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Iran
Abgeschlossen am 10. Juli 2015

Drohende Hinrichtung

AI-Index: MDE 13/1758/2015

Ehsan Shah Ghasemi ist in unmittelbarer Gefahr, hingerichtet zu werden. Er wurde wegen der mutmasslichen Ermordung von Ali Khalili zum Tode verurteilt. Ehsan Shah Ghasemi hatte Ali Khalili im Juli 2011 mit einem Messer Verletzungen am Hals zugefügt, die drei Jahre später im April 2014 zum Tod von Ali Khalili geführt haben sollen. Ehsan Shah Ghasemi hat kein faires Gerichtsverfahren erhalten, und es liegen nach Kenntnis von Amnesty International keine abschliessenden Beweise vor, die einen kausalen Zusammenhang zwischen den Verletzungen, die Ali Khalili 2011 zugefügt wurden, und seinem Tod im Jahr 2014 belegen würden.

Ehsan Shah Ghasemi wurde im Juli 2011 festgenommen, weil er im Zuge einer tätlichen Auseinandersetzung auf der Strasse Ali Khalili mit einem Messer verletzt hatte. Zu der Auseinandersetzung war es gekommen, als Ehsan Shah Ghasemi und seine FreundInnen von Ali Khalili angehalten wurden, weil sie in ihrem Auto laut „verbotene“ Musik gehört hatten. Ehsan Shah Ghasemi musste daraufhin zwei Wochen auf einer Polizeiwache der Sicherheitspolizei verbringen, wo er seinen Angaben zufolge gefoltert und auf andere Weise misshandelt wurde. Danach brachte man ihn in die Hafteinrichtung Kahrizak im Süden von Teheran. Dort hielt man ihn drei Monate in Einzelhaft, seinen Angaben zufolge in Hand- und Fussketten. Ein Strafgericht in Teheran verurteilte ihn zwischen März und April 2012 zu drei Jahren Haft. Er musste ausserdem eine „Entschädigung“ (Diyah) in Höhe von 35 Million Rial (ca. 1100 Euro) bezahlen. Wegen des Trinkens von Alkohol wurde er zudem zu 70 Stockhieben verurteilt. Noch im selben Jahr begnadigten Ali Khalili und sein Vater den verurteilten Ehsan Shah Ghasemi, und das Verfahren war damit abgeschlossen.

Ehsan Shah Ghasemi wurde jedoch erneut festgenommen, nachdem Ali Khalili im März 2014 gestorben war. Er soll an den Komplikationen gestorben sein, die auf die Verletzungen drei Jahre zuvor und die Behandlung danach zurückzuführen sind. Ehsan Shah Ghasemi wurde im Oktober 2014 auf der Grundlage des Prinzips „Qesas“ (Vergeltung) zum Tode verurteilt. Es fanden zwei Gerichtstermine vor der Abteilung 113 des Strafgerichts der Provinz Teheran statt. Ihm wurde das Recht auf einen Rechtsbeistand eigener Wahl verweigert, und den vom Gericht bestellten Rechtsbeistand sah er während der Anhörung zum ersten Mal. Der Oberste Gerichtshof des Iran bestätigte das Urteil im Mai 2015. Nun liegt das Urteil der Obersten Justizautorität vor, die in einem beschleunigten Verfahren darüber entscheiden soll.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Das gegen Ehsan Shah Ghasemi verhängte Todesurteil wurde unmittelbar nach der Bestätigung durch den Obersten Gerichtshof im Mai 2015 an die Behörde für die Vollstreckung von Urteilen weitergeleitet. Seine Familie hatte um eine Aussetzung der Vollstreckung des Urteils gebeten, um mehr Zeit zu haben, um die Familie des Verstorbenen um Gnade zu bitten. Die Behörden haben diese Bitte jedoch ausgeschlagen und mit Verweis auf Anweisung einer höheren Stelle ein beschleunigtes Verfahren für die Vollstreckung des Urteils eingeleitet. Amnesty International befürchtet, dass die Verbindung von Ali Khalili zu den iranischen Basij-Milizen und die Versuche der Behörden, ihn als „Märtyrer“ darzustellen, der sein Leben gegeben hat, um „islamische Werte zu verbreiten und das Laster zu unterdrücken“, sich auf die Unparteilichkeit des gerichtlichen Verfahrens ausgewirkt haben. Im Mai wurde ein Gesetz über den Schutz der Förderer der Tugend und der Verhinderer des Lasters verabschiedet. Auf der Grundlage dieses Gesetzes sind Zivilpersonen befugt, sich an der schriftlichen oder mündlichen Förderung der Tugend und der Verhinderung des Lasters zu beteiligen. Tugend bzw. Laster werden durch die islamische Rechtsprechung und das Gesetz (Scharia) definiert. Presseberichten zufolge vertrat die Iranische Rechtsmedizinische Organisation die Auffassung, dass die ursprüngliche Messerverletzung „nicht völlig losgelöst“ von der Todesursache zu sehen ist. In einem früheren Bericht aus dem Jahr 2011 war dieselbe Organisation jedoch zu der Überzeugung gelangt, dass sich Ali Khalili auf dem Weg zur vollständigen Genesung befand. Es besteht Grund zu der Befürchtung, dass das Gericht bei der Verurteilung von Ehsan Shah Ghasemi wegen Mordes nicht in Betracht zog, dass es noch andere Faktoren geben könnte, welche die Kausalkette zwischen der Verletzung durch Messerstiche und dem Tod von Ali Khalili durchbrechen könnten. Während des Gerichtsverfahrens gab Ehsan Shah Ghasemi an, dass er so stark unter Alkoholeinfluss stand, als er die Messerattacke beging, dass er die Art seiner Handlung und deren Konsequenzen nicht verstehen konnte. Artikel 6 des Internationalen Pakts über bürgerlich und politische Rechte, zu dessen Vertragsstaaten der Iran gehört, sieht vor, dass in Staaten, die die Todesstrafe noch nicht abgeschafft haben, diese nur bei „schwersten Verbrechen“ verhängt werden darf. Damit gemeint sind Straftaten, bei denen gezeigt werden kann, dass eine vorsätzliche Tötungsabsicht besteht, die zum Tod eines oder mehrerer Menschen führt. In den Garantien zum Schutz der Rechte von Personen, denen die Todesstrafe droht heisst es: „Die Todesstrafe darf nur dann verhängt werden, wenn die Schuld des Angeklagten eindeutig und überzeugend bewiesen und keine andere Erklärung der Fakten möglich ist“. Ehsan Shah Ghasemi wurde nach dem Tod von Ali Khalili das Recht auf eine effiziente Verteidigung durch einen Rechtsbeistand seiner Wahl während des Verfahrens verweigert. Er hatte in der Ermittlungsphase keinen Zugang zu einem Rechtsbeistand und sollte erst dann einen Anwalt konsultieren, nachdem die Staatsanwaltschaft ein Gerichtsverfahren eingeleitet hatte. Der Anwalt wurde durch Drohungen gezwungen, den Fall abzugeben, bevor das Verfahren begann. Ehsan Shah Ghasemi erhielt dann einen vom Gericht bestellen Rechtsbeistand, den er aber erst bei der ersten Anhörung vor Gericht sah. Während der Haft im Gefängnis Kahrizak in Teheran versuchte Ehsan Shah Ghasemi sich das Leben zu nehmen und wollte sich mit Betttüchern erhängen. MitinsassInnen gaben später an, GefängniswärterInnen hätten mit Knüppeln auf ihn eingeschlagen, als er bewusstlos in seiner Zelle lag.

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