Wegen maoistischer Parolen festgenommen
Im indischen Bundesstaat Tamil Nadu sind am 13. Juni zwei junge Männer festgenommen worden, nachdem sie gegen die Festnahme von fünf Personen protestiert hatten, denen vorgeworfen wurde, einer verbotenen maoistischen Gruppierung anzugehören. Die beiden Männer sind nun unter derselben Anklage inhaftiert und müssen bei einer Verurteilung möglicherweise mit einer lebenslangen Haftstrafe rechnen. Am 26. Juni wurde ihr Antrag auf Freilassung gegen Kaution abgelehnt, sie befinden sich daher nach wie vor in Untersuchungshaft.
Masanamuthu und Nagamanickam wurden am 13. Juni von Angehörigen der Polizei der Stadt Coimbatore festgenommen. Laut Angaben des Polizeikommissars hatten die beiden Männer am 6. Mai die Polizeiwache betreten und «maoistische» Parolen skandiert. Der Vorfall ereignete sich unmittelbar nach der Festnahme von fünf Personen, denen unter anderem vorgeworfen wurde, einer verbotenen maoistischen Gruppierung anzugehören. Masanamuthu und Nagamanickam sollen auf der Polizeiwache gegen die Festnahme protestiert und PolizistInnen in diesem Zusammenhang verbal angegriffen haben. Daraufhin wurden die beiden Männer wegen öffentlicher Äusserung von Obszönitäten, schwerer Einschüchterung («criminal intimidation») sowie gewaltsamer Behinderung von BeamtInnen bei der Ausübung ihrer Tätigkeit festgenommen.
Masanamuthu und Nagamanickam wurden unter anderem auf der Grundlage des wichtigsten Antiterrorgesetzes Indiens, dem Gesetz zur Verhütung rechtswidriger Aktivitäten (Unlawful Activities (Prevention) Act), festgenommen. Ihnen wird vorgeworfen, einer verbotenen Organisation anzugehören. Die Männer bestreiten dies. Der Polizeikommissar erklärte, dass sich der Vorwurf lediglich darauf stütze, dass sie auf der Polizeiwache «maoistische» Parolen skandiert hatten. Die beiden Männer müssen bei einer Verurteilung möglicherweise mit einer lebenslangen Haftstrafe rechnen.
Laut Angaben von MenschenrechtlerInnen in Tamil Nadu setzt die Polizei das Antiterrorgesetz zunehmend ein, um Personen zu drangsalieren und einzuschüchtern, die abweichende Ansichten äussern. Bestimmte Inhalte des Gesetzes verletzen internationale Menschenrechtsstandards. So dürfen Verdächtige z. B. bis zu 180 Tage lang ohne Anklage in Haft gehalten werden, was die Untersuchungshaftdauer unter internationalen Standards weit übersteigt. Darüber hinaus enthält das Gesetz keine angemessenen Schutzmassnahmen gegen Folter und andere Misshandlungen in der Untersuchungshaft.
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
Die Namen der fünf mutmasslichen MaoistInnen, die festgenommen wurden, lauten Roopesh, Shyna, Anup, Easwaran und Kannan. Die Anklagen gegen sie lauten auf kriminelle Verschwörung, Volksverhetzung und Mitgliedschaft in einer terroristischen Bande bzw. Organisation. Ihnen wird vorgeworfen, im Jahr 2007 einen weiteren mutmasslichen Maoisten und dessen Frau unterstützt zu haben.
Teile des Gesetzes zur Verhütung rechtswidriger Aktivitäten (Unlawful Activities (Prevention) Act) entsprechen nicht internationalen Menschenrechtsstandards und könnten in Menschenrechtsverletzungen resultieren. Im Jahr 2008 durchgeführte Gesetzesänderungen erhöhten die Mindesthaftzeit von Tatverdächtigen von 15 auf 30 Tage und setzten die maximale Inhaftierungsdauer von 90 auf 180 Tage hoch. Diese Gesetzesänderungen gewährleisten zudem nicht auf angemessene Weise die vorgerichtlichen Schutzmassnahmen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe von Inhaftierten und sehen für schwere Straftaten in manchen Fällen eine Beweislastumkehr vor, so dass die Angeklagten ihre Unschuld beweisen müssen.