Gemeindesprecher getötet
Genaro García, der Sprecher des Gemeinderates der afro-kolumbianischen Gemeinschaft in Alto Mira y Frontera im Verwaltungsbezirk Tumaco im Süden Kolumbiens, wurde am 3. August getötet. Er hatte zuvor Drohungen erhalten und stand unter Personenschutz. Weitere Menschen könnten sich in Gefahr befinden.
Genaro García war Sprecher des Gemeinderates der afro-kolumbianischen Gemeinschaft von Alto Mira y Frontera. Die Gemeinschaft lebt in einer Gegend, in der die Guerillagruppe Revolutionäre Streitkräfte von Kolumbien (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia – FARC) aktiv ist. Am 3. August wurde Genaro García von der FARC dazu gedrängt, an einem Treffen mit Mitgliedern der Guerillagruppe teilzunehmen. Als er im Auto auf einer Landstrasse im Verwaltungsbezirk Tumaco im Departamento Nariño unterwegs war, hielt ihn eine Gruppe bewaffneter Männer an und zwang ihn sowie weitere MitfahrerInnen auszusteigen. Daraufhin kamen zwei Männer auf einem Motorrad angefahren. Einer dieser Männer erschoss Genaro García.
Die FARC hatte Genaro García im Oktober 2014 mit dem Tod gedroht, sollte er seiner aktiven Tätigkeit als Sprecher des Gemeinderates von Alto Mira y Frontera weiter nachgehen. Bereits im Jahr 2008 waren zwei SprecherInnen des Gemeindesrates umgebracht worden, woraufhin viele Angehörige der Gemeinschaft aus der Gegend geflohen waren.
Der Gemeinderat der afro-kolumbianischen Gemeinschaft von Alto Mira y Frontera hat seit 2012 im Rahmen des Landrückgabeprozesses versucht, kollektive Landtitel und die Umsetzung ihrer territorialen Rechte zu erlangen. Im Februar 2013 wurde die Nationale Einheit zum Personenschutz (Unidad Nacional de Protección – UNP) per richterlichen Beschluss im Zusammenhang mit der Landrückgabe dazu aufgefordert, dringend einen Plan für Schutzmassnahmen für die SprecherInnen und Mitglieder des Gemeinderates von Alto Mira y Frontera zu erarbeiten und umzusetzen. Das Verfassungsgericht hatte gemäss der Gerichtsbeschlüsse (Autos) 005 aus dem Jahr 2009 und 073 aus dem Jahr 2014 ebenfalls Schutz für die Gemeinschaft angeordnet.
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
Indigene, afro-kolumbianische und kleinbäuerliche Gemeinschaften sowie MenschenrechtsverteidigerInnen sind nach wie vor diejenigen, die am stärksten unter dem anhaltenden bewaffneten Konflikt in Kolumbien zu leiden haben. Alle Konfliktparteien – zum einen die kolumbianischen Streitkräfte, die entweder allein oder im Einvernehmen mit den Paramilitärs agieren, zum anderen die verschiedenen Guerillagruppen – begehen Menschenrechtsverstösse und Verstösse gegen das humanitäre Völkerrecht. Hierzu zählen Tötungen sowie Verschwindenlassen und Verschleppung, Folter, Vertreibung und Sexualstraftaten.
Sicherheitskräfte und Paramilitärs bezeichnen Mitglieder von Menschenrechtsorganisationen und Gewerkschaften häufig als KollaborateurInnen oder UnterstützerInnen von Guerillagruppen. In der Folge werden diese oftmals bedroht, entführt oder getötet. Zahlreiche MenschenrechtsverteidigerInnen, unter ihnen auch SprecherInnen von Gemeinschaften, sind bereits als SympathisantInnen der Guerilla bezeichnet und dann getötet worden. Auch Guerillagruppen bedrohen und töten immer wieder MenschenrechtsverteidigerInnen, darunter SprecherInnen afro-kolumbianischer, indigener und kleinbäuerlicher Gemeinschaften.
VertreterInnen vertriebener Gemeinden und Menschen, die sich für die Rückgabe vereinnahmter Grundstücke einsetzen, werden immer wieder bedroht oder getötet, vor allem seit Inkrafttreten des Gesetzes über die Landrückgabe und Entschädigung von Opfern sowie der entsprechenden Gesetzesverordnungen, die 2011 erlassen wurden und Anfang 2012 in Kraft getreten sind. Dieses Gesetz erkennt den bewaffneten Konflikt im Land sowie die Rechte der Opfer dieses Konfliktes an. Es sieht Entschädigungszahlungen für viele Überlebende von Menschenrechtsverstössen vor, worunter auch Verstösse fallen, die in staatlichem Auftrag handelnde Akteure begangen haben. Zum anderen sollen einige der Vertriebenen ihr Land zurückerhalten. Viele Betroffene des Konflikts werden jedoch von Entschädigungsforderungen ausgenommen, und weite Teile des gestohlenen Landes werden möglicherweise nicht an die rechtmässigen EigentümerInnen zurückgegeben.