Benutzerspezifische Werkzeuge
Amnesty Urgent Actions
Startseite Urgent Actions 2015 11 Facing execution after hasty, unfair trial
UA 272/15
Iran
Abgeschlossen am 8. Januar 2016

Unmittelbar drohende Hinrichtung

AI-Index: MDE 13/2952/2015

Shahram Ahmadi, ein Sunnit und Angehöriger der kurdischen Minderheit im Iran, könnte jederzeit hingerichtet werden, nachdem der Oberste Gerichthof sein Todesurteil bestätigt hat. Er wurde nach einem grob unfairen Verfahren wegen «Feindschaft zu Gott» zum Tode verurteilt.

Der 28-jährige Shahram Ahmadi, der im Raja’-Shahr-Gefängnis in Karadsch festgehalten wird, erfuhr im Oktober 2015, dass der Oberste Gerichtshof des Iran sein Todesurteil bestätigt hat. Der Richter, der die Vollstreckung von Urteilen im Raja’-Shahr-Gefängnis beaufsichtigt, soll Shahram Ahmadi gesagt haben, dass er jederzeit hingerichtet werden könnte. Shahram Ahmadi hat eigenen Angaben zufolge bisher keine Kopie der Urteilsschrift erhalten. Zudem sei ihm nicht mitgeteilt worden, auf welche Beweise und Rechtsgrundlage sich sein Verurteilung stützt.

Shahram Ahmadi wurde im April 2009 in Sanandadsch in der Provinz Kordestan festgenommen, als er sich gerade auf dem Weg nach Hause befand. Er gab an, dass Angehörige der Revolutionsgarden auf ihn geschossen und ihn geschlagen hätten. Anschliessend sollen die Männer ihn in ein Krankenhaus gebracht haben, wo man ihn verhörte. Shahram Ahmadi wurde fast drei Jahre lang in Untersuchungshaft gehalten und hatte während dieser Zeit weder Zugang zu einem Rechtsbeistand noch zu seiner Familie. Er gibt an, dass man ihn mit Folter und anderweitiger Misshandlung zur Abgabe von «Geständnissen» gezwungen habe. Unter anderem hielt man ihn über lange Zeiträume in Einzelhaft fest, trat und schlug auf ihn ein und verweigerte ihm seine Medikamente. Seinen vom Staat bestellten Rechtsbeistand traf er zum ersten Mal am 2. Oktober 2012, als sein Verfahren vor der Abteilung 28 des Revolutionsgerichts in Teheran stattfand, welches seinen Angaben zufolge nur fünf Minuten dauerte. Man teilte Shahram Ahmadi im April 2013 mit, dass das Gericht ihn im Zusammenhang mit seiner mutmasslichen Zugehörigkeit zu einer salafistischen Gruppe wegen «Feindschaft zu Gott» (moharebeh) zum Tode verurteilt hat. Er streitet die gegen ihn erhobenen Vorwürfe ab und gibt an, aufgrund seines Glaubens verfolgt zu werden.

Der Oberste Gerichtshof des Iran hob das Todesurteil von Shahram Ahmadi 2015 auf und verwies seinen Fall zurück an die Abteilung 28 des Revolutionsgerichts in Teheran, welches ihn erneut zum Tode verurteilte. Das zweite Todesurteil ist nun vom Obersten Gerichtshof bestätigt worden. Es ist nicht bekannt, dass eine Untersuchung zu den Foltervorwürfen von Shahram Ahmadi durchgeführt wurde.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN

2009 und 2010 hat es in der Provinz Kordestan im Westen des Iran eine Welle von Festnahmen sunnitischer Männer durch Angehörige des Geheimdienstministeriums gegeben. Die meisten von ihnen gehörten der kurdischen Minderheit an. Auch Shahram Ahmadi wurde in dieser Zeit festgenommen. Die Umstände, die zu den Festnahmen geführt haben, und die Beweise, die den Schuldsprüchen und Verurteilungen der Männer zugrunde liegen, sind Amnesty International noch immer nicht bekannt.
Nach seiner Festnahme am 26. April 2009 wurde Shahram Ahmadi 33 Monate lang in Hafteinrichtungen des Geheimdienstministeriums in Sanandadsch und Zandschan festgehalten. Anschliessend verlegte man ihn zunächst in die Abteilung 350 des Evin-Gefängnisses in Teheran und dann in das Raja’-Shahr-Gefängnis in Karadsch, wo er sich noch immer befindet. Während seiner Zeit in Untersuchungshaft hatte er keinen Zugang zu einem Rechtsbeistand und wurde über lange Zeiträume in Einzelhaft festgehalten. Shahram Ahmadi gibt an, dass die BeamtInnen, die seine Verhöre durchgeführt haben, ihn gefoltert und anderweitig misshandelt haben. Unter anderem sollen sie ihn geschlagen und getreten, ihm Essen und seine Medikamente verweigert, ihn am Schlafen gehindert, ihm Elektroschocks versetzt und ihm gedroht haben, seinen Familienmitgliedern etwas anzutun. Er gibt zudem an, dass man ihn bis zu 20 Stunden ununterbrochen verhört habe.
Shahram Ahmadi ist der Ansicht, dass er wegen der Ausübung und Förderung religiöser Aktivitäten zum Ziel der Behörden geworden ist. Unter anderem hatte er an Seminaren zum Sunnitentum teilgenommen und Lesematerial und CDs zur sunnitischen Lehre verteilt.
Vier Monate nach der Festnahme von Shahram Ahmadi, am 19. September 2009 wurde auch sein Bruder, Bahram Ahmadi, festgenommen. Man hielt ihn 17 Monate lang in Hafteinrichtungen des Geheimdienstministeriums in verschiedenen Städten fest. Während dieser Zeit soll er gefoltert und anderweitig misshandelt worden sein. Bahram Ahmadi wurde zusammen mit neun weiteren Sunniten der kurdischen Minderheit im Februar 2011 von der Abteilung 28 des Revolutionsgerichts in Teheran wegen «Feindschaft zu Gott» zum Tode verurteilt. Nachdem der Oberste Gerichtshof sein Todesurteil bestätigt hatte, richtete man Bahram Ahmadi am 27. Dezember 2012 hin. Laut seiner Familie war er erst 17 Jahre alt, als man ihn festnahm.
Gemäss internationalen Menschenrechtsnormen und -standards muss gewährleistet sein, dass zum Tode verurteilte Personen sämtliche Garantien für ein faires Verfahren erhalten. Für mutmassliche Straftäter muss die Unschuldsvermutung gelten. Die Todesstrafe darf nur verhängt werden, wenn die Schuld des Angeklagten in eindeutiger und überzeugender Weise, die keine andere Erklärung des Sachverhalts zulässt, nachgewiesen wurde. Dabei müssen hinsichtlich des Zusammentragens und Beurteilens der Beweismittel die höchsten Standards angewandt werden. Diese Garantien umfassen auch das Recht auf Vertretung durch einen Rechtsbeistand eigener Wahl in allen Stadien des Strafverfahrens und somit auch während der Untersuchungshaft, des Verhörs und der Voruntersuchung. Der UN-Menschenrechtsausschuss hat erklärt, dass «die Verhängung der Todesstrafe nach einem Verfahren, bei dem die Richtlinien des [Internationalen] Paktes [über bürgerliche und politische Rechte] nicht beachtet wurden, gegen Artikel 6 des Paktes verstösst». Der UN-Sonderberichterstatter über aussergerichtliche, summarische oder willkürliche Hinrichtungen betonte, dass «die Verhängung der Todesstrafe als willkürlich zu betrachten ist, wenn die Verfahren nicht den höchsten Standards für faire Gerichtsverfahren entsprechen».
Amnesty International wendet sich in allen Fällen, weltweit und ausnahmslos gegen die Todesstrafe, ungeachtet der Schwere und der Umstände einer Tat, der Schuld, Unschuld oder besonderen Eigenschaften des Verurteilten, oder der vom Staat gewählten Hinrichtungsmethode, da sie das in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgeschriebene Recht auf Leben verletzt und die grausamste, unmenschlichste und erniedrigendste aller Strafen darstellt.

11 Briefe verschickt  
My Urgent Actions
Fürs Mitzählen lassen Ihres Briefes und Update-Funktion zu nutzen müssen Sie sich
einloggen oder
anmelden
Downloads
UA 272/15 english
Microsoft Word Document, 64.0 kB
UA 272/15 deutsch
Microsoft Word Document, 72.5 kB
UA 272/15 français
Microsoft Word Document, 64.0 kB
Mehr zum Thema

Folter

Warum ist Folter immer falsch und nutzlos? Wie engagiert sich Amnesty für die Wahrung des absoluten Folterverbots? Mehr

Todesstrafe

In welchen Ländern existiert die Todesstrafe noch immer? Wie viele Menschen werden jährlich weltweit hingerichtet? Mehr