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Startseite Urgent Actions 2015 12 Five activists sentenced to two years in prison
UA 294/15
Ägypten
Abgeschlossen am 8. Januar 2016

Haftstrafen aufgrund haltloser Anklagen

AI-Index: MDE 12/3119/2015

Vier Aktivisten und eine Aktivistin müssen sich am 30. Dezember vor einem Kairoer Berufungsgericht verantworten. Sie waren Ende November festgenommen und am 13. Dezember auf der Grundlage konstruierter Anklagen zu zwei Jahren Haft verurteilt worden.

Ahmed Mohamed Said, Mostafa Ibrahim Mohamed Ahmed, Karim Khaled Fathy, Mohamed Abdel-Hamid und Gamila Seryel-Dain müssen am 30. Dezember vor dem Berufungsgericht für geringfügige Vergehen im Kairoer Stadtbezirk Abdeen erscheinen. Am 13. Dezember, nicht einmal vier Wochen nach ihrer Festnahme, waren die fünf AktivistInnen vor dem Gericht für geringfügige Vergehen in Abdeen zu zwei Jahren Haft verurteilt worden. Gegen dieses Urteil haben sie nun Rechtsmittel eingelegt. Einige der Vorwürfe gegen sie basieren lediglich auf der friedlichen Wahrnehmung ihrer Menschenrechte, wie z. B. unerlaubte Versammlung; einige andere Anklagen, auf deren Grundlage sie verurteilt wurden, wie z. B. Verkehrsbehinderung, sind haltlos.

Vier der AktivistInnen wurden am 19. November festgenommen, dem vierten Jahrestag der Zusammenstösse in der Mohamed-Mahmoud-Strasse. Vom 19. bis 25. November 2011 kam es in dieser Strasse nahe des Tahrir-Platzes zu Auseinandersetzungen zwischen Protestierenden und Polizeikräften, bei denen 51 Personen getötet wurden. Ahmed Mohamed Said war damals anwesend, um die verwundeten Protestierenden zu behandeln. Am 19. November 2015 versammelten sich auf der Brücke des 6. Oktober in Kairo zahlreiche Demonstrierende, um friedlich der Getöteten zu gedenken. An diesem Tag wurden in ganz Kairo insgesamt 13 AktivistInnen festgenommen, darunter auch Ahmed Mohamed Said, Mostafa Ibrahim Mohamed Ahmed, Karim Khaled Fathy und Mohamed Abdel-Hamid. Gamila Seryel-Dain wurde laut Angaben ihrer Familie am 22. November festgenommen, als sie den Inhaftierten Lebensmittel brachte.

Ahmed Mohamed Said trat am 8. Dezember in den Hungerstreik und nimmt seither nur noch Flüssigkeit zu sich. Seiner Familie zufolge wurde er am Tag seiner Festnahme während des Verhörs im Gefängnis von Abdeen gefoltert. Man soll ihm Handschellen und eine Augenbinde angelegt, ihn geschlagen und ihm Stromschläge versetzt haben. Ausserdem wurden auf seiner Hand Zigaretten ausgedrückt. Mostafa Ibrahim Mohamed Ahmed weist laut Angaben seiner Familie ebenfalls Zigarettenverbrennungen an der Hand auf und befindet sich wie Ahmed Mohamed Said im Hungerstreik. Alle vier Männer werden derzeit im «Gefängnis des 15. Mai» in Kairo festgehalten, während sich Gamila Seryel-Dain nach wie vor im Gefängnis von Abdeen befindet, da es im «Gefängnis des 15. Mai» keinen Frauentrakt gibt. Seit die Männer am 14. Dezember verlegt wurden, hatten sie keinen Zugang zu ihren Familien oder Rechtsbeiständen mehr.

Hintergrundinformationen

Am 19. November 2015 versammelten sich auf der Brücke des 6. Oktober in Kairo etwa 30 Demonstrierende, um friedlich der Menschen zu gedenken, die zwischen dem 19. und 25. November 2011 bei Zusammenstössen mit der Polizei getötet wurden. Zu diesem Zweck reihten sie sich auf dem Bürgersteig auf und hielten Plakate hoch, auf denen u. a. stand: «Gerichtsverfahren gegen Verantwortliche für die Tötung von Revolutionären» und «Lasst unsere inhaftierten Brüder und Schwester frei». Ahmed Mohamed Said nahm an dieser Protestveranstaltung teil. Die Demonstration begann um 14 Uhr und dauerte nur etwa fünf bis sieben Minuten. Sicherheitskräfte, die laut Augenzeugenberichten an diesem Tag eine starke Präsenz in Kairo zeigen, nahmen daraufhin einige Festnahmen vor. Ahmed Mohamed Said ging nach der Protestveranstaltung im zentralen Stadtteil Abdeen mit seinem Freund Mostafa Ibrahim Mohamed Ahmed einen Kaffee trinken. Als die beiden Männer gerade gehen wollten, wurden sie von PolizistInnen angesprochen, die ihre Ausweise sehen wollten. Ahmed Mohamed Said hatte seine Ausweispapiere nicht dabei, und die PolizistInnen nahmen beide Männer zur Vernehmung mit auf die Polizeiwache. Laut Angaben seiner Familie war das Mobiltelefon von Ahmed Mohamed Said ab 16 Uhr abgeschaltet. Familienangehörige und Rechtsbeistände fragten auf mehreren Polizeistationen nach den Männern, auch auf der Polizeiwache von Abdeen; überall erhielten sie zur Antwort, dass sich die Männer nicht dort aufhielten. Erst um 4 Uhr morgens am 20. November erfuhren Verwandte und Rechtsbeistände, dass Ahmed Mohamed Said und Mostafa Ibrahim Mohamed Ahmed sowie auch Karim Khaled Fathy und Mohamed Abdel-Hamid auf der Polizeiwache von Abdeen festgehalten wurden.
Alle fünf AktivistInnen wurden wegen Verstössen gegen das Demonstrationsgesetz von 2013 schuldig gesprochen, welches die Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit willkürlich einschränkt. Diese Rechte sind sowohl in der ägyptischen Verfassung (Artikel 65 und 73) als auch im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte festgeschrieben, dessen Vertragsstaat Ägypten ist. Konkret wird den AktivistInnen vorgeworfen, beim Protestieren die Strasse blockiert und den Verkehr behindert zu haben, und unerlaubt eine Versammlung von mehr als fünf Personen abgehalten zu haben. Das Versammeln von mehr als fünf Personen ist ein Verstoss gegen das Versammlungsgesetz von 1914, welches ebenfalls willkürlich die Menschenrechte einschränkt. Laut Angaben der Verteidigung wurden die fünf Angeklagten in dem Anklagepunkt schuldig gesprochen, der mit der höchsten Strafe geahndet wird.
Ihren Rechtsbeiständen zufolge liegen gegen die Männer keine konkreten Sachbeweise vor. In der Fallakte befinde sich lediglich der Untersuchungsbericht eines einzigen Beamten. In dem Bericht heisst es, dass die Angeklagten an der Kreuzung der Strassen «Mohamed Mahmoud» und «Mohamed Farid» in Kairo an einer Protestveranstaltung von mehr als 40 Personen teilgenommen haben, welche den Verkehr behindert und eine Bedrohung für die Sicherheit der Bevölkerung dargestellt habe. Den Rechtsbeiständen der AktivistInnen zufolge geht allerdings aus einem Bericht des Verkehrsministeriums hervor, dass es an diesem Tag weder Beschwerden über eine Demonstration noch über Verkehrsbehinderungen in der Nähe dieser Kreuzung gab. Die fünf AktivistInnen wurden bis zu ihrem Gerichtsverfahren am 13. Dezember im Gefängnis von Abdeen in Untersuchungshaft gehalten.
Neun weitere Personen wurden ebenfalls am selben Tag in der Nähe der Brücke festgenommen: Sahar Mandour Amer, Mohamed Ibrahim Ahmed Ibrahim, Mohamed Ali Noaman Elsayed, Ahmed Elsayed Hassan, Sayed Mohamed Ahmed, Mohamed Ibrahim Abouel-Yazid, Mahmoud Islam Elsayed, Ahmed Essam Mohamed und Mohamed Desouky Ramadan. Man brachte sie auf die Polizeiwache von Qasr el-Nil, wo sie nach wie vor festgehalten werden. Ihr Fall wird separat vor dem Gericht für geringfügige Vergehen in Qasr el-Nil verhandelt. Die erste Anhörung war für den 15. Dezember angesetzt gewesen, wurde nun jedoch auf den 5. Januar 2016 vertagt.
Laut Angaben der Familie von Ahmed Mohamed Said weigerte sich der Staatsanwalt, die von ihm am 20. November erhobenen Foltervorwürfe aufzunehmen. Am 22. November ordnete ein Richter die Freilassung gegen Kaution der 13 inhaftierten AktivistInnen an. Die Staatsanwaltschaft legte gegen diese Entscheidung Rechtsmittel ein, woraufhin alle 13 wieder in Untersuchungshaft genommen wurden. Gamila Seryel-Dain war ursprünglich auf Geheiss der Staatsanwaltschaft von Qasr el-Nil festgenommen worden. Vier Tage nach ihrer Festnahme wurde sie gegen Zahlung einer Kaution von 3.000 EGP (etwa 350 Euro) wieder auf freien Fuss gesetzt. Daraufhin ordnete die Staatsanwaltschaft von Abdeen auf der Grundlage konstruierter Anklagen ihre erneute Festnahme an. Gamila Seryel-Dain steht nun in beiden Fällen vor Gericht.

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