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Startseite Urgent Actions 2015 05 Key witnesses and lawyer harassed
UA 116/15
Kolumbien
Abgeschlossen am 26. Juni 2015

Hauptzeugin und Anwältin bedroht

AI-Index: AMR 23/1740/2015

Die Hauptzeugin in einem Fall des Verschwindenlassens, Jacqueline Ramírez, hat Morddrohungen erhalten. Ihre Anwältin sowie Mitglieder der Menschenrechtsorganisation Fundación Nydia Erika Bautista erhielten ebenfalls Drohungen. Ein weiterer Zeuge, der in einem viel beachteten Fall des Verschwindenlassens ausgesagt hatte, wurde angegriffen.

Am 21. Mai erhielt Jacqueline Ramírez, Zeugin in dem Fall La Combinada, einen Drohanruf. Bei dem Fall handelt es sich um ihren Ehemann, James Holguin, und vier weitere Männer, die am 16. August 2003 Opfer des Verschwindenlassens wurden. Paramilitärs, die in geheimer Absprache mit PolizeibeamtInnen der Gemeinde Monterrey im Departamento Casanare agierten, waren für das Verschwindenlassen der Männer verantwortlich. Die Anruferin bedrohte ausserdem die Anwältin von Jacqueline Ramírez, Andrea Torres Bautista, und ein Mitglied der Menschenrechtsorganisation Fundación Nydia Erika Bautista. Am 21. April hatten sie bereits einen ähnlichen Anruf erhalten.

Am 17. Mai wurde Luis Carlos Ramírez von zwei Männern auf dem Weg zu seinem Arbeitsplatz in Bogotá angegriffen. Die Männer versuchten ihn wegzuzerren und sagten ihm, dass sie ihn in Stücke schneiden werden («que lo iban a picar»). Ihm gelang jedoch die Flucht. Luis Carlos Ramírez hatte dazu beigetragen, den Aufenthaltsort des ehemaligen Geheimdienstagenten Bernardo Garzón Garzón zu ermitteln. Dies führte im Januar 2014 zur Ergreifung von Bernardo Garzón Garzón, der in den viel beachteten Fall Toma del Palacio de Justicia (Besetzung des Justizpalastes) verwickelt war und zudem den Behörden dabei geholfen hatte, die sterblichen Überreste von Nydia Erika Bautista de Arellana zu finden. Diese wurde im Jahre 1987 Opfer des Verschwindenlassens.

Am 22. April rief eine Frau im Büro der Fundación Nydia Erika Bautista an und hinterliess eine Nachricht für Andrea Torres Bautista, in der sie eine Morddrohung gegen die Anwältin aussprach. Einige Minuten später rief die Frau erneut an und sagte, dass sie sie alle töten würden («vamos a matarlas todas»). Die Drohungen fingen an, als es Fortschritte im Strafverfahren im Fall La Combinada gab. Zudem wird ein Urteil des Obersten Gerichtshofs in einem Rechtsmittelverfahren im Fall Nydia Erika Bautista erwartet. Das Urteil könnte dazu führen, dass Dutzende Angehörige der Armee, unter ihnen auch hochrangige BeamtInnen, für das Verschwindenlassen von Nydia Erika Bautista de Arellana strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Straflosigkeit bleibt eines der Hauptmerkmale des bereits 50 Jahre andauernden bewaffneten Konflikts in Kolumbien und ist einer der Hauptgründe, weshalb Menschrechtsverletzungen weiterhin stattfinden. Nur wenige Personen, die unter Verdacht standen, während des andauernden Konflikts Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben und an dem Verschwindenlassen von Personen beteiligt gewesen zu sein, stellte man vor Gericht. In einem Bericht, der im Jahr 2013 vom Nationalen Zentrum der Historischen Erinnerung in Kolumbien veröffentlicht wurde, kam man zu dem Ergebnis, dass in den Jahren zwischen 1985 und 2012 mindestens 25.000 Personen durch paramilitärische Gruppierungen und Sicherheitskräfte zu Opfern des Verschwindenlassens wurden.
Der Fall La Combinada bezieht sich auf das Verschwindenlassen von fünf Männern am 16. August 2003. Paramilitärs, die in geheimer Absprache mit PolizeibeamtInnen der Gemeinde Monterrey im Departamento Casanare agierten, waren für das Verschwindenlassen der Männer verantwortlich. Die Menschenrechtsorganisation Fundación Nydia Erika Bautista vertritt seit 2009 die Betroffenen in dem Strafprozess, die mit dem Fall in Verbindung stehen. Der Leiter der Polizeistation in Monterrey wurde zu einer Gefängnisstrafe von 48 Jahren verurteilt. Er befindet sich jedoch auf der Flucht. Gegen weitere acht PolizeibeamtInnen und mehrere Paramilitärs werden Ermittlungen durchgeführt. Der Ort, an dem sich die Leichen der fünf Betroffenen befinden, ist immer noch unbekannt. Die aktuellen Drohungen wurden ausgesprochen, als Exhumierungen zur Auffindung der sterblichen Überreste in der Gemeinde Monterrey beginnen sollten.
Der Fall Toma del Palacio de Justicia ist einer der meistbeachteten Fälle von Menschenrechtsverletzungen in Kolumbien. Im Jahr 1985 erlangte die Guerillagruppe M-19 (Movimiento 19 de Abril) die Kontrolle über den Justizpalast. Sie nahmen die Personen, die sich in dem Gebäude aufhielten, in Geiselhaft. Über 100 Personen starben, als die Sicherheitskräfte das Gebäude angriffen. Unter den Toten befanden sich elf RichterInnen des Obersten Gerichtshofs, zwölf Personen wurden Opfer des Verschwindenlassens. Man fand nur den Leichnam von Irma Franco, die Opfer des Verschwindenlassens im Fall Justizpalast wurde. Die Leichen der elf anderen Personen wurden bis heute nicht gefunden. Man verurteilte leidglich zwei hohe Militärangehörige, General Jesús Armando Arias Cabrales und General Luis Alfonso Plazas Vega, wegen ihrer Beteiligung an dem Verschwindenlassen der Personen und wegen weiteren Menschenrechtsverletzungen, die von den Sicherheitskräften während des Angriffs durchgeführt wurden.
Nydia Erika Bautista de Arellana, eine studentische Aktivistin und Mitglied der Guerillagruppe M-19, wurde am 30. August 1987 von Geheimagenten der Armee in Bogotá entführt. Ihr Leichnam wurde am 26. Juli 1990 gefunden und exhumiert. Die Aussage von Bernardo Alfonso Garzón Garzón führte dazu, dass man den Leichnam fand. Bernardo Alfonso Garzón Garzón trug zudem zur Identifikation der Personen bei, die für die Planung und Durchführung des Verschwindenlassens, das Foltern und das Töten von Nydia Erika Bautista de Arellana verantwortlich waren. Zu den Verantwortlichen gehörte auch der damalige Kommandeur der 20. Brigade, General Álvaro Velandia Hurtado. Im Jahr 1995 entliess man General Álvaro Velandia Hurtado und einen weiteren Militärangehörigen aus der Armee. Ihre Entlassung erfolgte, nachdem die Generalstaatsanwaltschaft sie für das Verschwindenlassen und den Tod von Nydia Erika Bautista de Arellana verantwortlich machte und für schuldig befand. Am 22. April 2013 hob ein Gerichtsentscheid des Staatsrats (Consejo de Estado) die angeordnete Entlassung der Männer auf. Zudem ordnete man an, dass General Álvaro Velandia Hurtado seinen Status und seine Position in der Armee wiedererhalten sollte. Man genehmigte seine Wiedereinstellung, obwohl man in dem Gerichtsentscheid die wesentlichen Feststellungen der Generalstaatsanwaltschaft, die General Álvaro Velandia Hurtado und ein weiteres Mitglied der Armee für das Verschwindenlassen und den Tod von Nydia Erika Bautista de Arellana verantwortlich machten, nicht in Frage stellte. Es gab nahezu keine Fortschritte in dem Ermittlungsverfahren, das die Beteiligung von General Álvaro Velandia Hurtado und von vier weiteren Angehörigen der Armee in dem Fall untersuchen sollte.
Die Menschenrechtsorganisation Fundación Nydia Erika Bautista wurde 1997 gegründet, nachdem die Familie von Nydia Erika Bautista de Arellana ins Exil gehen musste. Sie hatten Drohungen wegen ihres Engagements für Menschenrechte erhalten. Die Organisation Fundación Nydia Erika Bautista befasst sich mit Fällen des Verschwindenlassens.

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