Iraker trotz verbüsster Strafe noch im Gefängnis
Walid Yunis Ahmad befindet sich nach wie vor in der irakischen Region Kurdistan im Gefängnis. Er hätte vor über drei Monaten aus der Haft entlassen werden sollen.
Der Iraker Walid Yunis Ahmad, auch bekannt als Abu Khubeib, hatte bereits im März seine Gefängnisstrafe verbüsst. Dennoch befindet er sich weiterhin in Haft. Bisher haben die Behörden weder ihm noch seiner Familie oder seinen Rechtsbeiständen den Grund für seine fortdauernde Inhaftierung mitgeteilt. Ob neue Anklagen gegen ihn vorliegen, ist ebenfalls unbekannt.
Walid Yunis Ahmad befindet sich in Dohuk in der Region Kurdistan im Irak im Zerka-Gefängnis. Amnesty International bat die kurdische Regionalregierung am 14. Mai in einem Brief um eine Erklärung dafür, dass er auch nach Verbüssen seiner Freiheitsstrafe noch in Haft gehalten wird. Bisher haben sich die Behörden jedoch nicht dazu geäussert. Eine Delegation von Amnesty International sprach 2010 während eines Besuchs der Region Kurdistan mit einem hochrangigen Regierungsvertreter, der sagte, dass zwar keine offiziellen Anklagen gegen Walid Yunis Ahmad vorlägen, er aber dennoch niemals freigelassen werden könne, da man ihn als gefährliche Person betrachte.
Walid Yunis Ahmad wurde am 17. März 2011 zu fünf Jahren Haft verurteilt. Er war für schuldig befunden worden, «im Jahr 2009 aus dem Gefängnis heraus seinen Anhängern in Kirkuk und Mosul Anweisungen und Instruktionen für terroristische Anschläge in Dohuk erteilt zu haben». Walid Yunis Ahmad war im Februar 2000 festgenommen und drei Jahre lang unter Bedingungen festgehalten worden, die dem Verschwindenlassen gleichkommen. Seinen Angaben zufolge wurde er in dieser Zeit wiederholt gefoltert. Über zehn Jahre lang hielt man ihn ohne Anklage oder Gerichtsverfahren in Haft. 2010 wurde erstmals Anklage gegen Walid Yunis Ahmad erhoben. Bei der schliesslich verhängten Haftstrafe berücksichtigte das Gericht lediglich die Zeit, die Walid Yunis Ahmad in Untersuchungshaft verbracht hatte, nachdem im Februar 2010 eine Untersuchung eingeleitet worden war. Die zehn Jahre, die er ohne Anklage in Haft verbracht hatte, blieben jedoch unberücksichtigt.
Amnesty International ist der Ansicht, dass die Anklage gegen Walid Yunis Ahmad, auf deren Grundlage er verurteilt wurde, konstruiert war und er 2011 in einem unfairen Verfahren verurteilt wurde. Die Vorwürfe gegen ihn stützten sich auf Informationen, die dem Gericht durch anonyme «GeheiminformantInnen» zugespielt worden sein sollen. Diese «GeheiminformantInnen» erschienen nicht für eine Zeugenaussage vor Gericht, sodass es dem Rechtsbeistand von Walid Yunis Ahmad nicht möglich war, sie zu befragen. Den Beweis dafür, dass Walid Yunis Ahmad tatsächlich aus dem Gefängnis heraus Briefe verschickt hat, sind die Behörden bislang schuldig geblieben.
Hintergrundinformationen
Walid Yunis Ahmad war am 6. Februar 2000 in Erbil, dem Sitz der kurdischen Regionalregierung im Irak, vom kurdischen Inlandsgeheimdienst Asayish festgenommen worden. In den darauffolgenden drei Jahren hatte man seine Familie über seinen Aufenthaltsort völlig im Ungewissen gelassen. Seine Angehörigen wussten nicht einmal, ob er überhaupt noch lebte.
In der Zeit seines Verschwindenlassens ist Walid Yunis Ahmad seinen Angaben zufolge gefoltert worden. Nachdem er aus Protest gegen seine Inhaftierung und die an ihm verübte Folter in den Hungerstreik getreten war, wurde er in Einzelhaft gehalten und später ohne Angabe von Gründen von einem Gefängnis ins nächste verlegt. Derzeit befindet er sich in Dohuk (Region Kurdistan) im Zerka-Gefängnis in Haft.
Walid Yunis Ahmad gehört der turkmenischen Minderheit im Irak an. Vor seiner Festnahme war er für einen örtlichen Rundfunk- und Fernsehsender als Übersetzer tätig. Der Sender steht offenbar der Islamischen Bewegung in Kurdistan nahe, einer islamistischen Oppositionspartei. Kurz vor seiner Festnahme hatte Walid Yunis Ahmad an einem Treffen der Partei teilgenommen. Nach Ende der Veranstaltung nahm ihn jemand in seinem Auto mit, das von der Polizei angehalten und durchsucht wurde. Dem Vernehmen nach entdeckten die PolizistInnen in dem Fahrzeug Sprengstoff. Sie nahmen Walid Yunis Ahmad fest, obwohl er beteuerte, von dem Sprengstoff nichts gewusst zu haben. Auch der Fahrer des Wagens wurde festgenommen, kam jedoch nach drei Monaten wieder frei.
Eine Delegation von Amnesty International konnte im Juni 2010 während eines Besuchs im Gefängnis mit Walid Yunis Ahmad sprechen.
Amnesty International setzt sich seit über fünf Jahren für Walid Yunis Ahmad ein, unter anderem im Rahmen des Briefmarathons und mit einer Urgent Action im Jahr 2011 (siehe UA-070/2011, online unter: http://www.amnesty.de/urgent-action/ua-070-2011/unfairer-prozess).