Medizinische Behandlung verweigert
Die gewaltlose politische Gefangene Tran Thi Thuy, die derzeit in Vietnam eine achtjährige Haftstrafe verbüsst, wird unter Umständen festgehalten, die Folter gleichkommen könnten, da ihr die medizinische Behandlung eines Tumors an ihrer Gebärmutter verweigert wird. Obwohl der Tumor von einem Gefängnisarzt diagnostiziert wurde und sie unter starken Schmerzen leidet, wurde ihr gesagt, dass sie nur dann behandelt werden würde, wenn sie die Straftaten «gestehe», für die sie verurteilt wurde.
Tran Thi Thuy wurde ungefähr im April 2015 erstmalig krank. Damals befand sie sich in einer Hafteinrichtung in der Stadt Long Khanh in der Provinz Dong Nai. Ein Gefängnisarzt diagnostizierte einen Tumor an der Gebärmutter, eine Behandlung erhielt sie jedoch nicht. Ein Gefängnisbeamter sagte ihr, sie solle ihre Straftaten gestehen oder «im Gefängnis sterben». Sie kann nur mithilfe einer Krücke oder mit Unterstützung gehen. Von ihrer Familie erhält sie traditionelle Arzneimittel. Ausserdem leidet sie unter hohem Blutdruck und nimmt entsprechende Medikamente ein. Tran Thi Thuy hat starke Schmerzen und teilte ihrer Familie in den vergangenen Monaten mehrfach mit, dass sie sich dem Tode nahe fühle. Die Verweigerung einer medizinischen Behandlung unter diesen Umständen könnte Folter gleichkommen und somit einen Verstoss gegen das Übereinkommen gegen Folter darstellen, das nach der Ratifizierung im letzten Jahr im Februar 2015 in Vietnam in Kraft getreten ist.
Tran Thi Thuy ist Kauffrau, Angehörige der buddhistischen Hoa Hao und setzt sich für Landrechte ein. Sie wurde im August 2010 festgenommen und am 30. Mai 2011 mit sechs weiteren LandrechtsaktivistInnen vor das Volksgericht der Provinz Ben Tre gestellt. Man verurteilte sie gemäss Artikel 79 des Strafgesetzes wegen «Aktivitäten, die den Sturz der Regierung zum Ziel haben» zu acht Jahren Gefängnis und anschliessenden fünf Jahren Hausarrest. Dem Urteil zufolge wurden alle AktivistInnen beschuldigt, der Gruppe Viet Tan nahezustehen bzw. beigetreten zu sein. Dabei handelt es sich um eine im Ausland ansässige Bewegung, die sich friedlich für Demokratie in Vietnam einsetzt. Der UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierungen zufolge wurden die sieben AktivistInnen, zu denen auch Tran Thi Thuy gehört, willkürlich festgenommen und müssen freigelassen und entschädigt werden.
Tran Thi Thuy befindet sich derzeit in der Haftanstalt An Phuoc in der Provinz Binh Duong. Ihre Familie lebt etwa 900 km entfernt und benötigt für die Anreise drei Tage.
Hintergrundinformationen
Vietnam ist Vertragsstaat des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte, mit dem die Rechte auf Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit geschützt werden. Dennoch werden diese Rechte in Vietnam sowohl per Gesetz als auch in der Praxis eingeschränkt. Vage formulierte Paragrafen in dem Teil des vietnamesischen Strafgesetzbuchs von 1999, der sich mit Straftaten gegen die nationale Sicherheit befasst, werden häufig genutzt, um das friedliche Äussern abweichender Meinungen oder friedliche Aktivitäten unter Strafe zu stellen. Besonders betroffen davon sind Menschen, die friedlich politische Veränderungen fordern, das Vorgehen der Regierung kritisieren oder sich für Menschenrechte einsetzen. Paragraf 258 (Missbrauch der demokratischen Freiheiten mit dem Ziel die Interessen des Staates, die legitimen Rechte und Interessen von Organisationen und/oder BürgerInnen zu beeinträchtigen) wird oft genutzt, um DissidentInnen für ihre friedlichen Aktivitäten festzunehmen, vor Gericht zu stellen und zu inhaftieren. Zum Ziel der Behörden werden dabei häufig BloggerInnen, AktivistInnen, die sich für Arbeits- oder Landrechte einsetzen, politische AktivistInnen, GlaubensanhängerInnen, MenschenrechtsverteidigerInnen, AktivistInnen, die sich für soziale Themen einsetzen und sogar SongwriterInnen.
Die Haftbedingungen in vietnamesischen Gefängnissen sind häufig sehr schlecht. Nahrung und Gesundheitsversorgung entsprechen oftmals weder den Richtlinien der UN-Mindestgrundsätze für die Behandlung von Gefangenen noch anderen internationalen Standards. Gewaltlose politische Gefangene werden immer wieder über lange Zeiträume in Einzelhaft gehalten, um sie so zu bestrafen. Sie werden zudem Opfer von Misshandlungen. Unter anderem werden sie von anderen Gefangenen verprügelt, ohne dass die GefängniswärterInnen eingreifen. Einige werden regelmässig in andere Haftanstalten verlegt, ohne dass man ihre Angehörigen darüber informiert. Immer wieder treten gewaltlose politische Gefangene aus Protest gegen die Misshandlungen und schlechten Haftbedingungen in den Hungerstreik.