Sudanesischer Aktivist festgenommen, riskiert Ausweisung
Der sudanesische Staatsbürger Waleed Al Hussein befindet sich seit dem 23. Juli ohne Anklage in Saudi-Arabien in Haft. Zuvor war auf seiner Webseite die sudanesische Regierung kritisiert worden. Waleed Al Hussein könnte in den Sudan ausgewiesen werden, wo ihm Folter und andere Misshandlungen drohen. Er ist ein gewaltloser politischer Gefangener.
Der sudanesische Staatsbürger Waleed Al Dood Al Makki Al Hussein wurde am 23. Juli in der saudischen Stadt al-Khobar in der Östlichen Provinz festgenommen. Er ist Begründer der sudanesischen Nachrichtenseite Al Rakoba, auf der über politische, soziale und wirtschaftliche Themen, wie beispielsweise Korruption in der Regierung, berichtet wird.
Nach Angaben seiner Familie suchten am 23. Juli gegen 15.30 Uhr Ortszeit sieben Angehörige des Geheimdiensts des Innenministeriums (General Directorate of Investigations – GDI, auch als al-Mabahith bekannt), eine Frau, fünf Männer in Zivil sowie ein uniformierter Mann, das Haus von Waleed Al Hussein auf. Sie legten keinen Durchsuchungsbefehl vor, durchsuchten aber das Haus und beschlagnahmten den Laptop, Tablets und Handys der Familie sowie den Reisepass von Waleed Al Hussein. Der Aktivist wurde festgenommen und zunächst in das GDI-Büro in al-Khobar gebracht. Später verlegte man ihn in das Gefängnis des GDI in Dammam.
Waleed Al Hussein befindet sich derzeit ohne Anklage in Einzelhaft im Gefängnis von Dammam, wo er zu seiner Kritik an der sudanesischen Regierung sowie seiner Mitwirkung an der Webseite Al Rakoba befragt worden ist. Den Angaben eines Familienmitglieds zufolge, informierten die BefragungsbeamtInnen Waleed Al Hussein darüber, dass er auf Anordnung der sudanesischen Behörden festgenommen worden sei. Er durfte für zehn Minuten Besuch von einem Familienmitglied empfangen und zwei sehr kurze Telefonate führen. Ihm wird der Zugang zu seinem Rechtsbeistand verwehrt.
Waleed Al Hussein hat Anfang September erfahren, dass seine Abschiebungsanordnung unterzeichnet werden würde und er möglicherweise in den Sudan ausgewiesen werden könnte, wo ihm Inhaftierung und Folter drohen.
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
Waleed Al Hussein lebt seit 2000 in Saudi-Arabien. Im Sudan war es ihm aufgrund seiner Rolle als bekannter Aktivist und entschiedener Regierungskritiker nicht möglich, Arbeit zu finden, so ein Familienmitglied.
2000 rief Waleed Al Hussein ein Online-Forum für politische Diskussionen im Sudan ins Leben. Zu dem Zeitpunkt befand er sich bereits in Saudi-Arabien. 2005 gründete er Al Rakoba, die heute zu einer der bekanntesten sudanesischen Nachrichtenseiten zählt. Auf Al Rakoba werden hauptsächlich politische Neuigkeiten aus dem Sudan sowie Beiträge zu sozialen und wirtschaftlichen Themen in dem Land veröffentlicht Die Informationen dazu stammen aus unterschiedlichen Quellen, darunter auch die sudanesische Regierung. In vielen dieser Artikel wird die Regierungspolitik kritisiert und einige der Beiträge waren zuvor in sudanesischen Zeitungen von den Geheimdiensten der Regierung zensiert worden.
Seitdem Waleed Al Hussein in Saudi-Arabien lebt, hat er den Sudan erst einmal besucht. 2008 war er zurückgekehrt, um seine Heiratsurkunde zu unterzeichnen. An seiner eigenen Hochzeit konnte er jedoch nicht teilnehmen, da er aus Angst vor einer Festnahme das Land vorzeitig wieder verlassen musste.
Während der Wahlen in den Jahren 2010 und 2015 im Sudan, wurde die Regierung auf Al Rakoba besonders heftig kritisiert. Die BetreiberInnen dokumentierten und veröffentlichten Informationen zu Korruption im Wahlsystem und in der Regierung. Seitdem werden Waleed Al Hussein und seine Familie in anonymen Kommentaren auf der Webseite direkt bedroht.
Waleed Al Hussein ist verheiratet und Vater von zwei Kindern im Alter von sechs und drei Jahren sowie einem drei Wochen alten Baby. Das dritte Kind kam während seiner Inhaftierung auf die Welt. Trotz Bitten der Ehefrau an die Gefängnisbehörden durfte Waleed Al Hussein das Gefängnis für die Dauer der Geburt nicht verlassen. Seine Ehefrau konnte ohne die Anwesenheit ihres Ehegatten die Geburt nicht offiziell registrieren und hat keine Ausweispapiere für das Neugeborene erhalten.
Amnesty International erhält seit den sudanesischen Parlamentswahlen im April 2015 zahlreiche Berichte über das verstärkte Vorgehen von Angehörigen des sudanesischen Geheimdienstes NISS (National Intelligence Security Service) gegen Aktivitäten von oppositionellen Gruppierungen und der Zivilgesellschaft. Am 6. Juli wurden drei Mitglieder der oppositionellen sudanesischen Kongresspartei (Sudanese Congress Party – SCP), unter ihnen auch Mastour Ahmed Mohamed, politischer Sekretär der SCP, von einem Gericht in der Hauptstadt Karthoum gemäss § 69 des sudanesischen Strafgesetzes von 1991 wegen «Störung des öffentlichen Friedens» zu jeweils 20 Peitschenhieben verurteilt. Die Anklagen standen im Zusammenhang mit Reden, die die Verurteilten bei einer öffentlichen Veranstaltung gehalten hatten. Alleine im August wurden mehr als ein Dutzend politischer AktivistInnen festgenommen, sieben weitere befinden sich seit September in Haft. Der NISS verfügt über weitreichende Festnahme- und Inhaftierungsbefugnisse unter dem Nationalen Sicherheitsgesetz aus dem Jahr 2010, dessen Bestimmungen die Inhaftierung von Verdächtigen für einen Zeitraum von bis zu viereinhalb Monaten vorsehen, ohne dass eine richterliche Überprüfung stattfinden muss. Diese Befugnisse werden von dem Geheimdienst oft dazu missbraucht, Personen willkürlich festzunehmen bzw. zu inhaftieren. Zudem gibt es zahlreiche Berichte über Folterungen und anderweitige Misshandlungen von Menschen, die sich im Gewahrsam des NISS befinden.