Friedliche Aktivisten festgenommen und angeklagt
In Indonesien sind sieben Männer aufgrund ihrer friedlichen politischen Aktivitäten für die Unabhängigkeit Papuas festgenommen worden. Gegen sie wurde Anklage wegen «Volksverhetzung» erhoben. Die Aktivisten könnten zu Gefängnisstrafen von bis zu sechs Jahren verurteilt werden. Drei der Männer gaben an, dass man sie in der Haft geschlagen und ihnen mit Zigaretten Verbrennungen zugefügt habe.
Die politischen Aktivisten des Nationalen Komitees von West-Papua (Komite Nasional Papua Barat – KNPB), Nopinus Humawak, Alex Nekenem, Maikel Asso und Yoram Magai, sind am 20. Mai 2015 zusammen mit ca. 70 anderen Personen festgenommen worden. Die Festnahmen erfolgten während einer friedlichen Versammlung in der west-papuanischen Provinz Manokwari. Bei dem Protest wollten die TeilnehmerInnen ihre Unterstützung für die Dachorganisation der Unabhängigkeitsbewegung von West-Papua (United Liberation Movement for West Papua – ULMWP) zum Ausdruck bringen. ZeugInnen berichteten, dass Dutzende Protestierende während der Versammlung von den PolizeibeamtInnen mit Gewehrkolben geschlagen wurden. Die meisten Demonstrierenden kamen später frei. Die vier Männer wurden auf Grundlage von Paragraf 106 des indonesischen Strafgesetzbuchs wegen «Volksverhetzung» angeklagt. Ihnen droht eine Gefängnisstrafe von bis zu sechs Jahren. Berichten zufolge ist Nopinus Humawak am 14. Juni aus der Haft entflohen. Alex Nekenem, Maikel Asso und Yoram Magai gaben gegenüber ihren Rechtsbeiständen an, dass sie während der Haft von mindestens vier PolizeibeamtInnen geschlagen und ihnen mit Zigaretten Verbrennungen zugefügt wurden. Momentan befinden sich die drei Männer in der Hafteinrichtung der Mobilen Einsatztruppe (Brimob) der Polizei in Manokwari.
Am 20. Mai wurden die Aktivisten Apolos Sroyer und Dorteus Bonsapia auf der Insel Biak, die zu der Provinz Papua gehört, festgenommen. Sie hatten die Polizeistation aufgesucht, um die BeamtInnen über einen geplanten Protest zur Unterstützung der ULMWP zu informieren. Die Aktivisten mussten die Nacht auf der Polizeistation verbringen und wurden von den PolizeibeamtInnen verhört. Am darauffolgenden Tag klagte man sie wegen «Volksverhetzung» an. Ein weiterer Aktivist aus Biak, Wamoka Yudas Kossay, wurde am 22. Mai ebenfalls wegen «Volksverhetzung» angeklagt. Er hatte am 21. Mai an einem friedlichen Protest zur Unterstützung der ULMWP auf dem Markt in Darfuar teilgenommen. Er hatte während seiner Vernehmung keinen Zugang zu einem Rechtsbeistand.
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
Sowohl durch die indonesische Verfassung als auch durch die nationale Gesetzgebung des Landes werden die Rechte auf freie Meinungsäusserung und friedliche Versammlungen geschützt. Dennoch werden Gesetze noch immer dazu genutzt, friedliche politische Aktivitäten unter Strafe zu stellen und Menschen zu inhaftieren, die lediglich friedlich Gebrauch von ihren Rechten auf freie Meinungsäusserung, Glaubens-, Gewissens- und Religionsfreiheit machen.
Dutzende friedliche politische Aktivisten sind derzeit in der Region Papua (umfasst die Provinzen Papua und West-Papua) inhaftiert, weil sie an friedlichen politischen Aktivitäten oder Demonstrationen teilgenommen oder diese mitorganisiert haben oder weil sie die Morgenstern-Flagge, ein verbotenes Symbol der Unabhängigkeitsbewegung, besassen, gehisst oder geschwenkt haben. Einige wurden zu bis zu 20 Jahren Haft verurteilt. Oft werden die Festgenommenen auf Grundlage der Paragrafen 106 und 110 des indonesischen Strafgesetzbuchs (Straftaten gegen die Sicherheit des Staates) wegen «Rebellion» (makar) angeklagt.
Amnesty International hat zudem den unverhältnismässigen Einsatz von Gewalt und Schusswaffen sowie die Anwendung von Folter und anderen Formen der Misshandlung gegen friedliche politische AktivistInnen und Personen, denen man Verbindungen zu Unabhängigkeitsbewegungen vorwirft, durch die indonesischen Sicherheitskräfte dokumentiert. Die Verantwortlichen werden für solche Handlungen nur selten belangt. Bestenfalls werden Disziplinarstrafen gegen Angehörige der Sicherheitskräfte verhängt.
Amnesty International nimmt zum politischen Status der Provinzen Indonesiens und zu Forderungen nach ihrer Unabhängigkeit keine Stellung. Das Recht auf freie Meinungsäusserung umfasst nach Auffassung der Organisation jedoch auch das Recht, mit friedlichen Mitteln für Volksabstimmungen einzutreten, sich für die Unabhängigkeit zu engagieren oder nach anderen politischen Lösungen zu suchen.
Die Anwendung von Folter ist im indonesischen Strafgesetzbuch noch immer nicht als Straftat aufgeführt. Dies ist einer der Gründe, weshalb es in Indonesien nach wie vor zu Fällen von Folter und anderweitiger Misshandlung kommt. Der UN-Ausschuss gegen Folter hat die indonesische Regierung 2008 aufgefordert, das Strafgesetzbuch zu überarbeiten und darin Folter als Straftat gemäss der Definition in Artikel 1.1 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe aufzunehmen. Zudem wurde die Regierung Indonesiens aufgefordert sicherzustellen, dass jede Art der Folter mit angemessenen Strafen geahndet wird, die die Schwere der Tat berücksichtigen. Das Strafgesetzbuch wird seit etwa dreissig Jahren überarbeitet. Das Ministerium für Justiz und Menschenrechte hat im Juni 2015 dem Parlament einen neuen Entwurf des Strafgesetzbuches vorgelegt. Die Beratungen zu dem Entwurf sollen im August beginnen.