Langjährige Haftstrafe nach unfairem Verfahren
Der iranische Schriftsteller und Filmproduzent Mostafa Azizi, der mit einer Daueraufenthaltsgenehmigung in Kanada lebt, ist zu acht Jahren Haft verurteilt worden. Er wurde im Zusammenhang mit der Ausübung seines Rechts auf freie Meinungsäusserung auf der Grundlage vage formulierter Anklagen wegen «die nationale Sicherheit gefährdender Straftaten» schuldig gesprochen. Die gegen ihn erhobenen Anschuldigungen bezogen sich unter anderem auf von ihm erstellte Beiträge bei Facebook.
Mostafa Azizi ist der ehemalige Vorsitzende des iranischen Zweigs des internationalen Verbands von Animationsfilmschaffenden (International Animated Film Association). Die Abteilung 15 des Revolutionsgerichts in Teheran verurteilte ihn am 8. Juni zu insgesamt acht Jahren Haft. Er erhielt fünf Jahre wegen «Versammlung und Verschwörung gegen die nationale Sicherheit», zwei Jahre wegen «Beleidigung des Gründers der Islamischen Republik Iran» und ein Jahr wegen «Verbreitung von Propaganda gegen das System». Am 1. Juni war er in einem unfairen Verfahren vor Gericht gestellt worden, das lediglich wenige Stunden dauerte. Darüber hinaus stützten sich die Anklagen gegen Mostafa Azizi auf Beweise, die von Angehörigen der Revolutionsgarden während der 33 Tage zusammengetragen worden waren, die Mostafa Azizi in Abteilung 2A des Evin-Gefängnisses in Einzelhaft und ohne Kontakt zu seiner Familie und einem Rechtsbeistand verbracht hatte. Derzeit ist ein Rechtsmittel vor Abteilung 54 des Revolutionsgerichts für Berufungsverfahren anhängig.
Mostafa Azizi wird in der Abteilung 8 des Evin-Gefängnisses festgehalten. Er sagte seinem Sohn, dass die Staatsanwaltschaft in seinem Verfahren unter anderem zwei Ausdrucke von Facebook-Beiträgen als „Beweismittel“ vorgelegt hätte. Auf einem der Ausdrucke war Mostafa Azizi zu sehen, nachdem er sich die Haare abrasiert hatte, um so seine Solidarität mit den Männern im Evin-Gefängnis zum Ausdruck zu bringen, die im April 2014 von Sicherheitskräften über mehrere Stunden brutal zusammengeschlagen und misshandelt worden waren. Anschliessend verweigerte man einigen von ihnen die medizinische Versorgung und rasierte ihnen unter Zwang die Haare ab. Bei dem anderen Facebook-Beitrag handelte es sich um ein Foto, das Mostafa Azizi während des Pride-Marschs im kanadischen Toronto zeigte.
Mostafa Azizi leidet an gesundheitlichen Problemen wie Asthma, Ekzemen, Rheuma und hohen Blutzuckerwerten. Die Zellen in der Abteilung 8 des Evin-Gefängnisses sind überfüllt, schlecht belüftet, schmutzig und von Insekten befallen. Zudem gibt es weder ausreichende Schlafmöglichkeiten noch angemessene sanitäre Einrichtungen.
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
Mostafa Azizi wurde am 1. Februar 2015 in Teheran in Haft genommen, nachdem er von der Anklagebehörde im Evin-Gefängnis vorgeladen worden war. Er lebt in Kanada, war aber Ende Dezember 2014 in den Iran gereist, um seinen kranken Vater zu besuchen und die Möglichkeit zu prüfen, in sein Heimatland zurückzukehren. Vor seiner Rückkehr in den Iran hatte er seine Benutzerkonten bei sozialen Medien gelöscht. Im November 2013 hat Hassan Qashqavi, der stellvertretende iranische Aussenminister (zuständig für konsularische, parlamentarische und im Ausland lebende StaatsbürgerInnen betreffende Angelegenheiten), die Einrichtung eines Ausschusses im iranischen Geheimdienstministerium angekündigt, um iranischen StaatsbürgerInnen, die im Ausland leben, auf Grundlage der Wahlversprechen von Präsident Hassan Rouhani die Rückkehr in den Iran zu erleichtern. Die nur zögerliche Bereitschaft im Ausland lebender IranerInnen, in ihr Heimatland zurückzukehren, führte Hassan Qashqavi auf „Angst einflössende Behauptungen ausländischer Oppositionsgruppen“ zurück und sagte: „Viele dieser Ängste sind selbst verursacht und entbehren jeder Grundlage“. Im August 2013 hatte der Geheimdienstminister Mahmoud Alavi erklärt: „Wir garantieren, dass alle, die keine Straftaten begangen haben, keine Probleme haben werden [wenn sie in das Land zurückkehren].” Zuvor hatte im Juli 2013 der Sprecher der Justizbehörden, Gholamhossein Mohseni Ejehi, geäussert: „Die iranische Justiz verweigert keiner Iranerin und keinem Iraner den Zutritt zum Land, wenn sie eine Straftat begangen haben … Allerdings wird man sich mit den gegen sie erhobenen Vorwürfen befassen, sobald sie das Land betreten.“ Seit dem Amtsantritt von Präsident Rouhani im August 2013 sind zahlreiche Personen, die über eine doppelte Staatsbürgerschaft oder einen Wohnsitz im Ausland verfügen, bei ihrer Rückkehr in den Iran festgenommen oder inhaftiert worden. Zu den Betroffenen zählen unter anderem: die britisch-iranische Frauenrechtlerin Ghoncheh Ghavami; der Doktorand Hamid Babayee von der Universität Lüttich (Belgien); sowie die JournalistInnen Sajedeh Arabsorkhi, Serajeddin Mirdamadi und Hossein Nourani Nejad. Bei einem der Facebook-Beiträge, der als “Beweismittel” gegen Mostafa Azizi vorgelegt wurde, handelte es sich um ein Foto, auf dem er mit abrasierten Haaren zu sehen ist. Dieses hatte er veröffentlicht, nachdem iranische Sicherheitskräfte InsassInnen des Evin-Gefängnisses unter dem Vorwand, eine Zellendurchsuchung durchzuführen, brutal geschlagen und misshandelt hatten. Eine grosse Gruppe von Sicherheitskräften soll am Morgen des 17. April 2014 in der Abteilung 350 des Gefängnisses Häftlinge über mehrere Stunden misshandelt haben. Die geht aus offenen Briefen von Häftlingen und den Aussagen von Familienangehörigen von Gefangenen hervor. Einige der Opfer wurden trotz erlittener Verletzungen nicht medizinisch versorgt. Stattdessen rasierte man ihnen unter Zwang die Haare, Bärte und Augenbrauen ab und verlegte sie anschliessend in Einzelhaft. Weitere Informationen hierzu finden Sie in dem englischsprachigen Bericht vom 15. Mai 2014: Justice is an alien word: Ill-treatment of political prisoners in Evin Prison (MDE 13/023/2014) unter https://www.amnesty.org/en/documents/mde13/023/2014/en/. Das überarbeitete iranische Strafgesetzbuch, das im Mai 2013 in Kraft getreten ist, enthält vage formulierte „Straftaten“ wie „Verbreitung von Propaganda gegen das System“, „Erregen von Besorgnis in der Öffentlichkeit“, „Beleidigung von islamischen Heiligkeiten“ und „Diffamierung von Staatsbediensteten“. Diese ungenau definierten „Straftaten“ werden immer wieder genutzt, um die friedliche Wahrnehmung des Rechts auf freie Meinungsäusserung einzuschränken. Derartige Gesetze und Praktiken stellen einen Verstoss gegen Artikel 18, 19, 21 und 22 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR) dar, welche die Rechte auf Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit schützen. Der Iran gehört zu den Vertragsstaaten des IPbpR. In Artikel 10 der UN-Mindestgrundsätze für die Behandlung der Gefangenen heisst es: „Alle für Gefangene, insbesondere für deren nächtliche Unterbringung, vorgesehenen Räume haben allen Erfordernissen der Gesundheit zu entsprechen; dabei sind die klimatischen Verhältnisse und insbesondere die verfügbare Luftmenge, eine Mindestbodenfläche, Beleuchtung, Heizung und Belüftung zu berücksichtigen.“ Darüber hinaus können Überbelegung, unhygienische Umgebungen und fehlende Schlafgelegenheiten in Verbindung mit der Dauer, die ein Gefangener derartigen Umständen ausgesetzt ist, grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung gleichkommen. Dies stellt einen Verstoss gegen Artikel 7 des IPbpR dar, welcher Folter und anderweitige Misshandlungen verbietet.