Sorge um Gesundheit
Der Falun-Gong-Anhänger Li Xiaobo befindet sich wegen seines Glaubens in Chengdu, in der chinesischen Provinz Sichuan, in Haft. Laut seiner Rechtsbeistände verschlechtert sich sein gesundheitlicher Zustand zusehends. Zudem befindet er sich in Gefahr, gefoltert oder anderweitig misshandelt zu werden.
Li Xiaobo leidet an verschiedenen gesundheitlichen Problemen, von denen viele auf seine Folterung während einer früheren Inhaftierung zurückgehen. Seine Rechtsbeistände besuchten ihn in der ersten Maiwoche in der Haftanstalt des Bezirks Longquanyi in der Provinz Sichuan. Sie erklärten, dass sich der gesundheitliche Zustand ihres Mandanten stark verschlechtere und dass er nicht die erforderliche medizinische Behandlung erhalte. Die Zähne von Li Xiaobo befinden sich in einem so schlechten Zustand, dass es ihm kaum noch möglich ist, zu essen. Er ist auf einem Auge blind und verfügt auf dem anderen Auge nur noch über 60 Prozent Sehfähigkeit.
Li Xiaobo ist im April 2014 inhaftiert worden, als er zusammen mit seinem Sohn Flugblätter zur spirituellen Bewegung Falun Gong verteilte. Auch sein Sohn, der über die kanadische Staatsbürgerschaft verfügt, wurde zunächst inhaftiert, dann jedoch nach Kanada ausgewiesen. Vor seinem Verfahren wurden Li Xiaobo Besuche von seiner Familie und medizinische Behandlungen verwehrt. Er wurde der „Untergrabung des Gesetzes mithilfe einer ketzerischen Organisation“ angeklagt, weil er Falun Gong praktiziert und regelmässig innerhalb der spirituellen Bewegung aktiv ist. Am 21. April 2015 verurteilte das Volksgericht des Bezirks Longquanyi in Chengdu ihn zu acht Jahren Haft. Seine Rechtsbeistände geben an, dass sie und Li Xiaobo während des Verfahrens immer wieder unterbrochen worden seien und dass das Gericht dem kanadischen Generalkonsulat verwehre, die Anhörungen zu beobachten. Li Xiaobo wird Rechtsmittel gegen seine Verurteilung einlegen.
Li Xiaobo ist 2005 schon einmal wegen „Untergrabung des Gesetzes mithilfe einer ketzerischen Organisation“ zu acht Jahren Haft verurteilt worden. Er gab an, während seiner Zeit in Haft gefoltert worden zu sein. Unter anderem sollen GefängniswärterInnen ihn geschlagen haben. Er berichtete auch davon, dass WärterInnen anderen Häftlingen die Anordnung gegeben haben, ihn zu schlagen. Ausserdem zwang man ihn einmal im Winter, stundenlang nackt mit den Füssen im Wasser zu stehen.
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
Nachdem Falun-Gong-Praktizierende im Juli 1999 einen friedlichen Sitzstreik auf dem Tiananmen-Platz abgehalten hatten, verbot die chinesische Regierung die spirituelle Bewegung, mit der Begründung, sie würde eine „Bedrohung der sozialen und politischen Stabilität“ darstellen. Die Regierung rief eine Spezialeinheit namens „Büro 610“ ins Leben, die für die Zerschlagung der Falun-Gong-Bewegung und anderer „ketzerischer Sekten“ zuständig ist und alle Regierungsebenen durchzieht.
Mehrere zehntausend Falun-Gong-AnhängerInnen sind seit dem Verbot der spirituellen Bewegung willkürlich mit dem Ziel inhaftiert worden, sie „umzuwandeln“. Dies bedeutet, dass man die AnhängerInnen zwingt, ihrem spirituellen Glauben abszuchwören. Oftmals werden dazu Folter und andere Formen der Misshandlung eingesetzt. Der Grossteil der Falun-Gong-AnhängerInnen wurde in Lagern zur „Umerziehung durch Arbeit“ festgehalten, bis diese Form der Verwaltungshaft 2013 verboten wurde. Die chinesischen Behörden setzen seitdem jedoch immer häufiger andere Formen willkürlicher Inhaftierung sowie strafrechtliche Massnahmen gegen Personen ein, die früher wahrscheinlich in ein Lager zur „Umerziehung durch Arbeit“ gebracht worden wären.
Obwohl China das UN-Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe 1988 ratifiziert hat, sind Folter und andere Formen der Misshandlung in chinesischen Hafteinrichtungen an der Tagesordnung. Amnesty International erhält zudem regelmässig Berichte über Todesfälle von Häftlingen in zahlreichen staatlichen Hafteinrichtungen, wie z. B. in Gefängnissen und in Polizeigewahrsam. Oftmals sind die Betroffenen ihren Folterverletzungen erlegen.