Haftstrafe verlängert
In Belarus ist die Haftstrafe des gewaltlosen politischen Gefangenen Yury Rubtsou auf zwei Jahre verlängert worden. Grund dafür ist, dass er in einer Strafkolonie die «Arbeit verweigert» haben soll. Seine ursprüngliche Verurteilung erfolgte, nachdem er ein T-Shirt getragen hatte, auf dem er den Präsidenten zum Rücktritt aufforderte.
Am 28. Mai 2015 ist der gewaltlose politische Gefangene Yury Rubtsou, ein Aktivist aus dem östlichen Teil der Stadt Homel, von dem Bezirksgericht in Pruschany zu zwei Jahren Haft verurteilt worden. Dies verlängert seine ursprüngliche Haftstrafe von 18 Monaten, die ihm im Oktober 2014 unter Paragraf 391 des Strafgesetzbuches wegen „Beleidigung eines Richters“ auferlegt worden war. Die Staatsanwaltschaft gab an, dass Yury Rubtsou mehrere Arbeitsangebote in einer offenen Vollzugsanstalt in der Region Brest im Distrikt Pruschany, in dem er seine ursprüngliche Haftstrafe verbüsste, abgelehnt habe. Yury Rubtsou wurde unter Paragraf 415 des Strafgesetzbuches wegen der «Verweigerung, eine ihm auferlegte Strafe zu verbüssen» angeklagt. Die ZeugInnen sagten jedoch während des Gerichtsverfahrens aus, dass Yury Rubtsou die Arbeit nicht grundsätzlich abgelehnt habe, sondern lediglich gegen die niedrigen Löhne des Gefängnissystems protestieren wollte. Yury Rubtsou hat Rechtsmittel gegen das Urteil eingelegt. Er wird derzeit in einer Untersuchungshaftanstalt im Westen der Stadt Baranawitschy festgehalten.
Yury Rubtsou befindet sich seit dem 28. April 2014 in Haft, weil er ein T-Shirt mit einem Schriftzug getragen hatte, der den Präsidenten Aljaksandr Lukaschenka zum Rücktritt aufforderte. Man warf ihm vor, «Anweisungen der Polizei nicht befolgt zu haben» und während der jährlichen Kundgebung, in der an die Katastrophe von Tschernobyl erinnert wird, geflucht zu haben. Man verurteilte ihn zu einer Verwaltungshaftstrafe von 25 Tagen in einem Verfahren, zu dem er oberkörperfrei erschien, da die Polizei sein T-Shirt konfisziert hatte. Der Richter schenkte Yury Rubtsou keine Beachtung, als er um ein T-Shirt und eine Brille zum Lesen der Ermittlungsakten bat. Yury Rubtsou bezeichnete die Gerichtsverhandlung als eine „Farce“ und nannte den Richter einen «Verbrecher». Im August 2014 wurde ein Strafprozess gegen Yury Rubtsou eröffnet, in dem man ihm vorwarf, den Richter während des Gerichtsverfahrens im April beleidigt zu haben. Am 6. Oktober wurde er zu zweieinhalb Jahren Haft in einer offenen Vollzugsanstalt verurteilt. Das Strafmass wurde später unter einem Amnestiegesetz um ein Jahr verkürzt.
Amnesty International ist der Ansicht, dass die Verurteilung von Yury Rubtsou Teil eines langjährigen Musters der Drangsalierung von zivilgesellschaftlich engagierten Personen durch die belarussischen Behörden ist.
Hintergrundinformationen
In Belarus müssen zivilgesellschaftlich engagierte Personen unter den Rahmenbedingungen hochrestriktiver Gesetzen arbeiten, wenn sie sich organisieren wollen, um ihre Anliegen an die Öffentlichkeit zu bringen. Mit diesen Gesetzen werden die Rechte der AktivistInnen auf Vereinigungs-, Versammlungs-, und Meinungsfreiheit verletzt. Wenn sie sich kritisch gegenüber den Behörden äussern, droht zivilgesellschaftlichen Organisationen die Schliessung und Einzelpersonen die strafrechtliche Verfolgung. Jegliche Art des öffentlichen Protests, sogar die Mahnwache einer einzelnen Person, erfordert die ausdrückliche Zustimmung der Behörden. Diese wird den AntragstellerInnen jedoch zumeist nicht erteilt. Friedlichen Demonstrierenden drohen Geldstrafen oder mehrere Tage Haft. Erstmals erregten die Einschränkungen der Versammlungsfreiheit in Belarus die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit, als im Dezember 2010 eine auf die Präsidentschaftswahlen folgende und grösstenteils friedliche Demonstration von den Sicherheitskräften brutal unterdrückt wurde. Hunderte Protestierende wurden geschlagen, willkürlich festgenommen und im Schnellverfahren verurteilt. Die wichtigsten Präsidentschaftskandidaten und zahlreiche bekannte AktivistInnen der Opposition wurden inhaftiert. Der ehemalige Präsidentschaftskandidat und gewaltlose politische Gefangene Mikolaj Statkewitsch befindet noch immer in Haft.
Oftmals werden zivilgesellschaftlich engagierten Personen Ordnungsstrafen auferlegt, wenn sie gegen die strengen Auflagen für öffentliche Versammlungen verstossen. Zudem werden sie oft von den Verwaltungsbehörden verfolgt und drangsaliert. Das Verwaltungsgesetzbuch deckt Ordnungswidrigkeiten wie „minderschweres Rowdytum“, „Verletzung der Anweisungen für Mahnwachen“, „Fluchen“ und „Nichtbeachten von polizeilichen Anordnungen“ ab. Die belarussischen Behörden nutzen derartige Vergehen häufig, um zivilgesellschaftlich engagierte Personen zu verfolgen und zu drangsalieren.