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UA 286/15
Iran
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Jugendlicher erneut zum Tode verurteilt

AI-Index: MDE 13/3064/2015

Sajad Sanjari, ein jugendlicher Straftäter aus dem Iran, wurde am 21. November 2015 in einem Wiederaufnahmeverfahren erneut zum Tode verurteilt. Er war des Mordes für schuldig befunden worden, weil er im Alter von 15 Jahren einem Mann tödliche Stichverletzungen zugefügt hatte.

Sajad Sanjari, der im Januar 2012 zum Tode verurteilt worden war, weil er im Alter von 15 Jahren einem Mann tödliche Stichverletzungen zugefügt hatte, wurde am 21. November 2015 in einem Wiederaufnahmeverfahren erneut zum Tode verurteilt. Er hat beim Obersten Gerichtshof ein Rechtsmittel gegen das Urteil eingelegt.

Sajad Sanjari war im Juni 2015 ein Wiederaufnahmeverfahren gewährt worden, nachdem ins islamische Strafgesetzbuch von 2013 neue Leitlinien für strafrechtliche Sanktionen bei Minderjährigen aufgenommen worden waren. Diesen zufolge kann das Gericht die Todesstrafe nach eigenem Ermessen in eine andere Strafe umwandeln, falls es zu der Ansicht gelangt, dass jugendliche StraftäterInnen die Art ihrer Straftat oder deren Folgen nicht begreifen oder Zweifel an ihrer „geistigen Reife und ihrem Entwicklungsstand“ zum Zeitpunkt der Tat bestehen.

Die dritte Abteilung des Provinzgerichts von Kermanshah verurteilte Sajad Sanjari am 21. November 2015 ohne ausführliche Begründung erneut zum Tode. In dem Urteil, das von Amnesty International geprüft wurde, heisst es lediglich, dass Sajad Sanjari die Todesstrafe verdiene, weil er «sich der Art seines Verbrechens bewusst war und es keinerlei Zweifel oder Ungewissheit hinsichtlich seiner geistigen Reife und seinem Entwicklungsstand zum Zeitpunkt des Begehens der Straftat besteht». Nach Informationen von Amnesty International hat sich das Gericht bei der Verhandlung vor allem mit der Frage befasst, ob Sajad Sanjari zum Zeitpunkt des Verbrechens in der Lage war, zwischen Recht und Unrecht zu unterscheiden. Sein Rechtsbeistand wies darauf hin, dass Sajad Sanjari keinen Zugang zu einer angemessenen Schulbildung hatte, da er als Sohn mittelloser, analphabetischer Eltern als Schafhirte arbeitete.

Hintergrundinformationen

Sajad Sanjari wurde am 2. August 2010 festgenommen, nachdem ein Mann tödliche Stichverletzungen erlitten hatte. Die erste Abteilung des Provinzgerichts von Kermanshah verurteilte ihn im Januar 2012 wegen Mordes zum Tode. Bei seinem Prozess gab Sajad Sanjari zu, dass er den Mann erstochen hatte, führte jedoch an, dies sei aus Notwehr geschehen, da der Mann versucht habe, ihn zu vergewaltigen. Er sagte, der Mann habe ihn am Vortag gedroht, er würde ihn vergewaltigen, also habe er ein Küchenmesser mitgenommen, um ihn damit zu vertreiben. Das Gericht wies die Behauptungen von Sajad Sanjari zurück, nachdem mehrere ZeugInnen den guten Charakter des Getöteten bezeugt hatten. Das Gericht fügte hinzu, dass Sajad Sanjari sich auch dann, wenn es tatsächlich zur Androhung der Vergewaltigung und zu dem Angriff gekommen sei, nicht auf Notwehr berufen könne, da der Angriff mindestens einen Tag zuvor angekündigt worden sei. Ihm sei also genügend Zeit geblieben, sich diesbezüglich an die Behörden zu wenden oder Hilfe bei vor Ort lebenden Personen zu suchen, um den Konflikt beizulegen und den Angriff zu verhindern. Die 27. Kammer des Obersten Gerichtshofs hob das Todesurteil im Januar 2013 wegen fehlerhafter Ermittlungen auf und gab den Fall zur weiteren Untersuchung an die gleiche Kammer zurück. Das Gericht verurteilte Sajad Sanjari daraufhin im Juli 2013 erneut zum Tode. Das Urteil wurde im Februar 2014 von der 27. Kammer des Obersten Gerichtshofs bestätigt. Die Hinrichtung von StraftäterInnen, die zum Tatzeitpunkt jünger als 18 Jahre alt waren, ist nach internationalen Menschenrechtsnormen und -standards verboten. Als Vertragsstaat des UN-Übereinkommens über die Rechte des Kindes (Kinderrechtskonvention) muss der Iran dafür sorgen, dass die Definition eines Kindes als Person unter 18 Jahren in der gesamten Gesetzgebung verankert ist. Laut der Kinderrechtskonvention liegt das Standardalter zur Erreichung der Strafmündigkeit als Erwachsener bei Jungen wie Mädchen bei 18 Jahren. Es besteht ein Unterschied zum Mindestalter für Strafmündigkeit, dem Alter, unter dem Kinder nicht festgenommen und einer Straftat angeklagt werden dürfen. Das Mindestalter für die Strafmündigkeit ist von Land zu Land unterschiedlich. Laut UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes ist ein Strafmündigkeitsalter unter zwölf Jahren jedoch nicht akzeptabel. Im Iran liegt das Alter für die Strafmündigkeit als Erwachsener bei Mädchen bei neun Mondjahren und bei Jungen bei 15 Mondjahren. Von diesem Alter an werden Kinder bei hudud-Vergehen (Vergehen gegen den Willen Gottes, die nach dem islamischen Recht der Scharia bestimmten Strafen unterliegen) und qesas-Taten (Vergeltung in Verbindung mit einer Straftat) im Allgemeinen genau wie Erwachsene behandelt und bestraft. Seit der Einführung des überarbeiteten islamischen Strafgesetzbuchs von 2013 ist es jedoch dem Ermessen des Gerichts überlassen, bei minderjährigen StraftäterInnen auf die Todesstrafe zu verzichten, falls es zu der Ansicht gelangt, dass diese die Art ihrer Straftat oder deren Folgen nicht begreifen oder Zweifel an ihrer „geistigen Reife und ihrem Entwicklungsstand“ zum Zeitpunkt der Tat bestehen. Zwischen Mai 2013 und Januar 2015 haben einige Kammern des Obersten Gerichtshofs des Iran Anträge jugendlicher DelinquentInnen auf Wiederaufnahme ihres Verfahrens auf der Grundlage des überarbeiteten Strafgesetzbuchs genehmigt und die Fälle zur Wiederaufnahme an die unterschiedlichen Gerichte erster Instanz zurückverwiesen. Andere Kammern des Obersten Gerichtshofs lehnten es jedoch ab, das überarbeitete Strafgesetzbuch als ausreichenden Grund für eine Genehmigung der Anträge auf Wiederaufnahme zu akzeptieren. Diese Diskrepanzen in der Rechtsprechung veranlassten einige AnwältInnen 2014 dazu, beim Obersten Gerichtshof ein „Präzedenzurteil“ zu beantragen. Am 2. Dezember 2014 kam der Oberste Gerichtshof zu der Entscheidung, dass alle Personen, die sich gegenwärtig wegen Straftaten im Todestrakt befinden, die sie im Alter von unter 18 begangen haben sollen, das Recht auf Wiederaufnahme ihres Verfahrens haben. Bei diesen Wiederaufnahmeverfahren handelt es sich jedoch nicht um vollständige Verfahren, da sie sich darauf beschränken, die „geistige Reife“ der StraftäterInnen zum Zeitpunkt der Straftat zu untersuchen. Amnesty International hat die Hinrichtung von mindestens drei minderjährigen StraftäterInnen im Jahr 2015 bestätigt. Dabei handelt es sich um Javad Saberi, der am 15. April 2015 hingerichtet wurde, Samad Zahabi, der am 5. Oktober 2015 gehängt wurde, sowie um Fatemeh Salbehi, die am 13. Oktober 2015 exekutiert wurde. Wie Menschenrechtsgruppen berichten, wurde mit dem afghanischen Staatsangehörigen Vazir Amroddin im Juni/Juli 2015 ein weiterer minderjähriger Straftäter gehängt.

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