Drohendes Gerichtsverfahren gegen einen Filmproduzenten
Der iranische Schriftsteller und Filmproduzent Mostafa Azizi, der mit einer Daueraufenthaltsgenehmigung in Kanada lebt, soll am 1. Juni vor der Abteilung 15 des Revolutionsgerichts in Teheran erscheinen. Ihm werden Verstösse gegen die nationale Sicherheit zur Last gelegt, die sich offenbar auf seine Beiträge in sozialen Medien beziehen. Amnesty International befürchtet, dass er ein gewaltloser politischer Gefangener ist.
Mostafa Azizi ist der ehemalige Vorsitzende des iranischen Zweigs des internationalen Verbands von Animationsfilmschaffenden (International Animated Film Association). Er lebt in Kanada, war aber Ende Dezember 2014 in den Iran gereist, um seinen kranken Vater zu besuchen und die Möglichkeit zu prüfen, in sein Heimatland zurückzukehren. Er wurde am 1. Februar 2015 in Teheran in Haft genommen, nachdem er von der Anklagebehörde im Evin-Gefängnis vorgeladen worden war. Er befindet sich seitdem im Evin-Gefängnis. Dem Filmproduzenten drohen Anklagen wegen «Beleidigung des Revolutionsführers», «Beleidigung des Gründers der Islamischen Republik Iran», «Verbreitung von Propaganda gegen das System» und «Versammlung und Verschwörung gegen die nationale Sicherheit». Die Anschuldigungen beziehen sich auf seine Beiträge auf Facebook und anderen sozialen Medien, mit denen er friedlich seine Meinung zum Ausdruck gebracht hat.
Mostafa Azizi verbrachte 33 Tage in der Abteilung 2A des Evin-Gefängnisses, die den iranischen Revolutionsgarden untersteht. Davon befand er sich 14 Tage in Einzelhaft und hatte keinen Kontakt zu seiner Familie oder seinem Rechtsbeistand. Nach Abschluss der Verhöre, bei denen kein Rechtsbeistand anwesend war, wurde Mostafa Azizi in die Abteilung 8 des Evin-Gefängnisses verlegt. In der Abteilung 8 sind Hunderte Gefangene inhaftiert, darunter auch gewaltlose politische Gefangene. Die Zellen dort sollen überfüllt, schlecht belüftet und schmutzig sein. Sie sind von Insekten befallen, und es gibt weder ausreichende Schlafmöglichkeiten noch angemessene sanitäre Einrichtungen. Diese extrem schlechten Haftbedingungen haben dazu beigetragen, dass sich die gesundheitlichen Beschwerden, unter denen Mostafa Azizi bereits zuvor litt, weiter verschlechtert haben. Unter anderem leidet er an Asthma, Ekzemen, Rheuma und hohen Blutzuckerwerten. Am 13. April musste er einen Tag in der Krankenstation des Gefängnisses behandelt werden, weil er aufgrund eines Abfalls des Blutdrucks kurzzeitig das Bewusstsein verloren hatte.
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
Der Sohn von Mostafa Azizi gab gegenüber Amnesty International an, dass sein Vater nach der Einzelhaft in einem sehr schlechten Zustand war: «Als er herauskam, zitterte er und konnte tagelang mit niemandem sprechen». Der Sohn erzählte, dass sich der psychische Zustand seines Vaters aber seitdem verbessert habe und er nun regelmässige Besuche seiner Familie empfangen dürfe.
Im November 2013 hat Hassan Qashqavi, der stellvertretende iranische Aussenminister (zuständig für konsularische, parlamentarische und im Ausland lebende StaatsbürgerInnen betreffende Angelegenheiten), die Einrichtung eines Ausschusses im iranischen Geheimdienstministerium angekündigt, um iranischen StaatsbürgerInnen, die im Ausland leben, auf Grundlage der Wahlversprechen von Präsident Hassan Rouhani die Rückkehr in den Iran zu erleichtern. Die nur zögerliche Bereitschaft im Ausland lebender IranerInnen, in ihr Heimatland zurückzukehren, führte Hassan Qashqavi auf «Angst einflössende Behauptungen ausländischer Oppositionsgruppen» zurück und sagte: «Viele dieser Ängste sind selbst verursacht und entbehren jeder Grundlage». Im August 2013 hatte der Geheimdienstminister Mahmoud Alavi erklärt: «Wir garantieren, dass alle, die keine Straftaten begangen haben, keine Probleme haben werden [wenn sie in das Land zurückkehren].» Zuvor hatte im Juli 2013 der Sprecher der Justizbehörden, Gholamhossein Mohseni Ejehi, geäussert: «Die iranische Justiz verweigert keiner Iranerin und keinem Iraner den Zutritt zum Land, wenn sie eine Straftat begangen haben … Allerdings wird man sich mit den gegen sie erhobenen Vorwürfen befassen, sobald sie das Land betreten.»
Seit dem Amtsantritt von Präsident Rouhani im August 2013 sind zahlreiche Personen, die über eine doppelte Staatsbürgerschaft oder einen Wohnsitz im Ausland verfügen, bei ihrer Rückkehr in den Iran festgenommen oder inhaftiert worden. Zu den Betroffenen zählen unter anderem: die britisch-iranische Frauenrechtlerin Ghoncheh Ghavami; der Doktorand Hamid Babayee von der Universität Lüttich (Belgien); sowie die JournalistInnen Sajedeh Arabsorkhi, Serajeddin Mirdamadi und Hossein Nourani Nejad. Weitere Informationen finden Sie in dem englischsprachigen Bericht Jailed for being a journalist unter: http://amnesty.org/en/library/info/MDE13/044/2014/en sowie in der Urgent Action zu Jason Rezaian, online unter: https://www.amnesty.de/urgent-action/ua-307-2014-1/inhaftierter-journalist-angeklagt