Büro von Joint Mobile Group verwüstet
Am 3. Juni hat eine Gruppe maskierter Männer das Büro der Menschenrechtsorganisation Joint Mobile Group in der tschetschenischen Hauptstadt Grosny verwüstet. Zwei Mitarbeiter der Organisation mussten durch ein Fenster fliehen, um sich vor den gewalttätigen Männern in Sicherheit zu bringen.
Das Büro der Menschenrechtsorganisation Joint Mobile Group (JMG) in Grosny ist am 3. Juni um etwa 10.30 Uhr von einer aufgebrachten Menschenmenge umstellt worden. In den vergangenen Jahren und Monaten war die JMG in der tschetschenischen Hauptstadt wegen ihrer Menschenrechtsarbeit bereits mehrfach zum Ziel von Drangsalierungen durch die Behörden und regierungsnahe AktivistInnen geworden. Der JMG gehören Rechtsbeistände und Mitglieder von NGOs aus anderen Regionen der Russischen Föderation an, die Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien dokumentieren und Opfer solcher Menschenrechtsverletzungen rechtlich beraten. Eine Gruppe maskierter Männer schlug zunächst mit Brecheisen auf den Dienstwagen der JMG ein, welcher vor dem Büro der Organisation geparkt war, und verschaffte sich dann Zugang zu dem Gebäude. Einige der Männer brachen die Tür auf und stürmten in die Büroräume. Andere kletterten auf den Balkon vor dem Büro der Menschenrechtsorganisation und versuchten, ein Fenster einzuschlagen. Dabei wurden sie von denen, die sich noch vor dem Gebäude befanden, angefeuert. Zwei Mitarbeiter der Joint Mobile Group, Albert Kuznetsov und Daniil Chendemirov, mussten durch ein Fenster auf der anderen Seite des Gebäudes fliehen. Die Angreifer verwüsteten das Büro der JMG und brachen dann in eine private Wohnung in derselben Etage ein, die von den MitarbeiterInnen der Organisation angemietet worden war.
Sowohl MitarbeiterInnen der JMG als auch UnterstützerInnen der Organisation aus dem Ausland haben mehrfach versucht, die Polizei anzurufen, dort jedoch niemanden erreicht. AugenzeugInnen zufolge waren PolizistInnen anwesend, griffen jedoch nicht ein. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Centre Memorial berichtete, dass erst um etwa 12 Uhr ErmittlungsbeamtInnen den Ort des Geschehens erreichten.
Hintergrundinformationen
Die tschetschenischen Behörden hatten für den 2. Juni eine Protestveranstaltung angekündigt, bei der gegen die „Propaganda-Schlacht“ protestiert werden sollte, die den Behörden zufolge von MenschenrechtsverteidigerInnen und unabhängigen Medien wie den Zeitungen Novaya Gazeta und Kommersant, dem Radiosender Echo Moskwy und der Informationsplattform OpenRussia gegen Tschetschenien und Russland geführt wird. Kommersant und OpenRussia haben vor Kurzem über Korruption und Vetternwirtschaft in Tschetschenien berichtet. Die tschetschenischen Behörden fordern immer wieder öffentliche Bedienstete, Studierende und andere Zivilpersonen dazu auf, an grossen Demonstrationen gegen unabhängige Medien und MenschenrechtsverteidigerInnen teilzunehmen. Der für den 2. Juni geplante Protest wurde in letzter Minute auf den 3. Juni vor dem Büro der Joint Mobile Group verlegt.
Im Dezember 2014 war das Büro der Joint Mobile Group schon einmal zum Ziel eines Angriffs geworden. Am 13. Dezember 2014 fand eine Demonstration in Grosny statt, bei der Transparente auftauchten, auf denen die Mitglieder der Menschenrechtsorganisation als „Unterstützer des Terrors“ bezichtigt wurden. Noch am selben Tag wurde das Büro der JMG bei einem mutmasslich durch Brandstiftung verursachten Feuer zerstört. Am 14. Dezember verschaffte sich die tschetschenische Polizei Zutritt zu der von JMG angemieteten Wohnung in Grosny, durchwühlte die Räumlichkeiten und konfiszierte Mobiltelefone, mehrere Kameras, Laptops und andere elektronische Geräte, ohne eine Erklärung zu geben oder einen Durchsuchungsbefehl vorzulegen. Ausserdem führten sie bei den beiden anwesenden JMG-Mitarbeitern, Sergei Babinets und Dmitry Dimitriev, eine Leibesvisitation durch und durchsuchten ihr Auto. Die beiden Männer wurden mehrere Stunden lang von der Polizei festgehalten und anschliessend ohne Anklage freigelassen.
Seit Dezember 2014 hat sich die Situation für unabhängige MenschenrechtsverteidigerInnen und JournalistInnen in Tschetschenien weiter verschlechtert. Der Druck auf lokale JournalistInnen und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens hat zugenommen, und es hat immer wieder Drohungen gegen unabhängige JournalistInnen gegeben.