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Vietnam
Abgeschlossen am 28. Januar 2016

Menschenrechtsanwalt festgenommen; riskiert Folter

AI-Index: ASA 41/3098/2015

Der vietnamesische Menschenrechtsanwalt Nguyễn Văn Đài wurde am 16. Dezember wegen «Verbreitung von Propaganda gegen den Staat» festgenommen. Er befindet sich derzeit in Untersuchungshaft und läuft Gefahr, gefoltert und anderweitig misshandelt zu werden.

Nguyễn Văn Đài wurde am Morgen des 16. Dezember festgenommen. Er befand sich gerade auf dem Weg zu einem Treffen mit VertreterInnen der Europäischen Union (EU), die sich anlässlich des am 15. Dezember stattfindenden Menschenrechtsdialogs zwischen der EU und Vietnam in Hanoi aufhielten. Sicherheitskräfte durchsuchten die Wohnung von Nguyễn Văn Đài und beschlagnahmten persönliche Gegenstände wie z. B. Computer, Telefone und Unterlagen. Er befindet sich nun für vier Monate im B-14-Gefängnis in Hanoi in Untersuchungshaft. Ihm wird vorgeworfen, unter Verstoss gegen Paragraf 88 des Strafgesetzbuchs «Propaganda gegen den Staat» verbreitet zu haben. Die viermonatige Untersuchungshaft kann weiter verlängert werden. Sollte Nguyễn Văn Đài unter Paragraf 88 angeklagt und verurteilt werden, drohen ihm zwischen 3 und 20 Jahre Haft.

Nguyễn Văn Đài ist ein sowohl in Vietnam als auch international bekannter Menschenrechtsanwalt, der in der Vergangenheit bereits als gewaltloser politischer Gefangener festgehalten wurde. Er gründete 2006 die regierungskritische «Menschenrechtskommission in Vietnam» – mittlerweile umbenannt in «vietnamesisches Menschenrechtszentrum» – und war einer der Erstunterzeichner der Online-Petition «Freiheit und Demokratie für Vietnam», die von mehreren tausend Personen unterschrieben wurde. Im März 2007 hielt Nguyễn Văn Đài einige Workshops und Seminare für Studierende zum Thema Menschenrechte ab. Daraufhin wurde er festgenommen, gemäss Paragraf 88 angeklagt und zu vier Jahren Haft verurteilt. Nach seiner Freilassung im März 2011 nahm er seine Menschenrechtsarbeit wieder auf. Im April 2013 gründete er das Online-Diskussionsforum «Bruderschaft für Demokratie» (Brotherhood for Democracy).

Nguyễn Văn Đài läuft Gefahr, in Haft gefoltert und anderweitig misshandelt zu werden. MenschenrechtsverteidigerInnen, gegen die in Vietnam strafrechtliche Vorwürfe erhoben worden sind, werden während der Untersuchungshaft bzw. in der Ermittlungsphase häufig unmenschlich behandelt.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Am 6. Dezember hielt Nguyễn Văn Đài mit drei KollegInnen einen kleinen Workshop zum Thema Menschenrechte ab. Daraufhin wurden alle vier von 20 Männern in Zivilkleidung brutal angegriffen. Zehn Tage später wurde Nguyễn Văn Đài festgenommen. Der Angriff ist der jüngste in einer Reihe von tätlichen Übergriffen auf MenschenrechtsverteidigerInnen, die in den letzten 18 Monaten in Vietnam verübt wurden. Die Vereinten Nationen haben sich angesichts dieser und anderer Ereignisse besorgt gezeigt.
Vietnam ist Vertragsstaat des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte, welcher die Rechte auf freie Meinungsäusserung, friedliche Versammlung und Vereinigungsfreiheit garantiert. Allerdings werden diese Rechte in Vietnam gesetzlich und in der Praxis stark eingeschränkt. Der Abschnitt über die nationale Sicherheit im vietnamesischen Strafgesetzbuch von 1999 enthält vage formulierte Bestimmungen, die regelmässig herangezogen werden, um friedlich geäusserte abweichende Meinungen oder regierungskritische Aktivitäten zu kriminalisieren. Personen, die sich für einen friedlichen politischen Wandel einsetzen, die Regierung kritisieren oder die Achtung der Menschenrechte fordern, sind besonders gefährdet. Paragraf 88 (Verbreitung von Propaganda gegen die Sozialistische Republik Vietnam) ist einer von mehreren strafgesetzlichen Bestimmungen, die regelmässig eingesetzt werden, um Andersdenkende wegen ihrer friedlichen Aktivitäten festzunehmen, anzuklagen und zu inhaftieren. Betroffen sind unter anderem BloggerInnen, Arbeits- und LandrechtsaktivistInnen, politisch engagierte Personen, Mitglieder religiöser Gruppen, MenschenrechtlerInnen sowie Personen, die sich für soziale Gerechtigkeit einsetzen, und sogar MusikerInnen.
In Vietnam herrschen in der Regel harte Haftbedingungen. Die Versorgung mit Nahrungsmitteln und Medikamenten ist unzureichend und entspricht weder den UN-Mindestgrundsätzen für die Behandlung von Gefangenen noch anderen internationalen Standards. MenschenrechtsverteidigerInnen, gegen die in Vietnam strafrechtliche Vorwürfe erhoben worden sind, werden während der Untersuchungshaft bzw. in der Ermittlungsphase häufig unmenschlich behandelt. Oft sind sie monate- oder jahrelang körperlicher Gewalt, Einschüchterung, Demütigungen und Isolation ausgesetzt, was Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe gleichkommen kann. Auf diese Weise sollen die Betroffenen dazu gebracht werden, Straftaten zuzugeben und die gegen sie erhobenen Vorwürfe zu «gestehen».
Auch nach der Gerichtsverhandlung und Verurteilung werden Gefangene unter harten Bedingungen festgehalten. Gewaltlose politische Gefangene werden oftmals über lange Zeit hinweg als Strafe in Einzelhaft oder Isolationshaft gehalten. Es wird ausserdem über Folter und andere Misshandlung berichtet, so z. B. Schläge durch andere Häftlinge, ohne dass die GefängniswärterInnen eingreifen. In manchen Fällen werden gewaltlose politische Gefangene regelmässig von einer Hafteinrichtung in die nächste verlegt, ohne dass ihre Familien darüber informiert werden. Einige gewaltlose politische Gefangene sind in der Vergangenheit bereits in den Hungerstreik getreten, um gegen die missbräuchliche Behandlung und schlechten Haftbedingungen zu protestieren.
Weitere Informationen zur Menschenrechtslage in Vietnam finden Sie in den englischsprachigen Amnesty-Berichten: End wave of brutal attacks against human rights defenders (https://www.amnesty.org/en/latest/news/2015/12/viet-nam-end-wave-of-brutal-attacks-against-human-rights-defenders/ ) und Arrest of human rights lawyer highlights spurious commitment to human rights (https://www.amnesty.org/en/latest/news/2015/12/viet-nam-arrest-of-human-rights-lawyer-highlights-spurious-commitment-to-human-rights/).

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