Freilassung fordern für Gewerkschaftsmitglieder
Zwei Aktivisten, die sich für Arbeitsrechte einsetzen, stehen gegenwärtig vor Gericht, weil sie streikende ArbeiterInnen in der Textilindustrie in Myanmar über ihre Rechte informiert haben. Zwei weitere führende Gewerkschaftsmitglieder sind zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt worden, weil sie ArbeiterInnen unterstützt haben. Amnesty betrachtet die vier Männer als gewaltlose politische Gefangene und fordert ihre sofortige und bedingungslose Freilassung.
Der Student Naing Zaw Kyi Win und sein Bruder Thu Zaw Kyi Win wurden Anfang 2015 festgenommen, weil sie streikende ArbeitnehmerInnen aus der Textilindustrie unter anderem über ihre Rechte aufgeklärt hatten. Die ArbeiterInnen aus Fabriken in der Industriezone Shwe Pyi Thar in Rangun (Yangon), waren am 2. Februar in einen Streik getreten und hatten Protestcamps und -märsche organisiert, um ihre Forderung nach höheren Löhnen zu unterstreichen. Naing Zaw Kyi Win wurde am 24. Februar von Angehörigen der Polizei in Zivil im Haus einer Fabrikarbeiterin festgenommen. Thu Zaw Kyi Win kam am 4. März in Haft, nachdem er streikende ArbeiterInnen begleitet hatte, die versuchten, ihre Protestkundgebung in die Nähe der Sule-Pagode zu verlegen, die sich neben dem Rathaus von Rangun befindet. Die Brüder stehen derzeit im Township Yankin vor Gericht. Die Anklagen beziehen sich auf den Verstoss gegen Paragraf 505 (b) des Strafgesetzbuchs von Myanmar (Anstiftung zu Straftaten gegen den Staat oder gegen die öffentliche Ruhe). Die Urteilsverkündung soll in Kürze erfolgen.
Die Gewerkschafter und Fabrikarbeiter Myo Min Min und Naing Htay Lwin wurden am 20. Februar in Haft genommen, nachdem sie kurz zuvor auf einer Pressekonferenz die Forderungen der ArbeitnehmerInnen erläutert hatten. Ein Gericht verurteilte sie am 11. September zu zweieinhalb Jahren Haft, nachdem sie für schuldig befunden worden waren, sowohl gegen Paragraf 505 (b) des Strafgesetzbuchs von Myanmar als auch gegen Paragraf 18 (Protestieren ohne Genehmigung) und Paragraf 19 (Verstoss gegen die Bedingungen einer Genehmigung zum Protest) des Versammlungs- und Demonstrationsgesetzes verstossen zu haben. Die vier Gefangenen befinden sich im Insein-Gefängnis von Rangun.
Am 8. November finden in Myanmar Wahlen statt. Das ist ein wichtiger Anlass, um Präsident Thein Sein aufzufordern, eine Amnestie zu erlassen und alle gewaltlosen politischen Gefangenen freizulassen.
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
Thu Zaw Kyi Win wurde bereits zuvor wegen seiner friedlichen Aktivitäten zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Am 3. Juni 2015, als er sich auf Grundlage der gegenwärtigen Anklagen im Insein-Gefängnis befand, verurteilte ihn das Gericht des Townships Shwe Pyi Thar zu einem Monat Gefängnis, weil er an einer nicht genehmigten Kundgebung teilgenommen haben soll. Er hatte gegen das Gerichtsverfahren eines anderen Aktivisten protestiert.
MenschenrechtlerInnen und AktivistInnen in Myanmar werden häufig lediglich wegen der friedlichen Wahrnehmung ihrer Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit festgenommen und inhaftiert. Diese Rechte sind in den Artikeln 19 und 20 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgeschrieben. Eine Reihe von Gesetzen in Myanmar wird dazu genutzt, friedliche Meinungsäusserung und Versammlung zu kriminalisieren, darunter Paragraf 505 (b) des Strafgesetzbuchs des Landes und das Versammlungs- und Demonstrationsgesetz.
Paragraf 505 (b) des Strafgesetzbuchs von Myanmar sieht zwei Jahre Haft für Personen vor, die die Öffentlichkeit anstiften, Straftaten «gegen den Staat oder die öffentliche Ruhe» zu begehen. Das Versammlungs- und Demonstrationsgesetz schreibt vor, dass für Demonstrationen eine Genehmigung eingeholt werden muss. Die Behörden können die Genehmigung ablehnen, wenn die Demonstration eine Gefährdung der «Sicherheit des Staates, der Rechtsstaatlichkeit, der öffentlichen Ruhe oder geltender Gesetze» darstellt. Ohne Genehmigung zu protestieren kann auf der Grundlage von Paragraf 18 des Versammlungs- und Demonstrationsgesetzes mit bis zu sechs Monaten Haft bestraft werden. Der Verstoss gegen die Bedingungen der Genehmigung zu einer Demonstration kann mit bis zu drei Monaten Gefängnis geahndet werden. Die Einschränkungen des Rechts auf freie Meinungsäusserung, die diese Gesetze vorsehen, sind sehr vage formuliert, was eine weite Auslegung und eine diskriminierende Anwendung der Gesetze ermöglicht.
Amnesty International erhält immer wieder Berichte über die schlechten Bedingungen in myanmarischen Gefängnissen, die nicht den UN-Mindestgrundsätzen für die Behandlung von Gefangenen entsprechen. Hierzu zählen der mangelhafte Zugang zu angemessener medizinischer Behandlung sowie zu sauberem Trinkwasser und Wasser für die Körperpflege und zu gehaltvollen Lebensmitteln.