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Startseite Urgent Actions 2015 06 Brazil must not let children be tried as adults
UA 132/15
Brasilien
Abgeschlossen am 19. Juni 2015

Verfassungsänderung verhindern!

AI-Index: AMR 19/1847/2015

Ein Entwurf für eine Verfassungsänderung in Brasilien sieht das Herabsetzen des Alters vor, ab dem für Kinder das Erwachsenenstrafrecht gilt. Derzeit liegt die Altersgrenze bei 18 Jahren, mit der Verfassungsänderung würde das Erwachsenstrafrecht schon ab dem 16. Lebensjahr Anwendung finden. Dies würde gegen zahlreiche nationale und internationale Gesetze verstossen, unter anderem gegen die Verpflichtung Brasiliens, die Rechte des Kindes zu schützen.

Dem brasilianischen Nationalkongress liegt derzeit der Änderungsentwurf PEC 171/1993 zur Überprüfung vor. Dieser sieht eine Änderung von Artikel 228 der brasilianischen Verfassung vor, in dem festgeschrieben ist, dass das Jugendstrafrecht Anwendung findet, wenn Kindern unter 18 Jahren Gesetzesverstösse zur Last gelegt werden. Sollte die Verfassungsänderung umgesetzt werden, so würden sie schon ab dem 16. Lebensjahr nach dem Erwachsenenstrafrecht behandelt werden. Der Änderungsentwurf ist vom Justiz- und Verfassungsausschuss bereits im März genehmigt worden. Derzeit wird er von einer Sonderkommission des Abgeordnetenhauses überprüft. Es ist allgemein bekannt, dass die Kommission dem Entwurf in den kommenden Tagen zustimmen wird. Anschliessend wird das Abgeordnetenhaus über den Entwurf entscheiden.

Mit dem Herabsetzen der Altersgrenze für die Anwendung des Erwachsenenstrafrechts von 18 auf 16 Jahre würde eine Reihe von nationalen und internationalen Gesetzen verletzt werden. Unter anderem würde gegen die Verpflichtungen Brasiliens, die Rechte des Kindes zu schützen, verstossen werden. Kinder, denen Gesetzesverstösse vorgeworfen werden, stehen die gleichen Rechte auf ein faires Verfahren zu, wie Erwachsenen. Darüber hinaus müssen sie durch zusätzliche Schutzmassnahmen innerhalb des Jugendstrafrechts geschützt werden, wie es im Übereinkommen über die Rechte des Kindes und weiteren internationalen Abkommen festgeschrieben ist. Das Kinder- und Jugendschutzgesetz Brasiliens (Gesetz Nr. 8.069) besagt, dass ab dem 18. Lebensjahr das allgemeine Strafrecht greift und dass für Kinder, die im Alter zwischen 12 und 18 Jahren Straftaten begehen, das Jugendstrafrecht gilt. Das Gesetz beinhaltet eine Reihe von Disziplinarmassnahmen zur Bestrafung Jugendlicher, zu denen auch der Freiheitsentzug in speziellen Jugendhaftanstalten gehört.

Ist eine Person zum Zeitpunkt der ihr vorgeworfenen Tat noch keine 18 Jahre alt, so muss das Jugendstrafgesetz Anwendung finden. Die Behörden dürfen Kinder nicht wie Erwachsene behandeln. Bei der strafrechtlichen Verfolgung und Bestrafung von Kindern muss berücksichtigt werden, dass sowohl der körperliche als auch der geistige Entwicklungsstand eines Kindes nicht mit dem eines Erwachsenen vergleichbar ist. Zudem muss es stets das primäre Ziel sein, im Interesse des Kindes zu handeln. Der Staat muss sicherstellen, dass die Rechte von Kindern auf Leben, auf Überleben und Entwicklung, auf rechtliches Gehör und auf Schutz vor Diskriminierung gewahrt werden.

Hintergrundinformationen

In keinem anderen Land der Welt werden jährlich so viele Tötungsdelikte verzeichnet wie in Brasilien. Von den 56.000 Todesopfern im Jahre 2012 waren 30.000 Jugendliche. 77 Prozent der getöteten Jugendlichen war afrobrasilianischer Herkunft. Die meisten Tötungsdelikte bleiben straffrei, nur in fünf bis acht Prozent der Fälle kommt es zu einer Gerichtsverhandlung. Straffreiheit und das immerwährende Gefühl von Ungerechtigkeit treiben die Spirale der Gewalt immer weiter an. Die jüngsten Reaktionen der Regierung Brasiliens auf die hohe Zahl an Tötungsdelikten und die Krise bezüglich der öffentlichen Ordnung waren dennoch eher konservativ. Unter anderem wurden Massnahmen zur Steigerung der Inhaftierungsrate durchgesetzt, ein repressiveres Vorgehen durch die Polizei eingeführt und die Waffenkontrolle gelockert. Auch das geplante Herabsetzen der Altersgrenze für die Anwendung des Erwachsenenstrafrechts steht in diesem Kontext.
Brasilien gehört zudem zu den Ländern, mit den meisten GefängnisinsassInnen. Im Dezember 2013 befanden sich 580.000 Personen in brasilianischen Gefängnissen. Von 2005 bis 2012 ist die Anzahl der inhaftierten Personen um 74 Prozent gestiegen. In Anbetracht derzeitiger Vorschläge für eine Intensivierung des „Kriegs gegen Drogen“ und der gestiegenen Haftdauer für zahlreiche Straftaten ist anzunehmen, dass die Anzahl der Häftlinge weiter jährlich zunehmen wird. Nach wie vor sind in brasilianischen Gefängnissen massive Überfüllung, erniedrigende Bedingungen sowie Folter und Gewalt weit verbreitet. Ein Beispiel für die schrecklichen Zustände ist das Gefängnis Pedrinhas im Bundesstaat Maranhão. 2013 wurden dort 60 Häftlinge ermordet, zwischen Januar und Oktober 2014 waren es mehr als 18 Häftlinge. In den Medien waren Videos von Enthauptungen zu sehen.
In Hafteinrichtungen für Jugendliche sieht es nicht anders aus. 2012 befanden sich etwa 20.000 Jugendliche in solchen Einrichtungen.

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