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Startseite Urgent Actions 2015 07 Juvenile offender near to execution
UA 165/15
Iran
Abgeschlossen am 1. August 2015

Unmittelbar drohende Hinrichtung

AI-Index: MDE 13/2164/2015

Salar Shadizadi ist wegen eines Mordes zum Tode verurteilt worden, den er mit 15 Jahren begangen haben soll. Er soll am 1. August hingerichtet werden.

Salar Shadizadi wurde im Februar 2007 unter dem Vorwurf, einen seiner Freunde ermordet zu haben, festgenommen. Im Dezember 2007 verurteilte ihn die Abteilung 11 des Berufungsgerichts für Strafsachen in der nördlichen Provinz Gilan auf Grundlage des islamischen Prinzips «Qesas» (Vergeltung) zum Tode. Drei Monate später bestätigte die Abteilung 37 des Obersten Gerichtshofs sein Todesurteil. Nach mehreren Jahren im Todestrakt wurde Salar Shadizadi am 7. Juli 2013 in Vorbereitung auf seine Hinrichtung in Einzelhaft verlegt. Die Behörden gewährten jedoch in letzter Minute einen Hinrichtungsaufschub und erlaubten Salar Shadizadi auf Grundlage von Paragraf 91 des iranischen Strafgesetzbuchs von 2013, eine gerichtliche Überprüfung seines Falls zu beantragen. Laut Paragraf 91 haben RichterInnen die Möglichkeit, sich gegen die Todesstrafe zu entscheiden, wenn sie der Überzeugung sind, dass sich ein jugendlicher Straftäter oder eine jugendliche Straftäterin der Art und Folgen einer Straftat nicht bewusst war oder wenn Zweifel hinsichtlich der «geistigen Entwicklung und Reife» der Person bestehen.

Ende 2013 gab die Abteilung 13 des Obersten Gerichtshofs dem Antrag statt und übermittelte den Fall von Salar Shadizadi zur Überprüfung seiner geistigen Reife zum Zeitpunkt der ihm vorgeworfenen Straftat zurück an das erstinstanzliche Gericht. Das Gericht überwies ihn für eine psychologische Untersuchung an die Iranische Rechtsmedizinische Organisation. Diese erklärte, dass «es keine Hinweise gibt, die darauf schliessen lassen, dass Salar Shadizadi zur Tatzeit unzurechnungsfähig war, es jedoch nicht möglich ist, rückwirkend seinen geistigen Entwicklungsstand von vor sieben Jahren zu bewerten». Auf Grundlage dieser Erkenntnisse bestätigte die Abteilung 13 des Obersten Gerichtshofs das Todesurteil gegen Salar Shadizadi. In der Urteilsbegründung erklärt der Gerichtshof, dass «man davon ausgehen muss, dass Kinder mit Erreichen der Volljährigkeit [die bei Jungen mit 15 Jahren und bei Mädchen mit neun Jahren erreicht wird] über die entsprechende geistige Reife verfügen. Um diese Annahme zu wiederlegen, müssen Beweise vorgelegt werden, was in diesem Fall nicht geschehen ist».

HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Salar Shadizadi wurde im Februar 2007 festgenommen, nachdem man im Garten seiner Familie die Leiche eines seiner Freunde gefunden hatte. Man warf ihm vor, dem Opfer tödliche Stichwunden am Hals zugefügt zu haben. Genaue Informationen zum mutmasslichen Tathergang liegen Amnesty International nicht vor.
Als Vertragsstaat des UN-Übereinkommens über die Rechte des Kindes ist der Iran dazu verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die iranische Gesetzgebung Kinder als Personen unter 18 Jahren definiert. Zudem hat der Iran die Pflicht, sich in Gesetz und Praxis an die Richtlinien des Übereinkommens zu halten. Laut des Übereinkommens über die Rechte des Kindes gelten Personen unabhängig von ihrem Geschlecht im Normalfall erst mit Vollendung des 18. Lebensjahrs als volljährig und voll schuldfähig. Ein Mindestalter für die Strafmündigkeit, also das Alter, ab dem Minderjährige festgenommen und einer Straftat angeklagt werden dürfen, wird in dem Übereinkommen nicht festgelegt und variiert je nach Land. Laut Absatz 32 der Allgemeinen Bemerkung Nr. 10 des UN-Ausschusses über die Rechte des Kindes wird ein Mindestalter für die Strafmündigkeit von unter 12 Jahren vom Ausschuss als international nicht annehmbar betrachtet. Staaten werden zudem dazu ermutigt, das Mindestalter der Strafmündigkeit auf wenigstens 12 Jahre anzusetzen und dieses dann zunehmend zu steigern.
Das Strafmündigkeitsalter liegt im Iran noch immer bei neun Mondjahren für Mädchen und bei 15 Mondjahren für Jungen. Ist dieses Alter erreicht, werden Minderjährige in Fällen von «Hodoud» (Straftaten gegen Gott, die gemäss der Scharia unabänderliche Strafen nach sich ziehen) und «Qesas» (Vergeltung gleicher Art im Zusammenhang mit einer Straftat) wie Erwachsene verurteilt und bestraft. Seit der Verabschiedung des neuen Strafgesetzbuchs im Mai 2013 haben RichterInnen jedoch die Möglichkeit, sich gegen die Todesstrafe zu entscheiden, wenn sie der Überzeugung sind, dass sich ein jugendlicher Straftäter oder eine jugendliche Straftäterin der Art und Folgen einer Straftat nicht bewusst war oder wenn Zweifel hinsichtlich der «geistigen Entwicklung und Reife» der Person bestehen.
Zwischen Mai 2013 und Januar 2015 haben einige Abteilungen des Obersten Gerichtshofs im Iran den Anträgen von jugendlichen StraftäterInnen auf eine Überprüfung ihrer Fälle auf Grundlage des überarbeiteten Strafgesetzbuchs stattgegeben und ihre Fälle an die erstinstanzlichen Gerichte zurückverwiesen. Andere Abteilungen weigern sich jedoch, zu akzeptieren, dass das überarbeitete Strafgesetzbuch wirksame Gründe für eine gerichtliche Überprüfung oder eine Neuverhandlung liefert. Aufgrund dieser Widersprüchlichkeiten haben sich einige Rechtsbeistände 2014 an den Obersten Gerichtshof gewandt, um ein «Piloturteil» zu erwirken. Der Oberste Gerichtshof entschied am 2. Dezember 2014, dass alle Personen, die sich gegenwärtig wegen Straftaten im Todestrakt befinden, die sie im Alter von unter 18 Jahren begangen haben sollen, einen Antrag auf Überprüfung einreichen können, damit bei einer Neuverhandlung ihre «geistige Entwicklung» zur Zeit der ihnen vorgeworfenen Straftaten erörtert wird.
Es wird davon ausgegangen, dass im Iran zwischen 2005 und 2014 mindestens 72 jugendliche StraftäterInnen hingerichtet wurden, mindestens 160 sollen sich derzeit in den Todestrakten der iranischen Gefängnisse befinden.

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