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Startseite Urgent Actions 2015 12 Unlawfully detained migrant at risk
UA 276/15
Bahamas
Abgeschlossen am 11. Dezember 2015

Rechtswidrig inhaftierter Migrant in Gefahr

AI-Index: AMR 14/3004/2015

Der Haitianer Jean Marie Justilien wurde im Juni 2015 während einer Durchsuchungsaktion mit dem Ziel, MigrantInnen ohne regulären Aufenthaltsstatus festzunehmen, in den Nacken geschossen, inhaftiert und der illegalen Einreise angeklagt. Obwohl er am 2. Dezember freigesprochen worden ist, hat man ihn in das Carmichael-Road-Gewahrsamszentrum für MigrantInnen verlegt, wo er nach wie vor festgehalten wird. Er läuft Gefahr, misshandelt zu werden, und benötigt dringend medizinische Versorgung.

Jean Marie Justilien, ein haitianischer Staatsbürger, wurde im Juni 2015 während einer Durchsuchungsaktion auf der zu den Bahamas gehörenden Insel Eleuthera festgenommen. Während der Durchsuchungsaktion mit dem Ziel, MigrantInnen ohne regulären Aufenthaltsstatus festzunehmen, wurde er von hinten angeschossen – offenbar von einem Beamten der Einwanderungsbehörde. Einem offiziellen medizinischen Gutachten zufolge trat eine Kugel an seinem Nacken ein und an der linken Wange wieder aus. Zudem erlitt er mehrere Verletzungen an den Beinen und am Ellbogen. Laut Medienberichten sollen die Behörden Jean Marie Justilien des Versuchs, einem Beamten seine Waffe zu entwenden, beschuldigt haben, doch dies war nicht Teil der Anklagen gegen ihn. Die Menschenrechtsorganisation Grand Bahama Human Rights Association (GBHRA) forderte öffentlich eine unabhängige Untersuchung des Vorfalls. Bislang ist keine solche unabhängige Untersuchung durchgeführt worden, doch die Rechtsbeistände von Jean Marie Justilien haben Klage wegen Körperverletzung erhoben. Entgegen den Paragrafen 19 (1) und (2) des Einwanderungsgesetzes wurde Jean Marie Justilien der illegalen Einreise in die Bahamas angeklagt. Seine Freilassung gegen Hinterlegung einer Kaution wurde abgelehnt, und er war mehr als fünf Monate lang im Fox-Hill-Gefängnis inhaftiert. Seinen Rechtsbeiständen zufolge wurde er im Hochsicherheitstrakt gemeinsam mit verurteilten Kriminellen in einer überfüllten Zelle festgehalten. Am 27. November und 1. Dezember fand vor einem erstinstanzlichen Gericht ein Verfahren gegen Jean Marie Justilien statt. Der Richter sprach ihn frei, stellte das Verfahren ein und ordnete seine Haftentlassung an. Obwohl er von dem Vorwurf der illegalen Einreise freigesprochen wurde, argumentierten die Einwanderungsbehörden, sie könnten seinen Fall nicht «bearbeiten» und ihn freilassen, da ihnen sein aufenthaltsrechtlicher Status nicht bekannt sei. Seine Rechtsbeistände stellten auf der Grundlage des Habeas-Corpus-Prinzips einen Antrag auf Haftprüfung mit dem Ziel der unverzüglichen Haftentlassung. Doch erst am 10. Dezember wird ein Richter über diesen Antrag entscheiden. Jean Marie Justiliens Rechtsbeistände befürchten, dass er in der Haftanstalt Carmichael Road misshandelt werden und das Ziel von Vergeltungsmassnahmen der BeamtInnen werden könnte, die an dem zu seiner Schussverletzung führenden Vorfall beteiligt waren. Während seiner Inhaftierung stellten seine Rechtsbeistände mehrere Anträge auf eine Untersuchung Jean Marie Justiliens durch einen unabhängigen Arzt. Ihren Aussagen zufolge erhält er keine angemessene medizinische Versorgung, hat abgenommen und erleidet weiterhin starke Schmerzen aufgrund der Verletzungen, die ihm während der Durchsuchung zugefügt wurden.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Verschiedene Organe der Vereinten Nationen, darunter das Büro des UN-Hohen Kommissars für Menschenrechte sowie der Sonderberichterstatter über die Menschenrechte von Migranten, haben sich gegen die Behandlung der Einreise ohne Einreiseerlaubnis und/oder des illegalen Aufenthalts in einem Land als Straftat ausgesprochen. Stattdessen solle irreguläre Migration als Verwaltungsübertretung behandelt werden. Im September 2014 kündigte der Aussen- und Einwanderungsminister der Bahamas eine Reform der Einwanderungsgesetze an. Im Mai 2015 wurde das abgeänderte Einwanderungsgesetz verabschiedet. In einer öffentlichen Stellungnahme vom 17. November 2014 verlieh Amnesty International der Sorge Ausdruck, dass noch nicht der gesamte Text des neuen Gesetzes, das im September angekündigt worden war, öffentlich gemacht wurde, obwohl Teile davon bereits seit dem 1. November 2014 umgesetzt wurden. Bahamaische Menschenrechtsorganisationen haben berichtet, dass die Umsetzung der Reform der Einwanderungsgesetze eine fremdenfeindliche Atmosphäre in dem Land geschaffen und zu Festnahmen, Inhaftierungen und Abschiebungen von MigrantInnen, die offenbar keine Papiere haben, geführt hat. Willkürliche Massenfestnahmen betreffen in unverhältnismässiger Form BahamaerInnen haitianischer Herkunft und HaitianerInnen. Im Februar 2015 sicherte die Interamerikanische Menschenrechtskommission Häftlingen des Carmichael-Road-Gewahrsamszentrum für MigrantInnen Schutzmassnahmen zu, da ihnen offenbar unmenschliche Haftbedingungen, Überbelegung und ein Mangel an angemessener medizinischer Versorgung drohten. Infolge von Befürchtungen, dass die neuen Reformen der Migrationsgesetze zu Menschenrechtsverletzungen und zunehmender Diskriminierung führten, forderte Amnesty International die Behörden der Bahamas im März 2015 auf, detaillierte Auskünfte über die Reformen zu geben. Bislang hat die Organisation keine Antwort auf ihre Schreiben erhalten. Im Oktober 2015 wurde eine Siedlung von mehr als 200 Personen, von denen die meisten BahamaerInnen haitianischer Herkunft und haitianische MigrantInnen waren, vom Ministerium für Umwelt und Gesundheit und dem Ministerium für Einwanderung im Rahmen einer mutmasslichen rechtswidrigen Zwangsräumung abgerissen. Die örtlichen Medien berichteten, dass Frauen und Kinder mit ihrem Hab und Gut am Strassenrand vor ihren abgerissenen Wohnstätten zurückgelassen wurden. Amnesty International kontaktierte die Behörden, um Informationen über die Massnahmen zu erlangen, die im Rahmen der Räumungen ergriffen wurden, doch die Organisation hat bislang keine Antwort erhalten. In einem Urteil des Obersten Gerichtshof wurde kürzlich angeordnet, dass die Regierung Informationen zu der kontroversen Einwanderungsreform vom 1. November 2015 zugänglich machen müsse. Menschenrechtsorganisationen bezeichneten die Entscheidung als Sieg für Transparenz und Rechtsstaatlichkeit. Die Regierung hat die Informationen jedoch bislang nicht zugänglich gemacht.

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