Friedlich Demonstrierende in Gefahr
Im November 2015 gab es in Kuba mehr als 1.400 politisch motivierte Inhaftierungen. Dies sind weitaus mehr als in den letzten Jahren. Viele der Gefangenen wurden zwischen einer Stunde und 30 Stunden lang festgehalten. Einige berichteten über exzessive Gewaltanwendung seitens der Polizei während ihrer Inhaftierung. Anlässlich des 10. Dezember, dem Internationalen Tag der Menschenrechte, planen Gruppen von politischen DissidentInnen und MenschenrechtsaktivistInnen in Kuba friedliche Proteste. Sie sind in Gefahr, willkürlich festgenommen, inhaftiert und misshandelt zu werden.
Im November 2015 gab es in Kuba mindestens 1.477 politisch motivierte Inhaftierungen. Der Kubanischen Kommission für Menschenrechte und Nationale Versöhnung (Comisión Cubana de Derechos Humanos y Reconciliación Nacional – CCDHRN) zufolge ist dies die höchste Zahl seit vielen Jahren. Zahlreiche kubanische MenschenrechtsaktivistInnen teilten Amnesty International mit, dass es 2015 nicht nur viele Inhaftierungen, sondern zudem eine ansteigende Anzahl von Fällen von Gewaltanwendungen der Behörden gegen politische DissidentInnen und AktivistInnen gegeben habe, die ihre Rechte auf Meinungs-, Versammlungs-, und Vereinigungsfreiheit wahrgenommen haben.
Anlässlich des Internationalen Tags der Menschenrechte am 10. Dezember planen zahlreiche Gruppen zu demonstrieren. Die CCDHRN berichtete, dass an diesem Tag im Jahr 2014 Hunderte friedlich Demonstrierende willkürlich festgenommen wurden. Die Menschenrechtsorganisation Damas de Blanco («Damen in Weiss») hat verschiedene AktivistInnen dazu aufgerufen, sich am 10. Dezember 2015 um 13 Uhr an der Ecke Avenue 23 und L Street in Havanna, der Hauptstadt Kubas, zu versammeln. Berta Solar, Sprecherin der Organisation Damas de Blanco, teilte Amnesty International mit, dass einige Mitglieder der Organisation am Morgen des 9. Dezember im Vorfeld der Protestaktion inhaftiert worden seien. Zudem wurde Amnesty International von Antonio Rodiles, dem Koordinator der zivilgesellschaftlichen Initiative Estado de SATS, berichtet, dass der Musiker Gorki Águila abgefangen wurde, als er nach einem Besuch bei ihm nach Hause zurückgekehrt war.
Mitglieder der Organisation Damas de Blanco und all diejenigen, die an ihren regelmässigen Sonntagsmärschen für die Freilassung von politischen Gefangenen teilnehmen, sind massiven Unterdrückungen ausgesetzt. Diese Märsche finden seit über 30 Wochen statt. AktivistInnen werden häufig in verlassene Gebiete gebracht, von wo aus sie zu Fuss zurück nach Hause gehen müssen, und / oder sie werden eine Stunde bis 30 Stunden lang inhaftiert, um so ihre friedliche Vereinigung zu verhindern. Zudem soll es in ganz Kuba in den letzten Monaten Masseninhaftierungen von Mitgliedern der pro-demokratischen Unión Patriótica de Cuba (UNPACU) gegeben haben. Hunderte MenschenrechtsaktivistInnen, darunter Mitglieder der Damas de Blanco, der UNPACU und der Estado de SATS, die in Kuba am Tag der Menschenrechte friedlich protestieren wollen, sind in Gefahr, willkürlichen Inhaftierungen und exzessiver Gewaltanwendung ausgesetzt zu werden.
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
Amnesty International dokumentiert seit über 50 Jahren massive Einschränkungen der Rechte auf Meinungs-, Versammlungs-, und Vereinigungsfreiheit in Kuba.
Mitte der 1990er-Jahre verzeichnete Amnesty International einen Rückgang der langwierigen politisch motivierten Inhaftierungen und einen Anstieg kurzzeitiger willkürlicher Festnahmen und Drangsalierungen von AktivistInnen, politischen DissidentInnen, MenschenrechtsaktivistInnen und unabhängigen JournalistInnen.
Laut der Kubanischen Kommission für Menschenrechte und Nationale Versöhnung (Comisión Cubana de Derechos Humanos y Reconciliación Nacional – CCDHRN) ist die Zahl der politisch motivierten Inhaftierungen in den letzten Jahren schrittweise wieder gestiegen.
Die Anzahl willkürlicher Festnahmen und Inhaftierungen ist während Staatsbesuchen oder Gipfeltreffen typischerweise besonders hoch. Im September 2015, während des Besuchs von Papst Franziskus in Kuba, verzeichnete die CCDHRN 882 solcher Festnahmen. Im Vergleich dazu fanden im Jahr 2014 durchschnittlich 700 willkürliche Inhaftierungen im Monat statt. Viele der Gefangenen werden eine Stunde bis hin zu 30 Stunden lang festgehalten. Einige AktivistInnen berichten von exzessiver Gewaltanwendung seitens der Polizei.
Gegen kubanische politische AktivistInnen und MenschenrechtsaktivistInnen werden oft gemäss Paragrafen des kubanischen Strafgesetzbuchs Vorwürfe erhoben, um die rechtmässige Ausübung der Rechte auf freie Meinungsäusserung und friedliche Proteste einzuschränken. Anklage wird gegen sie jedoch nur selten erhoben. Zu den häufig genutzten Straftatbeständen gehören «descato», also die Beleidigung von oder Respektlosigkeit gegenüber BeamtInnen, «resistencia», Widerstand gegen BeamtInnen, die ihre Pflichten erfüllen, und «desordenes publicos», der Verstoss gegen das Verbot grosser Treffen oder Darbietungen in der Öffentlichkeit, die darauf abzielen, Panik oder Unruhen auszulösen.
Der Straftatbestand «descato» wird häufig dazu eingesetzt, legitime Kritik an RegierungsbeamtInnen zu verhindern. Laut der Interamerikanischen Menschenrechtskommission stellt dies eine rechtswidrige Einschränkung des Rechts auf freie Meinungsäusserung dar. Der Straftatbestand «resistencia» ist so weit gefasst, dass er auch gewaltfreie Formen des Widerstands umfasst. Er stellt ebenfalls eine rechtswidrige Einschränkung des Rechts auf freie Meinungsäusserung dar. Der UN-Menschenrechtsausschuss verurteilt Verstösse gegen das Recht auf freie Meinungsäusserung durch Regierungen, die Personen festnehmen oder inhaftieren, weil diese eine vermeintliche Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellen, ohne angemessene Beweise für die Notwendigkeit der ergriffenen Massnahmen darlegen zu können.