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Startseite Urgent Actions 2015 07 Activists tortured for alleged «flag-burning»
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Iran
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Geständnisse von Aktivisten durch Folter erzwungen

AI-Index: MDE 13/2110/2015

Zwei Aktivisten, die sich für die Rechte der aserbaidschanisch-türkischen Minderheit im Iran einsetzen, wurden zu zehn Jahren Haft verurteilt. Ihnen wird vorgeworfen die Flagge der Islamischen Republik Iran «verbrannt» zu haben. Amnesty International befürchtet, dass die Urteile ungerechtfertigt und politisch motiviert sind und die «Geständnisse» durch Folter erzwungen wurden.

Der 31-jährige Hossein Ali Mohammadi und der 26-jährige Taha Kermani wurden am 12. Mai von der Abteilung 3 des Revolutionsgerichts in Täbris, einer Stadt im Nordwesten des Landes in der Provinz Ost-Aserbaidschan, zu jeweils zehn Jahren Haft verurteilt. Das Gericht befand sie der «Beleidigung islamischer Heiligkeiten» sowie «des Vandalismus öffentlichen Eigentums mit der Absicht, gegen die islamische Ordnung aufzubegehren» für schuldig. Beide Anklagen beruhten auf Anschuldigungen, wonach die beiden Aktivisten im Oktober 2013 eine Flagge der Islamischen Republik zerstört haben, die auf dem Seitenstreifen einer Schnellstrasse in Täbris gemalt war. Hossein Ali Mohammadi und Taha Kermani wurden der religiösen Beleidigung angeklagt, da die iranische Flagge den Schriftzug «Gott ist gross» (Allahu Akbar) trägt. Es ist allerdings nicht sicher, ob die betreffende Flagge diese Worte enthielt. Der Vorwurf der Absicht, gegen die islamische Ordnung aufzubegehren, wurde aufrechterhalten, da laut Gericht «die Flagge ein wichtiges und heiliges Zeichen für jedes Land und Respekt dafür gleichbedeutend mit dem Respekt für das Land selbst» sei. Beide Aktivisten wiesen die Vorwürfe zurück.

Die beiden Männer wurden am 4. November 2013 von Angehörigen des Geheimdienstes festgenommen und zu einer Hafteinrichtung des Geheimdienstministeriums in Täbris gebracht. Dort wurden sie ohne Kontakt zur Aussenwelt festgehalten und 42 Tage lang ohne Zugang zu einem Rechtsbeistand verhört. Taha Kermani erzählte Amnesty International, dass sie regelmässig von Angehörigen des Geheimdienstministeriums unter anderem mit Gürteln geschlagen wurden. Ausserdem mussten sie die Verhörenden in hockender Position auf ihren Schultern tragen, was zu schlimmen Rückenschmerzen bei den Aktivisten führte. Während ihres Verfahrens wollten die Aktivisten ihre Aussagen zurückziehen, da sie unter Folter entstanden waren. Der Richter drohte ihnen damit «sie dorthin zurückzuschicken, wo sie herkamen, wenn sie das, was sie in den Vernehmungen gesagt hatten, zurückziehen». Vor der Abteilung 7 des Berufungsgerichts in der Provinz Ost-Aserbaidschan wurden Rechtsmittel eingelegt.

Hossein Ali Mohammadi befindet sich derzeit im Zentralgefängnis von Täbris. Taha Kermani ist aus dem Land geflohen. Er steht jedoch unter grossem Druck zurückzukehren, da die Regierung seine Familie zum Verkauf ihres Hauses angewiesen hat, das sie als Kaution hinterlegt hatte. Die Familie von Taha Kermani würde dadurch obdachlos.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Amnesty International liegen Informationen vor, wonach Taha Kermani und Ali Mohammadi jedes Mal, wenn sie vor einer Gerichtsbehörde erschienen, sowohl mündlich als auch schriftlich angaben, dass sie zur Erzwingung ihrer «Geständnisse» gefoltert worden waren. Auf ihre Beschwerden folgten allerdings weitere Beleidigungen und Drohungen. Der für den Fall zuständige Justizbeamte der Abteilung für Cyberkriminalität der Staatsanwaltschaft sagte ihnen: «Sie werden vor Gericht für ihre grosse Klappe bezahlen.» Weiter sagte er: «Angehörige des Geheimdienstes sind vertrauenswürdig und es gibt keinen Grund für eine gerichtliche Aufsicht.» Der Vernehmungsbeamte des Geheimdienstministeriums, der Taha Kermani verhörte, drohte ihm: «Wir werden eine Strafe gegen dich verhängen, die allen aserbaidschanischen Aktivisten eine Lehre sein wird.»
Die Geständnisse von Hossein Ali Mohammadi und Taha Kermani wurden nicht nur genutzt, um eine zehnjährige Haftstrafe gegen sie zu verhängen, sondern auch, um eine dreijährige Haftstrafe gegen sie zu rechtfertigen, die in einem gesonderten Verfahren im Juni 2014 verhängt worden war. Dabei wurden sie der «Beleidigung des Religionsführers» sowie der «Verbreitung von Propaganda gegen das System» beschuldigt. Dies steht anscheinend im Zusammenhang mit ihrer angeblichen Kooperation mit der Zeitschrift Susma (Nicht schweigen), die ohne Lizenz betrieben wird, sowie dem Blog Susuz Göl (Durstiger See), auf dem über Beschwerden der aserbaidschanisch-türkischen Minderheit berichtet wurde, darunter das Austrocknen des Urmiasees.
In der Urteilsbegründung des zweiten Urteils kehrte das Revolutionsgericht in Täbris die Unschuldsvermutung um und gab an, dass «die Beschuldigten und ihr Rechtsbeistand es versäumt haben, die notwendigen Dokumente vorzulegen, mit denen sie ihre Unschuld in den gegen sie erhobenen Vorwürfen hätten beweisen können». Die Abteilung 6 des Berufungsgerichts in der Provinz Ost-Aserbaidschan bestätigte das Urteil im März 2015. Der Richter im Berufungsverfahren soll  zu Taha Kermani gesagt haben: «Ich bearbeite einen Fall nicht neu, der den Stempel des Geheimdienstministeriums trägt. Ich bestätige ihn einfach nur.»
Hossein Ali Mohammadi und Taha Kermani hatten während der 42 Tage, die sie in Einzelhaft in einer Haftanstalt des Geheimdienstministeriums in Täbris verbrachten, weder Kontakt zu ihren Familien noch Zugang zu ihrem Rechtsbeistand. Taha Kermani sagte gegenüber Amnesty International, dass er während der ersten Tage «in einer Zelle, die nicht viel länger als ein Grab war» festgehalten wurde. Dort wurde ihm lediglich eine Schüssel zum Urinieren gegeben. Taha Kermani wurde in dieser Zeit von Angehörigen des Geheimdienstministeriums beschimpft, geschlagen und beleidigt.
Die beiden Männer wurden am 15. Dezember 2013 in das Zentralgefängnis von Täbris gebracht. Dort wurden sie weitere viereinhalb Monate festgehalten und nicht über die Details der Anklage gegen sie informiert. Ausserdem wurde ihnen nicht die Möglichkeit gegeben, Kaution zu hinterlegen. Ursprünglich waren sie im Trakt 3 des Gefängnisses inhaftiert. Dort sollen Angaben zufolge 700 bis 800 Menschen, darunter psychisch Kranke, Drogenabhängige und verurteilte Vergewaltiger, in nur drei Räumen untergebracht sein, die kaum belüftet und von Ungeziefer verseucht sind. Den Gefangenen stehen nur zehn Toiletten zur Verfügung. Platz zum Schlafen ist dort so knapp, dass Häftlinge überall dort schlafen müssen, wo sie nur können, selbst am Eingang zu den Toiletten.
Die iranischen Behörden unterdrücken seit langem AktivistInnen für die Rechte von Minderheiten im Iran, darunter die iranisch-aserbaidschanischen TürkInnen, die mehr kulturelle und sprachliche Rechte fordern, wie beispielsweise das Recht in der aserbaidschanischen Sprache zu studieren. In den vergangenen Jahren haben AktivistInnen in verschiedenen Städten im Nordwesten des Landes mehrere Male friedlich demonstriert und eine Änderung der Regierungspolitik im Hinblick auf den Urmiasee gefordert. Dabei handelt es sich um das grösste Binnengewässer im Nahen Osten, das dramatisch schrumpft.

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