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Startseite Urgent Actions 2015 07 Deep sea residents at risk of forced eviction
UA 153/15
Kenia
Abgeschlossen am 19. August 2015

Drohende Zwangsräumung

AI-Index: AFR 32/2054/2015

Tausende BewohnerInnen der informellen Siedlung Deep Sea in Nairobi sind unmittelbar von Zwangsräumung bedroht. Sie haben von der Strassenbaubehörde KURA die Anordnung erhalten, bis zum 8. Juli ihre Häuser zu räumen.

Etwa 3.000 BewohnerInnen der informellen Siedlung Deep Sea in Nairobi droht unmittelbar die rechtswidrige Zwangsräumung. Grund ist ein Strassenbauprojekt der kenianischen Strassenbaubehörde (Kenya Urban Roads Authority – KURA) namens Missing Link, welches von der Europäischen Union und der kenianischen Regierung finanziert wird. Die AnwohnerInnen wenden sich weder gegen den Bau der Strasse, noch weigern sie sich umzuziehen. Sie fordern lediglich von KURA, ihr Recht auf angemessenes Wohnen zu respektieren und dafür zu sorgen, dass die Räumung internationalen Menschenrechtsstandards entspricht. KURA hat die BewohnerInnen nicht in angemessener Form hinsichtlich alternativer Unterbringung konsultiert. Stattdessen hat die Strassenbaubehörde den Betroffenen eine nicht angemessene „Entschädigung” in Aussicht gestellt.

Bei einer Räumung würden die BewohnerInnen, die auf dem für den Strassenbau ausgewiesenen Gelände ein Geschäft betreiben, und solche, die in den angrenzenden Gemeinden arbeiten, möglicherweise ihrer Lebensgrundlage beraubt. Auch die Schulbildung von 300 Kindern, die in der Siedlung leben, würde beeinträchtigt werden. Zudem sollen fünf der acht Sanitäreinrichtungen der Gemeinschaft in Mitleidenschaft gezogen werden.

Die BewohnerInnen von Deep Sea haben den Versuch unternommen, eine einstweilige Verfügung gegen die Zwangsräumung zu erwirken, dies wurde jedoch von der zuständigen Abteilung des Hohen Gerichts abgewiesen. Am 7. Juli trafen sich VertreterInnen von Amnesty International mit Angehörigen der Strassenbaubehörde KURA, um den Bedenken um fehlende Verfahrensgarantieren erneut Ausdruck zu verleihen. KURA sicherte daraufhin zu, sich mit VertreterInnen der Siedlung zu treffen. Dieses Treffen fand am 8. Juli statt. KURA soll von den BewohnerInnen als Voraussetzung für jedwede Verhandlungen verlangt haben, ihren Antrag vor Gericht zurückzuziehen. Die Strassenbaubehörde erklärte zudem, dass die Frist zur Räumung der Häuser am 8. Juli auslaufe und die Behörde nach wie vor beabsichtige, die Räumung vorzunehmen. Amnesty International würde die Zwangsräumung als rechtswidrig betrachten, wenn die Bedenken der Organisation und der BewohnerInnen von Deep Sea um fehlende Verfahrensgarantieren nicht ausgeräumt werden. Rechtswidrige Zwangsräumungen verletzen die Menschenrechte der Betroffen, so z. B. die Rechte auf Wohnen, Wasser, Sanitärversorgung, Bildung und Gesundheit.

Hintergrundinformationen

Deep Sea ist eine informelle Siedlung in Nairobi mit fast 12.000 EinwohnerInnen. Sie ist eine relativ sichere Siedlung und fungiert als Sprungbrett für Menschen, die ihre wirtschaftliche Lage langsam verbessern und ihre Familie versorgen möchten. Seit 2009 ist die Gemeinschaft bereits von Zwangsräumung bedroht. Damals erfuhr sie zum ersten Mal von dem geplanten Strassenbauprojekt namens Missing Link, das die kenianische Strassenbaubehörde (Kenya Urban Roads Authority – KURA) mit Finanzhilfen der Europäischen Union und der kenianischen Regierung realisieren möchte. Die Strasse würde durch das wirtschaftliche Zentrum und die Hauptstrasse von Deep Sea führen und ein Viertel der dortigen Bevölkerung betreffen. KURA traf sich am 27. Juni 2015 mit BewohnerInnen der Siedlung, um sie darüber zu informieren, dass sie bis zum 8. Juli Zeit haben, ihre Häuser zu räumen. Die Betroffenen wurden von der Ausarbeitung des Umsiedlungsplans ausgeschlossen und bei der Festlegung der „Entschädigung“ nicht konsultiert. Die von KURA angebotene „Entschädigung“ basiert in keiner Weise auf einer Bewertung der Räumungsauswirkungen auf einige marginalisierte Sektoren in der Siedlung und ist kein angemessener Verlustausgleich für die Betroffenen. Auch können sie sich davon keine angemessenen alternativen Unterkünfte in einer sicheren Umgebung mit grundlegenden Diensten wie Wasser und Sanitärversorgung leisten. Die BewohnerInnen von Deep Sea wissen wenig darüber, wie und wann Beschwerden von EinwohnerInnen bearbeitet werden und welche Art von Rechtsmitteln zur Verfügung steht. Die Strassenbaubehörde KURA hat sich bisher nur unzureichend mit den BewohnerInnen der Siedlung auseinandergesetzt und wird mit diesem Vorgehen nicht den internationalen Menschenrechtsstandards gerecht, die sie als staatliche Stelle in Kenia einhalten muss. Zahlreiche internationale Menschenrechtsverträge wie z. B. der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte sowie die Afrikanische Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker schreiben vor, rechtswidrige Zwangsräumungen zu verhindern und zu unterlassen. Kenia ist Vertragsstaat dieser Abkommen. Der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte betont, dass erst dann auf Räumungen zurückgegriffen werden darf, wenn alle anderen realisierbaren Alternativen ausgeschöpft sind. Selbst wenn eine Zwangsräumung berechtigt erscheint, kann sie nur durchgeführt werden, wenn angemessener verfahrensrechtlicher Schutz vorhanden ist. Dies schliesst auch die Konsultierung der Betroffenen sowie eine angemessene Benachrichtigung über die Räumung mit ein. Zudem müssen angemessene alternative Unterkünfte sowie eine Entschädigung zum Ausgleich aller Verluste zur Verfügung gestellt werden. Bei der Räumung müssen bestimmte verfahrenstechnische Schutzmassnahmen eingehalten werden und die Betroffenen müssen Zugang zu Rechtsmitteln und weiteren Massnahmen wie z. B. Rechtshilfe erhalten. Regierungen sind verpflichtet, dafür zu sorgen, dass im Zuge einer Räumung niemand obdachlos wird oder in anderer Weise Gefahr läuft, in seinen Menschenrechten verletzt zu werden. Die EU ist gemäss dem Völkerrecht verpflichtet, sicherzustellen, dass die von ihr zur Verfügung gestellten Finanzmittel nicht zur Verletzung der Menschenrechte eingesetzt werden. Im Vertrag über die Europäische Union ist festgeschrieben, dass die Europäische Kommission auf internationaler Ebene das Völkerrecht und die Menschenrechte zu achten hat. Der Vertrag über die Arbeitsweise der EU sieht im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit vor, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten diejenigen Verpflichtungen einzuhalten haben, die sie unter dem Dach der UN und anderen relevanten internationalen Organisationen vereinbart haben. Die EU hat es bei diesem Strassenbauprojekt bislang versäumt, die Einhaltung der Menschenrechte auf angemessene Weise sicherzustellen, und muss daher in Zusammenarbeit mit der kenianischen Regierung dringend dafür sorgen, dass keine weiteren Menschenrechtsverletzungen begangen werden.

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