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Startseite Urgent Actions 2015 11 Librarian detained for holding «extremist books»
UA 261/15
Russland
Abgeschlossen am 31. Dezember 2015

Hausarrest wegen «extremistischer» Bücher

AI-Index: EUR 46/2900/2015

Natalya Sharina hat zwei Nächte im Gewahrsam der Polizei verbracht und befindet sich derzeit unter Hausarrest, weil vermeintliche «extremistische Bücher» in der Bibliothek, in welcher sie arbeitet, gefunden wurden. Amnesty International betrachtet sie als gewaltlose politische Gefangene. Bei Schuldspruch drohen ihr bis zu fünf Jahre Haft.

Natalya Sharina, Leiterin der staatlichen Bibliothek für ukrainische Literatur in Moskau, wurde am Morgen des 28. Oktober in ihrem Haus von Angehörigen der Ermittlungsbehörde der Russischen Föderation festgenommen. Sie durchsuchten ihr Zuhause mehrere Stunden lang und nahmen sie anschliessend mit in die Bibliothek, die sie nach «extremistischer Literatur» durchsuchten. Die ErmittlerInnen sollen dabei Werke des ukrainischen Nationalisten Dimitry Korchinsky in einem Stapel Bücher gefunden haben, die noch nicht zur Ausleihe zur Verfügung standen. Am Abend des 28. Oktober wurde Natalya Sharina von ErmittlerInnen befragt und erst um 3:00 Uhr zu einer Polizeistation in Taganski, einem Stadtteil Moskaus, gebracht. Auf der Polizeistation wurde sie über Nacht in einer überfüllten Zelle zusammen mit Männern festgehalten und anschliessend in das Zentrum für vorübergehende Unterbringung im selben Stadtteil verlegt, wo sie bis zum 30. Oktober festgehalten wurde. Sie erhielt dort weder Bettwäsche noch Essen oder Trinken.

Natalya Sharina ist 58 Jahre alt und leidet an Bluthochdruck. Während ihrer zwei Tage in Haft musste sie vier Mal medizinisch notversorgt werden. Die Notärzte forderten, dass Natalya Sharina in ein Krankenhaus eingeliefert wird. Einer der Ermittler gab eine förmliche Antwort, dass es drei Tage dauern würde, bis eine Einlieferung möglich wäre, ergriff jedoch keine weiteren Massnahmen.

Am 29. Oktober eröffnete die Ermittlungsbehörde ein Strafverfahren gegen Natalya Sharina wegen «Anstiftung zu nationalem Hass und Feindschaft und Missachtung der Menschenwürde» gemäss Paragraf 282 des russischen Strafgesetzbuchs. Ein Angehöriger der Ermittlungsbehörde teilte der Presse mit, dass bei der Durchsuchung gedrucktes Material mit «Staatspropaganda gegen Russland» gefunden worden sei. Am 30. Oktober wurde Natalya Sharina auf der Haft in den Hausarrest entlassen. Dies bedeutet, dass sie lediglich Kontakt zu ihrem Rechtsbeistand und engen Verwandten, mit denen sie zusammen lebt, hat. Sie kann weder das Internet noch das Telefon verwenden, ausser um einen Krankenwagen zu rufen. Sie benötigt zudem die Erlaubnis der ErmittlerInnen, um das Haus verlassen zu können, sofern es sich nicht um einen medizinischen Notfall handelt. Ihr Antrag auf Spaziergänge wurde abgelehnt.

Natalya Sharina ist eine gewaltlose politische Gefangene, der die Freiheit entzogen wurde und der nur deshalb die strafrechtliche Verfolgung droht, weil sie friedlich von ihrem Recht auf Meinungsfreiheit Gebrauch gemacht hat.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN

2010 wurde ein Strafverfahren gegen die Bibliothek für ukrainische Literatur wegen vermeintlicher Verbreitung von «extremistischer Literatur» von Dimitry Korchinsky eröffnet. Seine Bücher wurden von den russischen Behörden jedoch erst 2013 als «extremistisch» eingestuft. Die Bibliothek hatte bereits 2011 all seine Bücher entfernt, sodass das Strafverfahren eingestellt wurde, da keine Straftat begangen worden war.

Die Ermittlungen gegen Natalya Sharina wurden eingeleitet, nachdem ein ehemaliger Mitarbeiter / eine ehemalige Mitarbeiterin der Bibliothek, der / die 2010 entlassen worden war, Anzeige erstattet hatte.

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