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Startseite Urgent Actions 2018 01 Indigenous community forcibly evicted
UA 006/18
Kenia
Abgeschlossen am 14. Februar 2018

Zwangsräumung der indigenen Sengwer

AI-Index: AFR 32/7704/2018

Die kenianischen Behörden vertreiben derzeit die Gemeinschaft der Sengwer von ihrem angestammten Land im Embobut-Wald. Sie führen die Zwangsräumungen mit Hilfe eines von der EU finanzierten Umweltschutzprojekts durch und verstossen mit diesem Vorgehen gegen die kenianische Verfassung, eine Unterlassungsverfügung des Obersten Gerichtshofs und internationaler Menschenrechtsnormen.

Seit dem 29. Dezember 2017 führt die Kenianische Forstbehörde (Kenya Forest Service - KFS) rechtswidrige Zwangsräumungen von Angehörigen der indigenen Sengwer im Embobut-Wald in den Cherengany Hills, einer Hügelkette im westlichen Hochland von Kenia durch. Die Forstbehörde ist Teil des Ministeriums für Umweltschutz und natürliche Ressourcen. Die Zwangsräumungen werden trotz einer Unterlassungsverfügung des Obersten Gerichtshofs durchgeführt, die die Räumung oder Festnahme der im Wald ansässigen Sengwer untersagt. Die rechtswidrigen Zwangsräumungen verstossen gemäss Völkerrecht, Menschenrechtsstandards der Afrikanischen Union (AU) und kenianischer Verfassung gegen die Menschenrechte der Sengwer, darunter ihre Rechte auf Wohnen und ihr angestammtes Land.

Betroffene Angehörige der Gemeinschaft sowie kenianische und internationale Medien berichten, dass sich um die 100 bewaffnete Bedienstete der Forstbehörde in dem Waldgelände befinden, Schüsse in die Luft abgegeben und mindestens 50 Hütten niedergebrannt haben. Am 9. Januar sollen Forstbehördenangehörige - ohne ihn zu verletzen - Schüsse auf Paul Kiptoga, einen der Gemeindeältesten, abgegeben haben, als dieser auf dem Weg zu einem Treffen mit RegierungsvertreterInnen war. Bislang erhält die Gemeinschaft nur begrenzte Unterstützung durch die Medien, die Zivilgesellschaft und die Justiz. Die Zwangsräumungen ziehen keine internationale Aufmerksamkeit auf sich, da sie in der kenianischen Urlaubszeit durchgeführt werden.

Der Embobut-Wald ist Teil eines Gebiets, für das ein vom EU-Entwicklungsfonds finanziertes Naturschutzprogramm besteht. Die EU ist verpflichtet, solchen Menschenrechtsverletzungen durch die Wahrnehmung ihrer Sorgfaltspflicht entgegenzuwirken, indem sie die Einhaltung der Menschenrechte durch wirksame Verfahren sicherstellt.

Am 10. Januar sorgten SprecherInnen der Sengwer zusammen mit Amnesty International dafür, dass sich die kenianische Regierung öffentlich verpflichtete, eine unabhängige Untersuchung der rechtswidrigen Zwangsräumungen vorzunehmen und einen Dialog der Gemeinschaft mit allen AkteurInnen durchzuführen. Allerdings lehnte die Regierung es ab, das Ende der Zwangsräumungen und der Schikane durch die Forstbehörde bekanntzugeben, obwohl sich die Senger-SprecherInnen verpflichtet hatten, den Wald zu schützen. Die Gemeinschaft ist daher weiter in Gefahr.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Embobut ist einer der Verwaltungsbezirke des Wahlkreises Ost-Marakwet im kenianischen Landkreis Elgeyo-Marakwet. Der Wald von Embobut ist die Heimat der Sengwer, einer indigenen Bevölkerungsgruppe, die dort schon seit Jahrhunderten lebt. Die Sengwer sind JägerInnen und SammlerInnen und züchten Bienen. Sie fordern von der kenianischen Regierung die Anerkennung ihrer Landrechte in Embobut und gemeinsam mit ihnen die Ausarbeitung eines Plans zum Schutz des Waldes. Als die Zwangsräumungen im Januar 2014 begannen, beheimatete der Wald noch viele weitere Gemeinschaften, doch ausser den Sengwer haben sie die Gegend inzwischen verlassen.
Im Mai 2017 urteilte der Afrikanische Gerichtshof für Menschenrechte und Rechte der Völker dass die kenianische Regierung die Zwangräumung der indigenen Ogiek aus dem Mau-Wald rechtswidrig durchgeführt habe. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die Regierung die Zwangsräumung zu Unrecht mit dem Schutz der Gegend begründet habe, da die Gespräche nicht gezeigt hatten, dass die Ogiek den Wald abholzten. Viele Fachleute betrachten den Fall Mau als wichtigen Präzendenzfall für die Rechte der Gemeinschaften in den Wäldern Kenias und anderer Länder.
Seit Januar 2014 haben die Sengwer und andere Quellen Amnesty International über mindestens 13 Aktionen berichtet, bei denen sie vertrieben werden sollten. Die Organisation ist zu dem Schluss gekommen, dass diese Zwangsräumungen gegen internationale Menschenrechtsstandards verstossen. Im April 2017 schossen WaldhüterInnen der Forstbehörde auf den Gemeinschaftssprecher und Aktivisten Elias Kimaiyo und schlugen ihn, als er Zwangsräumungen filmte, und nahmen ihm seine Kamera und seinen Laptop weg. Bis heute hat die Polizei weder Massnahmen gegen die verantwortlichen WaldhüterInnen ergriffen noch hat Elias Kimaiyo seine Ausrüstung zurückerhalten. Trotz wiederholter Anfragen wurde Amnesty International bisher nicht die Erlaubnis erteilt, den Wald zu besuchen, um dort lebende Angehörige der Sengwer unabhängig zu befragen. Die rechtswidrigen Zwangsräumungen, Festnahmen und die Zerstörung der Häuser und des Eigentums haben schwerwiegende Folgen für die Gemeinschaft; viele der Sengwer leben dadurch im Elend.
Der Regierung zufolge stimmten die Sengwer zu, den Wald zu verlassen. Ihnen wurde jedoch keine Wahl gelassen. Ein Programm zur finanziellen Entschädigung, das erst nach Beginn der rechtswidrigen Zwangsräumungen begann, versank in der Korruption und kam vielen WaldbewohnerInnen nicht zugute.
Der Europäische Entwicklungsfonds finanziert WaTer, ein Programm zum Schutz von Wasserreservoiren sowie Klimaschutz- und Klimaanpassungsprojekten. Dies ist ein Umweltschutzprogramm, das Ökosysteme im Mount Elgon und den Cherangany Hills erhalten soll. Die Regierung beschuldigt die Sengwer, den Embobut-Wald zu schädigen und führt seit Januar 2014 Zwangsräumungen durch – vermeintlich aus Umweltschutzgründen. Geldgeber wie die EU sind verpflichtet, solchen Menschenrechtsverletzungen durch die Wahrnehmung ihrer Sorgfaltspflicht entgegenzuwirken, indem sie die Einhaltung der Menschenrechte durch wirksame, regelmässige Überprüfung sicherstellen. Die institutionelle Unterstützung der EU mittels der Finanzierung dieses Programms droht Menschenrechtsverletzungen der kenianischen Forstbehörde KFS und damit auch des Ministeriums für Umwelt und natürliche Ressourcen im Embobut-Wald Vorschub zu leisten.
Das Versagen eines Empfängerlandes, seinen menschenrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen, entbindet internationale Geldgeber bei negativen menschenrechtlichen Auswirkungen von Projekten oder anderen von ihnen subventionierten politischen Massnahmen nicht von ihrer Verantwortung. Geldgeber und Finanzinstitutionen, die Projekte unterstützen, sollten sicherstellen, dass sie ihre Sorgfaltspflicht hinsichtlich der Einhaltung der Menschenrechte umfassend wahrnehmen, um Risiken, die daraus erwachsen könnten, zu identifizieren und vorzubeugen oder sie zu mindern.

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