Flüchtlinge sitzen an der Grenze fest
Die jordanische Regierung verweigert 12.000 syrischen Flüchtlingen, darunter Schwangere, Kinder und ältere Menschen, die Einreise nach Jordanien. Die Flüchtlinge befinden sich nun in einem verlassenen Wüstengebiet an der syrisch-jordanischen Grenze.
Immer mehr Menschen, die vor dem bewaffneten Konflikt in Syrien fliehen, sitzen auf der jordanischen Seite der syrisch-jordanischen Grenze fest. Hunderte Flüchtlinge kommen seit November täglich an der Grenze zu Jordanien an.
Die Zahl der syrischen Flüchtlinge an der nordöstlichen Grenze zu Jordanien ist in den vergangenen Monaten gestiegen. Viele von ihnen benötigen dringend Hilfe. Die jordanischen Behörden haben jedoch den Zugang zu diesem Gebiet für internationale Organisationen eingeschränkt. Im Winter, der in der Regel von November bis Februar dauert, können die Temperaturen in dem Wüstengebiet an der Grenze auf null Grad oder weniger fallen. Die Menschen, die an der Grenze festsitzen, leben in Behelfsunterkünften. Internationale Hilfsorganisationen stellen Essen, Wasser, Decken und medizinische Versorgung bereit, wozu die Flüchtlinge jedoch nur eingeschränkten Zugang haben.
Unter den Flüchtlingen an der Grenze befinden sich auch Schwangere, Kinder, ältere Menschen und Personen, die sich in einem kritischen Gesundheitszustand befinden. Einige müssen bis zu drei Monate warten, bis sie nach Jordanien einreisen können, anderen wird die Einreise komplett verweigert. Manche Flüchtlinge entscheiden sich, nach Syrien zurückzukehren, nachdem sie wochenlang an der Grenze gewartet haben.
Der bewaffnete Konflikt in Syrien hat sich verschärft, und der Libanon und die Türkei haben die Grenzen für die meisten syrischen Flüchtlinge geschlossen. Dies hat vermutlich dazu beigetragen, dass nun immer mehr Menschen versuchen, über die nordöstliche Grenze Jordaniens einzureisen.
Es sollte davon ausgegangen werden, dass alle Asylsuchenden aus Syrien internationalen Schutz benötigen, da es im Syrienkonflikt zu weit verbreiteten Menschenrechtverletzungen, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit kommt. Die Schliessung der Grenzen für schutzbedürftige Menschen stellt ein Verstoss gegen Jordaniens Verpflichtung dar, Personen nicht an einen Ort zurückzuführen, wo ihnen Verfolgung oder schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen drohen. Dies ist als Grundsatz der Nichtzurückweisung (Non-Refoulement) bekannt.
Hintergrundinformationen
In Jordanien befinden sich mehr als 632.000 syrische Flüchtlinge. Das Land ist eines der fünf wichtigsten Aufnahmeländer in der Region, die zusammen bereits über vier Millionen syrische Flüchtlinge aufgenommen haben. Nur 52 % der humanitären Hilfe, die Jordanien im Jahr 2015 benötigt, wurden bisher von der internationalen Gemeinschaft geleistet. Zudem wurden lediglich 160.664 Resettlement-Plätze für die schutzbedürftigsten syrischen Flüchtlinge in der Region geschaffen. Dies entspricht weniger als 2 % der dortigen Gesamtzahl an syrischen Flüchtlingen. Seit 2012 schränkt Jordanien schrittweise die Einreise für SyrerInnen ein. Auch für Menschen, die vor dem Konflikt in Syrien fliehen, sind die Grenzen nicht mehr offen. Der offizielle Grenzübergang zwischen der jordanischen Stadt Ramtha und der syrischen Stadt Dera’a wurde 2012 geschlossen. Zudem wurde bestimmten Personengruppen die Einreise untersagt, darunter PalästinenserInnen, die aus Syrien fliehen, allein reisende Männer, die keine familiären Verbindungen in Jordanien nachweisen können, und Menschen ohne Ausweispapiere. Mitte 2013 wurden auch die westlichen und östlichen Grenzübergänge für SyrerInnen geschlossen. Ausgenommen davon waren Kriegsverletzte und Personen, die gemäss jordanischen Kriterien als besonders schutzbedürftig erachtet werden. Davon werden einige versorgt und anschliessend zurück nach Syrien geschickt, was einen Verstoss gegen Jordaniens Verpflichtungen unter dem Völkergewohnheitsrecht darstellt. Im Mai 2014 begannen die jordanischen Behörden damit, SyrerInnen die Einreise über den internationalen Flughafen zu verwehren, wenn diese keine Aufenthaltserlaubnis besassen oder für sie eine der wenigen Ausnahmeregelungen galt. Im Juli 2014 hat Jordanien damit begonnen, die Einreisemöglichkeiten über die nordöstlichen Grenzübergänge stark einzuschränken, sodass zahlreiche Flüchtlinge an den Grenzübergängen in Hadalat und Rukban festsitzen. Die jordanischen Behörden haben keine offiziellen Gründe für die Schliessung der Grenzen angegeben. Auf der dritten internationalen Geberkonferenz für Syrien im März 2015, die das Ziel hatte, finanzielle Mittel für die humanitäre Hilfe der UN in der Region aufzubringen, teilte Jordaniens Premierminister mit, dass die Kapazitäten des Landes hinsichtlich der Hilfen für syrische Flüchtlinge bereits überschritten worden seien. Amnesty International ist sich der hohen Belastung, unter der Jordanien und andere Länder in der Region stehen, und der dringenden Notwendigkeit bewusst, dass die Verantwortung innerhalb der internationalen Gemeinschaft mehr aufgeteilt werden muss. Jordanien hat jedoch die Verpflichtung, Menschen aus Syrien, die vor Konflikten und Verfolgung fliehen, Schutz zu gewähren und ihnen die Einreise nach Jordanien zu ermöglichen. Jordanien hat weder das UN-Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge aus dem Jahr 1951 noch das zugehörige Protokoll von 1967 ratifiziert. Unter dem Völkergewohnheitsrecht und anderen Abkommen, wie dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und dem Übereinkommen gegen Folter, ist Jordanien jedoch dazu verpflichtet, Menschen nicht an einen Ort zurückzuschicken, wo sie in Gefahr sind, verfolgt zu werden oder schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt zu sein. Dies ist als Grundsatz der Nichtzurückweisung (Non-Refoulement) bekannt. Nach diesem Grundsatz ist es untersagt, Asylsuchende an der Grenze abzuweisen und Flüchtlinge abzuschieben.