Vergewaltigungen angeordnet
Am 30. Juli ordnete ein nicht gewählter, rein männlicher Dorfrat in Baghpat im indischen Bundesstaat Uttar Pradesh die Vergewaltigung einer Frau, die der Kaste der Dalit angehört, und ihrer Schwester im Teenageralter an. Zudem sollen die Frauen unbekleidet vorgeführt werden. Die Schwestern sind zusammen mit ihrer Familie aus dem Dorf geflohen und befinden sich derzeit in Delhi.
Am 24. Mai 2015 sind die 23-jährige Meenakshi Kumari und ihre 15 Jahre alte Schwester aus ihrem Heimatdorf im Bezirk Bahgpat in Nordindien geflohen. Sie fürchteten Gewalt, nachdem ihr Bruder mit einer verheirateten Frau, deren Familie der Gruppe der Jat (dominante Kaste) angehört, weggelaufen war. Am 30. Mai wurde ihr Haus in dem Dorf durchsucht. Am 30. Juli ordneten die Mitglieder eines khap panchayat, eines traditionellen, nicht gewählten, rein männlichen Dorfrates, die Vergewaltigung von Meenakshi Kumari und ihrer Schwester als Strafe für das Verhalten ihres Bruders an. Ausserdem sollen die Mädchen unbekleidet mit schwarz bemalten Gesichtern vorgeführt werden.
Die Familie fürchtet weiter um ihre Sicherheit. Sumit Kumar, ein anderer Bruder, sagte: «Im panchayat ist die Entscheidung der Jat endgültig. Sie hören uns nicht zu. Die Polizei hört uns nicht zu. Die Polizei hat gesagt, dass jetzt jeder getötet werden könnte.»
Am 5. August reichte Meenakshi Kumari vor dem Obersten Gerichtshof einen Antrag ein und bat um Schutz für ihre Familie, damit diese in ihr Heimatdorf zurückkehren könne. Die Familie gab zudem an, um die Sicherheit der Jat-Frau, die mit ihrem Bruder weggelaufen war, besorgt zu sein. Nach eigenen Angaben erwartet die Frau ein Kind vom Bruder von Meenakshi Kumari. Der Vater der beiden von Vergewaltigung bedrohten Frauen hat bei der Nationalen Menschenrechtskommission und der Nationalen Kommission für Registrierte Kasten wegen Drangsalierungen durch die Polizei und die Familie der dominanten Kaste Beschwerde eingelegt.
Am 18. August wies der Oberste Gerichtshof die Behörden in Uttar Pradesh an, bis zum 15. September auf den Antrag zu reagieren. «Seit wir beim Obersten Gerichtshof waren, sind die Bewohnerinnen und Bewohner des Dorfes noch aggressiver», so Sumit Kumar.
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
Nicht gewählte Dorfräte oder khap panchayats sind in einigen Teilen Indiens weit verbreitet. Sie setzen sich normalerweise aus älteren Männern zusammen, die dominanten Kasten angehören und Regeln für Verhalten und den Umgang in Dörfern vorschreiben. Sie sind dafür bekannt, sexuell gewalttätige Strafen gegen Frauen anzuordnen. 2011 bezeichnete der Oberste Gerichtshof von Indien im Fall Arumugam Servai gegen den Bundesstaat Tamil Nadu diese panchayats als «Scheingerichte». Ihre Anordnungen seien rechtswidrig. In einigen Bundesstaaten in Indien agieren diese Räte jedoch noch immer und ihre Anweisungen werden weiterhin ausgeführt. Im April 2014 brachte die UN-Sonderberichterstatterin über Gewalt gegen Frauen ihre Sorge über den andauernden Einfluss von khap panchayats zum Ausdruck.