Aktivist in Haft
Der saudi-arabische Aktivist Abdulaziz Abdulatif al-Sunaidi ist am 13. Oktober von einem Antiterrorgericht zu acht Jahren Haft und einem anschliessenden achtjährigen Reiseverbot verurteilt worden. Grund für seine Verurteilung sind von ihm veröffentlichte Twitter-Nachrichten. Er hatte während seiner Zeit in Untersuchungshaft und während seines Verfahrens keinen Zugang zu einem Rechtsbeistand. Amnesty International betrachtet ihn als gewaltlosen politischen Gefangenen.
Am 13. Oktober verurteilte das Sonderstrafgericht (Specialized Criminal Court - SCC) in der saudischen Hauptstadt Riad, das für terrorismus- und sicherheitsbezogene Fälle zuständig ist, den Aktivisten Abdulaziz Abdulatif al-Sunaidi zu acht Jahren Haft, einem anschliessenden achtjährigen Reiseverbot und einer Geldstrafe von 50.000 Rial (etwa 12.500 Euro). Er hat Rechtsmittel gegen seine Verurteilung eingelegt. Abdulaziz Abdulatif al-Sunaidi unterstützt unter anderem die saudi-arabische Organisation für bürgerliche und politische Rechte (ACPRA), eine unabhängige Organisation, die über Menschenrechtsverletzungen im Königreich berichtet.
Abdulaziz Abdulatif al-Sunaidi hatte während seiner Untersuchungshaft, seiner Verhöre und seines Verfahrens keinen Zugang zu einem Rechtsbeistand. Man sprach ihn unter anderem wegen eines Verstosses gegen Paragraf 6 des Gesetzes gegen Internetkriminalität schuldig und verurteilte ihn unter anderem wegen Beleidigung des Königs, Einmischung in Angelegenheiten, die ihn nichts angehen, Verbreitung von Chaos, Aufwiegelung durch Twitter-Nachrichten, Unterzeichnung einer Erklärung, mit der Demonstrationen gefordert wurden, Respektlosigkeit gegenüber den Justizbehörden, Unterstützung von und Sympathisierens mit der verbotenen Organisation ACPRA und Weiterleitung von Twitter-Nachrichten, die als beleidigend gegenüber den Behörden empfunden wurden.
Abdulaziz Abdulatif al-Sunaidi wurde am 8. Februar 2015 von in Zivil gekleideten BeamtInnen der Kriminalpolizei an einer Tankstelle in der zentralen Provinz al-Qassim festgenommen. Auf der al-Shamasyah-Polizeistation befragte man ihn zu seinen Twitter-Nachrichten und einigen Erklärungen, die er unterzeichnet hatte. Anschliessend wurde er in das Buraydah-Gefängnis in al-Quassim verlegt. Im Juli brachte man ihn für seine erste Anhörung vor dem SCC nach Dschidda. Im September verlegte man ihn dann in das al-Malaz-Gefängnis in Riad, wo er seine Haftstrafe derzeit verbüsst.
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
Seit Inkrafttreten des neuen Antiterrorgesetzes im Februar 2014 setzen die Behörden in Saudi-Arabien dieses ein, um MenschenrechtsverteidigerInnen und friedliche RegierungskritikerInnen zu inhaftieren und zu verurteilen. Dazu werden sie vor das Sonderstrafgericht (Specialized Criminal Court – SCC) gestellt, das für terrorismus- und sicherheitsbezogene Fälle zuständig ist und dessen Zuständigkeiten und Arbeitsweisen nicht näher spezifiziert sind. Die Verfahren einiger MenschenrechtsverteidigerInnen wurden unter dem neuen Antiterrorgesetz vor dem SCC wiederaufgenommen, obwohl sie bereits viele Jahre zuvor von anderen Gerichten und unter anderen Gesetzen verurteilt worden waren oder während sie bereits Strafen wegen derselben Anklagen ableisteten. Die meisten MenschenrechtsverteidigerInnen weigern sich, die Rechtmässigkeit des SCC anzuerkennen. Seit 2012 gehen die saudischen Behörden völlig straffrei gegen zivilgesellschaftliche AktivistInnen und MenschenrechtsverteidigerInnen, darunter auch Mitglieder der ACPRA, vor – per Gerichtsverfahren oder mit willkürlichen Massnahmen wie Reiseverboten. ACPRA-Mitglieder erfahren dabei die Hauptlast der behördlichen Drangsalierungen. Acht der Gründungsmitglieder der Organisation befinden sich derzeit im Gefängnis und leisten entweder Haftstrafen ab oder warten auf das Ergebnis ihrer Wiederaufnahmeverfahren vor dem SCC. Lediglich zwei Mitglieder befinden sich auf freiem Fuss und warten ebenfalls auf die Entscheidung des SCC in ihren Fällen. Dr. Abdullah al-Hamid, Dr. Mohammad al-Qahtani, Dr. Suliaman al-Rashudi, Dr. Abdulkareem al-Khoder, Dr. Abdulrahman al-Hamid, Fowzan al-Harbi, Mohammed al-Bajad und Omar al-Sa’id leisten wegen ihres friedlichen Aktivismus derzeit Haftstrafen von bis zu 15 Jahren ab, auf die Reiseverbote von gleicher Dauer folgen werden. Abdulaziz al-Shubaili und Issa al-Hamid befinden sich für die Dauer ihres Verfahrens auf freiem Fuss. Saleh al-Ashan ist bereits seit April 2012 ohne Anklage und Verfahren inhaftiert. Im März 2013 ordnete das SCC die Auflösung von ACPRA, die Konfiszierung des Eigentums der Organisation und die Löschung ihrer Benutzerkonten in sozialen Medien an. Eine Reihe weiterer AktivistInnen sind ebenfalls von den saudi-arabischen Behörden drangsaliert worden. Darunter auch der Menschenrechtsanwalt Waleed Abu al-Khair, der am 15. April 2014 nach einer Anhörung vor dem Sonderstrafgericht in Riad festgenommen wurde. Er leistet derzeit eine 15-jährige Haftstrafe ab und wurde zudem zu einem anschliessenden 15-jährigen Reiseverbot und einer Geldstrafe verurteilt. Das SCC befand ihn der folgenden Anklagepunkte für schuldig: „Ungehorsam gegenüber dem Herrscher und der Versuch, seine Legitimität zu untergraben“, „Kritik an der Justiz und Infragestellung der Integrität der Richter“, „Gründung einer nicht genehmigten Organisation“, „Schädigung des Rufs des Staates durch den Austausch mit internationalen Organisationen“ und „Aufbereitung, Speicherung und Übermittlung von Informationen, die die öffentliche Ordnung beeinträchtigen“. Weitere Informationen zum Fall von Waleed Abu al-Khair finden Sie in UA-098/2014 (online unter: https://www.amnesty.de/urgent-action/ua-098-2014-3/menschenrechtler-haft-angegriffen). Auch Fadhel Maki al-Manasif wurde am 17. April 2014 vom Sonderstrafgericht SCC in Riad zu einer 15-jährigen Haftstrafe, einem anschliessenden Reiseverbot von 15 Jahren und einer Geldstrafe von 100.000 Saudi-Rial (etwa 19.200 Euro) verurteilt. Die Anklagen gegen ihn stehen im Zusammenhang mit seinem Aktivismus und seiner Berichterstattung und Dokumentation hinsichtlich der Diskriminierung der schiitischen Gemeinde Saudi-Arabiens. Er wurde in Haft gefoltert und anderweitig misshandelt. Weitere Informationen zu seinem Fall finden Sie in UA-304/2011 (online unter https://www.amnesty.de/urgent-action/ua-304-2011-2/aktivist-inhaftiert). Der bekannte saudi-arabische Schriftsteller, Kommentator und Kritiker Dr. Zuhair Kutbi wurde am 15. Juli 2015 in seinem Haus in der Stadt Mekka von Angehörigen der Sicherheitskräfte abgeführt. Er wurde während seiner Inhaftierung geschlagen und an drei verschiedene Orte gebracht, an denen er verhört wurde. Bisher ist keine Anklage gegen ihn erhoben worden. Amnesty International geht davon aus, dass Dr. Zuhair Kutbi wegen Aussagen festgenommen worden ist, die er am 25. Juni 2015 in der TV-Sendung Fi al-Samim (Auf den Punkt) gemacht hatte. Er kritisierte in der Sendung, die auf dem Satellitenkanal Rotana Khalijia ausgestrahlt wird, die politische Unterdrückung in Saudi-Arabien und sprach sich für Reformen aus, zu denen auch die Umwandlung des politischen Systems in eine konstitutionelle Monarchie gehörte. (siehe UA-188/2015, https://www.amnesty.org/en/documents/mde23/0017/2015/en/).