Sara Quiñonez war zunächst Vorsitzende, später stellvertretende Vorsitzende dieses Gemeinderats. Auch Tulia Valencia ist eine bekannte Sprecherin der Frauengruppe und verschiedener Ausschüsse des Gemeinderats.
Am 6. Oktober 2017 berichtete Amnesty International, dass in Tumaco im Südwesten Kolumbiens neun Angehörige kleinbäuerlicher Gemeinschaften (campesinos) getötet und mehr als ein Dutzend verletzt worden waren – mutmasslich von Angehörigen der kolumbianischen Armee und Polizei. Angehörige der kolumbianischen Sicherheitskräfte eröffneten willkürlich das Feuer auf friedlich Protestierende der kleinbäuerlichen Gemeinschaften von Alto Mira y Frontera. Die Gemeinschaften demonstrierten gegen die zögerliche Umsetzung eines Programms, das der in Armut lebenden Bevölkerung die Möglichkeit bietet, den Anbau von Koka freiwillig aufzugeben und stattdessen mithilfe staatlicher Förderung legale Feldfrüchte anzubauen. Das Programm war im Friedensvertrag zwischen der kolumbianischen Regierung und den FARC-Rebellen im November 2016 vereinbart worden. Es ist somit für die Behörden offensichtlich, dass die Zivilbevölkerung während der Umsetzung des Friedensabkommens Schutz benötigt.
Seit dem 28. September 2017 protestieren die kleinbäuerlichen Gemeinschaften von Alto Mira y Frontera friedlich gegen die aktuelle Strategie der Regierung, den Anbau illegaler Feldfrüchte zu reduzieren. Den Demonstrierenden zufolge kommen die Behörden den Vereinbarungen des Friedensvertrags nicht nach, in denen es heisst, dass sämtliche Aktionen nur freiwillig und mit Zustimmung der Betroffenen durchgeführt werden können.
Das Gebiet Tumaco hat eine der grössten Koka-Anbauflächen in Kolumbien. Riesige Kokafelder liegen in Alto Mira. Folglich rückt es auch in den Fokus des Programms für den freiwilligen Rückbau. Dennoch ist – ebenso wie in anderen Gegenden der Region – der Fortschritt des Friedensvertrags nur langsam erkennbar, und die ländlichen Gemeinden befürchten, dass die Regierung ihre fundamentalen Rechte nicht ausreichend berücksichtigen oder ihnen keine alternativen Entwicklungsmöglichkeiten bieten wird.

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