Aktivist aus Spital in Gefängnis gebracht
Die thailändischen Behörden haben den studentischen Aktivisten Thanet Anantawong am 13. Dezember aus dem Krankenhaus, wo er behandelt worden war, geholt und in ein Militärgefängnis gebracht. Dort wird er derzeit ohne Zugang zu angemessener medizinische Versorgung, seiner Familie oder Rechtsbeiständen festgehalten. Er ist im Zusammenhang mit einem von ihm veröffentlichten Facebook-Beitrag angeklagt. Bei einem Schuldspruch drohen ihm bis zu 27 Jahre Haft.
Sicherheitskräfte in Zivil nahmen den 25-jährigen Thanet Anantawong am 13. Dezember gegen 12:10 Uhr auf einer Krankenstation des Sirindhorn-Krankenhauses in Bangkok fest. Er war zuvor aufgrund von mehreren gesundheitlichen Problemen, unter anderem wegen einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung, zur Behandlung in das Krankenhaus eingeliefert worden. Er befindet sich nun in der kürzlich eröffneten Hafteinrichtung Nakhorn Chaisri auf einem Militärstützpunkt in Bangkok. Dort hat er weder Zugang zu einer angemessenen medizinischen Versorgung noch zu seinen Rechtsbeiständen oder Familienangehörigen. Die Behörden haben seine Familie informiert, dass sein Zustand sich verschlechtert habe und baten sie darum, ihm Medikamente zu bringen. Der Zugang zu Thanet Anantawong wurde ihnen jedoch verwehrt. Nach zwei Todesfällen in dieser Hafteinrichtung im Oktober und im November besteht grosse Sorge über die dortige Behandlung von Inhaftierten.
Thanet Anantawong ist wegen Hochverrats und Beleidigung der Monarchie angeklagt und könnte bei einem Schuldspruch zu bis zu 27 Jahren Haft verurteilt werden. Die Anklagen stehen im Zusammenhang mit einer Infografik, die er auf Facebook geteilt hatte und die Angehörigen der Regierung Korruption in Verbindung mit dem Bau eines Parks zu Ehren der Monarchie vorwirft. Thanet Anantawong war bereits am 7. Dezember für einige Stunden inhaftiert worden, nachdem Angehörige der Behörden 37 AktivistInnen aus einem Zug geholt hatten. Die AktivistInnen waren auf dem Weg zu dem betreffenden Park, dem Rajabhakti-Park, um auf die Vorwürfe der Korruption aufmerksam zu machen. Dass Thanet Anantawong aus dem Krankenhaus geholt wurde und die anschliessende Verweigerung oder Verzögerung seiner medizinischen Versorgung kann eine grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung darstellen.
Die thailändischen Behörden verfolgen und inhaftieren nach wie vor Menschen, die öffentlich, auch im Internet, Kritik an der Regierung oder der Monarchie ausüben. Die Angeklagten werden ausserdem zunehmend ohne Kontakt zur Aussenwelt in Militäreinrichtungen festgehalten. Dort sind sie in Gefahr, Folter oder anderen Formen grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung ausgesetzt zu werden.
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
Personen, die ohne Kontakt zur Aussenwelt an inoffiziellen Orten oder in Militärhafteinrichtungen festgehalten werden, sind in Gefahr, gefoltert zu werden. Amnesty International hat in diesem Zusammenhang Berichte über die Anwendung von Folter und anderer Formen der Misshandlung erhalten, unter anderem auch nach dem Militärputsch von 2014. Es besteht zudem Sorge darüber, dass die Inhaftierten keinen Zugang zu einer angemessenen medizinischen Versorgung erhalten.
Die thailändischen Behörden nutzen zunehmend den Paragrafen 112 des Strafgesetzbuchs, der Majestätsbeleidigung behandelt (Lèse-Majesté) und Sicherheitsgesetze, wie den Paragrafen 116 des Strafgesetzbuchs, in dem es um «Aufruhr» geht, um Personen anzuklagen oder strafrechtlich zu verfolgen. So wollen sie friedliche Kritik an der Regierung und bestimmte Aktivitäten unterdrücken. Zu den Aktivitäten gehören das Verbreiten von Korruptionsvorwürfen auf Facebook, das Klicken des «Gefällt mir»-Buttons bei satirischen Bildern zur Monarchie auf Facebook und Proteste, bei denen friedliche Opposition gegen die Militärherrschaft ausgedrückt wird.
Die Behörden, die bereits zahlreiche Menschen wegen ihrer friedlichen Facebook-Kommentare zur Monarchie strafrechtlich verfolgt haben, wollen ihr Vorgehen in Zukunft sogar verschärfen. Vor der Inhaftierung von Thanet Anantawong war der 27-jährige Fabrikarbeiter Thanakorn Siripaiboon am 8. Dezember inhaftiert worden und war zeitweise in Haft verschwunden. Thanakorn Siripaiboon drohen bis zu 32 Jahre Haft, weil er dieselbe Infografik wie Thanet Anantawong auf Facebook geteilt hatte und bei einem Bild des Hundes des Königs und einem satirischen Bild des Königs selbst auf «Gefällt mir» geklickt hatte.
Während das Militär seine Beteiligung an der Justizverwaltung erweitert, sorgen die Behörden in Thailand nicht dafür, dass internationale Standards bezüglich der Haftbedingungen eingehalten werden. Das Militär macht Gebrauch von seinen umfangreichen Befugnissen, um Verdächtige aus der Zivilbevölkerung festzunehmen und willkürlich zu inhaftieren. Die Gefangenen werden oft ohne Anklage festgehalten und haben keinen Zugang zu Rechtsbeiständen oder Familienangehörigen. Zudem werden sie in inoffiziellen Militärhafteinrichtungen oder in der kürzlich errichteten Hafteinrichtung Nakhorn Chaisri auf dem Militärstützpunkt in Bangkok festgehalten. Neben den grundsätzlichen Bedenken hinsichtlich der Inhaftierung von Zivilpersonen in Militäreinrichtungen besteht zudem grosse Sorge um die Sicherheit der Inhaftierten in der Hafteinrichtungen des Militärstützpunktes, da dort Ende Oktober und Anfang November zwei Personen gestorben sind, die unter Anwendung des Lèse-Majesté-Gesetzes inhaftiert worden waren.
Personen, die sich in Haft befinden, haben das Recht auf das Höchstmass an medizinischer Versorgung. Es gilt als Verstoss gegen das Recht auf Gesundheit und kommt einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung gleich, wenn eine angemessene medizinische Versorgung verwehrt oder versäumt wird.
Amnesty International ist zudem besorgt darüber, dass die Behörden gegen das Recht auf ein faires Verfahren verstossen, wenn Zivilpersonen wegen Angriffen gegen die nationale Sicherheit oder die Sicherheit der Monarchie und wegen des Verstosses gegen Anordnungen des Nationalen Rats für Frieden und Ordnung (National Council for Peace and Order) vor ein Militärgericht gestellt werden. Das Militärgericht in Bangkok hat summarisch juristische Anträge abgewiesen, in denen die Zuständigkeit von Militärgerichten bei Fällen gegen Zivilpersonen infrage gestellt wurde. Ausserdem wurde in den Anträgen ein Beschluss gefordert, in dem festgehalten wird, dass der Einsatz von Militärgerichten nicht mit Thailands Menschenrechtsverpflichtung zu vereinbaren ist. Die Behörden verweigern Personen, die unter Anwendung des Lèse-Majesté-Gesetzes inhaftiert wurden, zudem systematisch eine Freilassung auf Kaution.
Weitere Informationen finden Sie in UA-065/2015, online unter: https://www.amnesty.de/urgent-action/ua-065-2015/gefangene-foltergefahr sowie in den englischsprachigen Berichten Thailand, Attitude Adjustment, online unter: https://www.amnesty.org/en/documents/ASA39/011/2014/en/ und Thailand, Torture in the Southern Counter-insurgency, online unter: https://www.amnesty.org/en/documents/ASA39/001/2009/en/.