Gefangener benötigt dringend medizinische Versorgung
Amur Khakulov ist nach einem unfairen Verfahren zu 20 Jahren Haft verurteilt worden. Ein von ihm eingelegtes Rechtsmittel ist noch nicht angehört worden. Er befindet sich in der Untersuchungshafteinrichtung SIZO-1 in Naltschik in der Republik Kabardino-Balkarien im Süden Russlands. Amur Khakulov leidet an einem chronischen Nierenleiden und erhält nicht die erforderliche medizinische Behandlung. In der Folge befindet er sich in Lebensgefahr.
Amur Abubovich Khakulov, der früher als Prüfer von Waisenhäusern gearbeitet hat, ist nach einem unfairen Verfahren zu 20 Jahren Haft in einer Hochsicherheitsstrafkolonie verurteilt worden. Seine Verurteilung steht im Zusammenhang mit einem bewaffneten Angriff in Naltschik im Jahre 2005. Amur Khakulov wird seit seiner Festnahme 2005 in der Untersuchungshafteinrichtung SIZO-1 festgehalten. Laut seiner Familie hat er während seiner Zeit in Haft ein chronisches Nierenleiden entwickelt, das unbehandelt zum Tode führen könnte. Seine Angehörigen sind angesichts des stetig ansteigenden Kreatin-Werts in seinem Blut sehr besorgt, da dies ein Anzeichen für eine Beeinträchtigung der Nierenfunktion oder ein Nierenleiden ist und dazu führen könnte, dass er ins Koma fällt. Zudem leidet Amur Khakulov an sehr hohem Blutdruck und stark angeschwollenen Füssen.
Das medizinische Personal in SIZO-1 hat bereits zweimal beantragt, dass gegen Amur Khakulov eine andere Zwangsmassnahme als Haft erlassen wird, die es ihm erlauben würde, die erforderliche medizinische Behandlung zu erhalten. Beide Anträge wurden, wie auch ein weiterer Antrag auf eine Dialysebehandlung, abgelehnt. Laut der Familie von Amur Khakulov entschied eine Ärtzekommission, der hochrangige regionale BeamtInnen des Gesundheitswesens angehören, dass erst dann eine Dialyse veranlasst werde, wenn eine seiner Nieren versagt hat. Nach mehreren Anfragen der Frau von Amur Khakulov beantragte der Leiter der medizinischen Abteilung vom SIZO-1, dass Amur Khakulov die für seinen Zustand erforderlichen Medikamente kostenfrei zur Verfügung gestellt werden. Seine Familie kann die anfallenden Kosten nicht tragen. Der regionale Gesundheitsminister hat dem zugestimmt, sodass Amur Khakulov ab Januar 2016 die entsprechenden Medikamente erhalten wird. Seine Angehörigen befürchten jedoch, dass es dann bereits zu spät sein könnte.
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
Am 23. Dezember 2014 verkündete der Oberste Gerichtshof von Karbadino-Balkarien das Urteil in dem Verfahren gegen 57 Männer, denen eine Beteiligung an einem bewaffneten Angriff in Naltschik im Oktober 2005 vorgeworfen wurde. Zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung hatten die meisten der Angeklagten bereits mehr als neun Jahre in Haft verbracht. Das Verfahren gegen die 57 Männer hatte im April 2008 begonnen und mehr als sechs Jahre gedauert. Es war von zahlreichen Verletzungen der Standards für faire Verfahren durchzogen, darunter das ständige Versäumnis, glaubwürdigen Vorwürfen über Folter nachzugehen, die mehrere Angeklagte erhoben. Das Gericht befand alle 57 Männer für schuldig. Fünf von ihnen wurden zu lebenslanger Haft verurteilt, drei weitere Angeklagte kamen nach der Urteilsverkündung frei, weil sie ihre Strafe in Untersuchungshaft bereits abgeleistet hatten. Die restlichen 49 Männer erhielten Haftstrafen von zwischen 10 und 23 Jahren, die sie in Hochsicherheitsstrafkolonien ableisten müssen. Die meisten der Angeklagten beharren auf ihrer Unschuld und haben Rechtsmittel gegen ihre Verurteilung eingelegt. Amnesty International hat wiederholt Bedenken hinsichtlich der schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen in diesem Fall geäussert, darunter die Anwendung von Folter und anderweitigen Misshandlungen und die Verweigerung von dringend erforderlicher Behandlung.
Ursprünglich waren 59 Männer in dem Fall angeklagt, zwei starben jedoch noch vor Ende des Verfahrens. Ein weiterer Angeklagter, Sergei Kaziev, starb am 21. August, nachdem er fast drei Monate lang mit einem Hungerstreik gegen seine Verurteilung und seine Haftbedingungen protestiert hatte. Er forderte mit seinem Hungerstreik die Verlegung in eine Strafkolonie, in der die Haftbedingungen nicht so schlecht wie in SIZO-1 sind. Wie viele seiner Mitangeklagten hatte Sergei Kaziev angegeben, dass man ihn während der Ermittlungen gefoltert und anderweitig misshandelt habe, um ein «Geständnis» von ihm zu erzwingen. In Haft erkrankte er an einer Zirrhose und an Diabetes. Nachdem seine Rechtsbeistände wiederholt Anträge eingereicht hatten und andere Häftlinge ihre Unterstützung mit einem Hungerstreik zum Ausdruck gebracht hatten, wurde Sergei Kaziev 2011 aus der Haft entlassen und unter Hausarrest gestellt. Trotz seines schlechten Gesundheitszustands wurde er schliesslich zu 14 Jahren und 6 Monaten Haft verurteilt und unmittelbar nach der Urteilsverkündung ins Gefängnis gebracht.
In zahlreichen internationalen Abkommen sind Standards hinsichtlich der medizinischen Versorgung von Gefangenen festgelegt. In den UN-Mindestgrundsätzen für die Behandlung von Gefangenen ist festgelegt, dass kranke Gefangene, die fachärztlicher Behandlung bedürfen, in darauf spezialisierte Vollzugsanstalten oder in öffentliche Krankenhäuser einzuliefern sind (22 (2)).
Die Bedeutung medizinischer Versorgung in Hafteinrichtungen wird ausserdem im UN-Grundsatzkatalog für den Schutz aller irgendeiner Form von Haft oder Strafgefangenschaft unterworfenen Personen bekräftigt. In Grundsatz 24 ist festgelegt, dass jeder Inhaftierte oder Gefangene nach Bedarf unentgeltlich ärztlich betreut und behandelt werden muss. Noch ausführlichere Kriterien wurden im dritten allgemeinen Bericht vom Europäischen Komitee zur Verhütung von Folter, insbesondere in Absatz 38, entwickelt. Darin heisst es, dass medizinische Behandlung und Betreuung im Rahmen von Gesundheitsleistungen in Gefängnissen unter ähnlichen Bedingungen zur Verfügung gestellt werden sollte, wie sie Personen ausserhalb von Hafteinrichtungen in Anspruch nehmen können.
In Absatz 40.5. der Europäischen Strafvollzugsgrundsätze des Europarates ist Folgendes festgelegt: «Zu diesem Zweck müssen den Gefangenen alle erforderlichen ärztlichen, chirurgischen und psychiatrischen Einrichtungen auch ausserhalb der Anstalt zur Verfügung gestellt werden.» Zudem heisst es in Absatz 46.1: «Kranke Gefangene, die fachärztlicher Behandlung bedürfen, sind in entsprechend spezialisierte Vollzugseinrichtungen oder in öffentliche Krankenhäuser zu verlegen, soweit die Behandlung im Vollzug nicht möglich ist.» Die russischen Rechtsvorschriften enthalten eine Reihe von Verordnungen, in denen Standards für die medizinische Gesundheitsversorgung von Gefangenen sowie Fälle, in denen Haftstrafen aufgrund gesundheitlicher Probleme eines oder einer Gefangenen durch andere Massnahmen ersetzt werden können, beschrieben werden.
Die Verweigerung medizinischer Versorgung könnte als Folter oder anderweitige Misshandlung betrachtet werden.