Zwei Menschenrechtsverteidier ohne Anklage in Haft
Die beiden Menschenrechtsverteidier Moussa Tchangari und Nouhou Azirka sind am 18. bzw. am 24. Mai festgenommen worden. Sie hatten sich zuvor öffentlich über die schlechten Arbeitsbedingungen der Sicherheitskräfte und die Menschenrechtsverletzungen geäussert, die während des Ausnahmezustands in der nigrischen Region Diffa verübt werden. Gegen die Männer ist bisher keine Anklage erhoben worden. Sie befinden sich in der nigrischen Hauptstadt Niamey in Haft.
Moussa Tchangari ist der Generalsekretär der Organisation Alternatives Espaces Citoyens (AEC). Er wurde am 18. Mai festgenommen, als er Nahrungsmittel zu acht DorfvorsteherInnen der Region Diffa brachte, die am 15. Mai wegen «mangelnder Zusammenarbeit mit den Behörden beim Kampf gegen Boko Haram» inhaftiert worden waren. Die Festnahme von Moussa Tchangari steht im Zusammenhang mit zwei von der AEC veröffentlichten Berichten. Darin wird der Regierung vorgeworfen, im Hinblick auf die aktuellen Angriffe von Boko Haram in der Region keine ausreichenden Massnahmen zum Schutz der Menschenrechte zu ergreifen. Ausserdem wird der nigrischen Regierung in den Berichten vorgeworfen, den Menschenrechtsschutz vernachlässigt zu haben, nachdem am 10. Februar 2015 wegen der wiederholten Angriffe von Boko Haram der Ausnahmezustand über die Region Diffa verhängt wurde.
Moussa Tchangari wird auf der Wache der Anti-Terror-Truppe in Niamey in Haft gehalten. Zwar hat er Zugang zu einem Rechtsbeistand, seine Familie darf ihn jedoch nicht besuchen. Am 24. Mai trat er in den Hungerstreik, nachdem BeamtInnen sich geweigert hatten, ihm Nahrungsmittel zu geben, die seine Frau für ihn abgegeben hatte. Am nächsten Tag erhielt er die mitgebrachten Nahrungsmittel. Nach 120 Stunden wurde seine Haftanordnung erneuert. Das Anti-Terror-Gesetz von Niger erlaubt eine solche einmalige Erneuerung der Haftanordnung nach 120 Stunden, ohne dass Anklage gegen die Inhaftierten erhoben werden muss. Der nigrische Innenminister gab gegenüber der französischen Nachrichtenagentur Agence France Presse an, dass man Moussa Tchangari «kriminelle Verschwörung im Zusammenhang mit der Terror-Gruppe Boko Haram» vorwerfe. Anklage ist gegen den Menschenrechtler bisher nicht erhoben worden.
Nouhou Azirka ist der Vorsitzende der Bewegung Mouvement Pour la Promotion de la Citoyenneté Responsible. Er wurde am 24. Mai wegen «Straftaten gegen die Landesverteidigung» festgenommen und in polizeilichen Gewahrsam genommen. Er hatte zuvor in einem Fernsehinterview erklärt, dass SoldatInnen in der Region Diffa über schlechte Arbeitsbedingungen geklagt hatten. Nouhou Azirka war vor seiner Festnahme bereits zweimal von Angehörigen der Kriminalpolizei zu dem Interview befragt worden. Gegen ihn ist noch keine Anklage erhoben worden. Er wird auf der Wache der Kriminalpolizei in Niamey festgehalten und hat keinen Zugang zu seiner Familie.
HINTERGRUNDINFORMATIONen
Alternatives Espaces Citoyens (AEC) hat zwei Berichte veröffentlicht, in denen die Menschenrechtsverletzungen gegen Zivilpersonen thematisiert werden, die seit der Verhängung des Ausnahmezustands in der Region Diffa und während der Evakuierung von Inseln im Tschad-See begangen worden sein sollen. Bei einem Angriff von Boko Haram auf eine Insel im Tschad-See waren im April sowohl Zivilpersonen als auch SoldatInnen getötet worden. Die nigrischen Behörden ordneten wegen der anschliessenden instabilen Lage die Evakuierung der Insel an.
In einem der Berichte bezeichnet die AEC die Massnahmen, welche die Regierung nach der Verhängung des Ausnahmezustands ergriffen hat, als nachteilig für die Bevölkerung der Region. Dem Bericht zufolge wird mit den Massnahmen die Bewegungsfreiheit der in der Region lebenden Menschen eingeschränkt und somit gegen Artikel 12 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte verstossen. Darüber hinaus heisst es in dem Bericht, dass keine Lebensmittel mehr eingeführt werden dürfen, was in der Folge bedeutet, dass die Betroffenen keinen Zugang zu ausreichenden Nahrungsvorräten haben. Damit verstosse die Regierung gegen Artikel 11 des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Nachdem Boko Haram am 25. April eine Insel im Tschad-See angegriffen hatte, veröffentlichte die Organisation einen weiteren Bericht. Darin kritisiert die AEC die Regierung dafür, dass das Lager N’guimi in Niger, in dem die Vertriebenen untergebracht wurden, nicht angemessen ausgestattet sei. Unter anderem fehle es dort an Wasser und Nahrungsmitteln.
Der Gouverneur von Diffa fordert die AEC seitdem immer wieder auf, beim Innenminister eine Erlaubnis dafür einzuholen, in der Region Diffa weiter aktiv sein zu dürfen.