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27.04.2018: Quote

See also Amnesty International quote dated April 26 and video of Yu Wensheng.

Grosse Sorge um inhaftierten Menschenrechtsanwalt

AI-Index: ASA 17/8295/2018

Die Inhaftierung des Pekinger Menschenrechtsanwalts Yu Wensheng ist nun offiziell bestätigt worden. Ihm wird vorgeworfen, «zum Umsturz der Staatsmacht angestiftet» und «die Arbeit von Staatsbeamten behindert» zu haben. Zuvor verbrachte er drei Monate in Haft ohne Kontakt zur Aussenwelt. Seitdem ihn die Rechtsbeistände, die seine Familie für ihn ausgesucht hatte, offenbar nicht mehr treffen dürfen, besteht grosse Sorge um sein Wohlbefinden. In einem Video, das vor seiner Festnahme aufgenommen worden war, erklärte Yu Wensheng, dass er niemals sein Recht auf einen Rechtsbeistand seiner Wahl aufgeben werde, solange er nicht der Folter und anderen Misshandlungen ausgesetzt sei.

Am 19. April 2018 wurde die Inhaftierung von Yu Wensheng offiziell von der Behörde für öffentliche Sicherheit des Bezirks Tongshan in Xuzhou in der Provinz Jiangsu bestätigt. Ihm wird vorgeworfen, «zum Umsturz der Staatsmacht angestiftet» und «die Arbeit von Staatsbeamten behindert zu haben». Im Falle seiner Verurteilung könnte ihm eine 15-jährige Haftstrafe wegen «Anstiftung zur Untergrabung der Staatsmacht» drohen.

Am 18. April, dem Tag vor der offiziellen Bestätigung der Inhaftierung, versuchten zwei der von seiner Familie beauftragten Rechtsbeistände ihn zu treffen. BeamtInnen der Behörde für öffentliche Sicherheit im Bezirk Tongshan legten allerdings ein Schreiben vor, das  von Yu Wensheng verfasst worden sein soll. Darin entbindet er die Anwälte von ihrem Mandat und bittet seine Frau, keine weiteren Rechtsbeistände für ihn auszusuchen. Die nachfolgenden Anträge der Anwälte, Yu Wensheng sehen und die Bestätigung seiner Anweisung einholen zu wollen, wurden von der Behörde abgelehnt. Diese jüngste Entwicklung gibt Anlass zu grosser Sorge über die Lage, in der sich Yu Wensheng derzeit befindet. Seine Familie hat sich aus diesem Grund dazu entschlossen, ein Video zu veröffentlichen, das vor seiner Festnahme aufgenommen worden war. Darin macht Yu Wensheng mehrmals deutlich, dass er im Falle seiner Festnahme niemals die Rechtsbeistände seiner Wahl entlassen werde, es sei denn er wäre der Folter oder anderen Misshandlungen ausgesetzt.

Yu Wensheng wurde am 19. Januar 2018 von der Polizei abgeführt, als er seinen Sohn zur Schule bringen wollte. Nachdem er zunächst in Peking inhaftiert worden war, wurde er «an einem dafür vorgesehenen Ort unter Überwachung» gestellt. De facto handelte es sich dabei um eine geheime Haft ohne Kontakt zur Aussenwelt der Behörde für öffentliche Sicherheit im Bezirk Tongshan. Yu Wensheng hatte während seiner gesamten Inhaftierung nicht ein einziges Mal die Möglichkeit, seine Familie oder die Rechtsbeistände seiner Wahl zu treffen.

Dem Strafprozessrecht der Volksrepublik China zufolge kann die Polizei den Zugang zu Rechtsbeiständen zu Gefangenen für die Dauer von bis zu sechs Monaten verbieten. Das gilt für Fälle, in denen sie die «nationale Sicherheit gefährdet» sieht und erhöht die Gefahr der Gefangenen, Folter und anderen Formen der Misshandlung ausgesetzt zu sein. Yu Wensheng ist ein gewaltloser politischer Gefangener, der nur aufgrund der Ausübung seines Rechts auf Meinungsfreiheit festgenommen wurde. Deshalb muss er umgehend und bedingungslos freigelassen werden.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Am 15. Januar 2018, vier Tage bevor er von der Polizei abgeholt und an seinen derzeitigen Haftort gebracht wurde, erhielt Yu Wensheng einen Brief des Büros für Justiz in Peking, dass ihm die Anwaltslizenz entzogen würde, da er seit über sechs Monaten nicht bei einer registrierten Anwaltskanzlei beschäftigt sei. Ihn erreichte ein weiterer Brief des Büros, der auf den 12. Januar datiert war, in dem stand, dass sein Antrag auf die Eröffnung einer Anwaltskanzlei abgelehnt worden sei, weil er sich wiederholt gegen die Herrschaft der Kommunistischen Partei ausgesprochen und den «sozialistischen Rechtsstaat» angegriffen hatte.
Yu Wensheng ist ein bekannter Menschenrechtsverteidiger in Peking. Er war Rechtsbeistand bei vielen öffentlichkeitswirksamen Menschenrechtsfällen. So vertrat er unter anderem Falun-Gong-AnhängerInnen und den Menschenrechtsanwalt Wang Quanzhang, der während des harten staatlichen Vorgehens gegen AnwältInnen und AktivistInnen im Juli 2015 wegen «Untergrabung der Staatsmacht» angeklagt worden war und dessen Aufenthaltsort weiterhin unbekannt ist.
Yu Wensheng war im Jahr 2014 insgesamt 99 Tage in Haft und wurde während dieser Zeit gefoltert, wie er Amnesty International später mitteilte. Am 13. Oktober 2014 wurde er vom Büro für öffentliche Sicherheit Daxing in Peking festgenommen, nachdem er seine Unterstützung für die pro-demokratischen Proteste in Hong Kong ausgedrückt hatte. Er wurde 61 Tage lang zusammen mit Häftlingen, die zum Tode verurteilt worden waren, festgehalten und etwa 200 Mal verhört. Yu Wensheng wurde der Zugang zu einem Rechtsbeistand in Haft verweigert und zehn BeamtInnen der öffentlichen Sicherheit waren dazu abgestellt, ihn in drei Schichten täglich zu verhören. Zunächst misshandelten diese ihn nur verbal. Später wurden ihm die Hände mit Handschellen an der Rückseite seines Eisenstuhls befestigt, wodurch seine Muskeln und Gelenke stark überdehnt wurden. Yu Wensheng sagt, dass zwei BeamtInnen immer wieder ruckartig an seinen Handschellen zogen und er jedes Mal aufschrie.
Im Oktober 2017 wurde Yu Wensheng erneut für eine kurze Zeit inhaftiert, nachdem er einen Offenen Brief geschrieben hatte, in dem er Präsident Xi Jinping kritisierte und sagte, dieser sei wegen seiner immer stärker werdenden «totalitären» Herrschaft ungeeignet, um China zu regieren. Angehörige und FreundInnen von Yu Wensheng glauben, dass er sich momentan aufgrund dieses Briefes in Haft befindet.
Am 23. Januar 2018 veröffentlichte die in Shanghai ansässige Nachrichtenwebsite The Paper einen Bericht mit einem deutlich bearbeiteten Video in dem behauptet wurde, dass ein Anwalt mit dem Familiennamen Yu bei seiner Festnahme am 19. Januar zwei PolizistInnen gewaltsam angegriffen habe. Der Bericht zirkulierte auf Nachrichtensuchportalen und in den Sozialen Medien in China und der Name Yu Wensheng wurde in Twitternachrichten und Posts auf anonymen Präsenzen in den Sozialen Medien genannt. Dies scheint der Versuch zu sein, den Anwalt in Verruf zu bringen. Ähnliche Vorgehensweisen gab es in anderen Fällen inhaftierter Rechtsbeistände und AktivistInnen.
Die Inhaftierung der Anwältin Wang Yu und ihrer Familienangehörigen am 9. Juli 2015 markiert den Beginn eines nie dagewesenen scharfen Vorgehens gegen MenschenrechtsanwältInnen und andere AktivistInnen. In den darauffolgenden Wochen wurden fast 250 AnwältInnen und AktivistInnen von StaatssicherheitsbeamtInnen befragt oder inhaftiert und viele ihrer Büros und Wohnungen wurden durchsucht. Bis Dezember 2017 waren neun Personen wegen «Untergrabung der Staatsgewalt», «Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt» oder weil sie «Streit angefangen und Ärger provoziert» hatten, verurteilt worden. Fünf befinden sich immer noch in Haft, drei haben Bewährungsstrafen erhalten und eine wurde nicht verurteilt, steht aber weiterhin unter Überwachung. Die zehnte Person, der Anwalt Wang Quanzhang, wurde angeklagt und wartet auf sein Verfahren. Er wird ohne Kontakt zur Aussenwelt und ohne Zugang zu einem Rechtsbeistand in Haft gehalten und ist in Gefahr, gefoltert oder anderweitig misshandelt zu werden.

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