Menschenrechtsanwältin, Journalist und Aktivist in Haft
Die ägyptische Menschenrechtsanwältin Mahienour El-Massry und zwei weitere Personen sollen bis zur Urteilsverkündung in ihrem Rechtsmittelverfahren in Haft gehalten werden. Das Urteil soll am 31. Mai verkündet werden. Sie streiten die fingierten Anklagepunkte ab, deretwegen sie verurteilt wurden.
Die Menschenrechtsanwältin Mahienour El-Massry, der Journalist Youssef Shaaban und der politische Aktivist Loay El-Kahwagy sind am 11. Mai zur ersten Anhörung ihres Rechtsmittelverfahrens erschienen. Am Ende der Sitzung ordnete das Gericht ihre Inhaftierung bis zur Urteilsverkündung an, die für den 31. Mai erwartet wird.
Mahienour El-Massry, Youssef Shaaban und Loay El-Kahwagy wurden im Februar 2015 zu einer Gefängnisstrafe von zwei Jahren verurteilt. Man warf ihnen unter anderem «Protestieren ohne Genehmigung», «Beschädigung von Polizeieigentum», «Gewalt gegen Sicherheitskräfte» und «Bedrohung von Sicherheitskräften» vor, nachdem sie am 29. März 2013 an einem Protest vor der Polizeistation al-Raml teilgenommen hatten. Mit dem Protest sollte Solidarität gegenüber Rechtsbeiständen zum Ausdruck gebracht werden, die in der Polizeistation demonstrierten. Die Rechtsbeistände hatten die PolizeibeamtInnen beschuldigt, sie körperlich und verbal angegriffen zu haben. Acht weitere Personen, die bei ihren Verhandlungen nicht anwesend waren, erhielten ebenfalls Haftstrafen.
Ein enger Vertrauter der drei Angeklagten war bei der Anhörung am 11. Mai anwesend. Er gab gegenüber Amnesty International an, dass die Polizei alle Anwesenden aus dem Gerichtssaal vertrieben hatte, indem sie ihnen mit Tasern und Schlagstöcken drohte. Bei der Anhörung waren somit lediglich die Angeklagten und Rechtsbeistände zugegen. Der Verteidiger von Mahienour El-Massry, Youssef Shaaban und Loay El-Kahwagy sagte gegenüber Amnesty International, dass ihm und den anderen Rechtsbeiständen diese Entscheidung nicht durch den Richter, sondern durch die Polizei mitgeteilt worden war. Mahienour El-Massry wird im Al-Abadeya-Frauengefängnis in Damanhur festgehalten. Youssef Shaaban und Loay El-Kahqagy befinden sich im Borg-El-Arab-Gefängnis in Alexandria in Haft.
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
Am 29. März 2013 wurden drei Rechtsbeistände von Angehörigen der Muslimbruderschaft festgenommen und auf die al-Raml-Polizeistation gebracht. Die beiden Rechtsbeistände Mahienour El-Massry und Nasser Khattab, die auf der Polizeistation erschienen waren, um bei der Vernehmung anwesend zu sein, erklärten, dass die Angehörigen der Muslimbruderschaft Mahienour El-Massry, Youssef Shaaban und Loay El-Kahwagy beschuldigten, ihre politischen GegnerInnen zu sein und möglicherweise ihre Bürogebäude in Brand setzen zu wollen. Die Inhaftierung fand während der Amtszeit des ehemaligen Präsidenten Mohamed Mursi statt, der vor seinem Amtsantritt ein führendes Mitglied der Muslimbruderschaft war.
Nassar Khattab gab in seiner Zeugenaussage an, dass die PolizeibeamtInnen andere Rechtsbeistände daran gehindert hatten, bei dem Verhör anwesend zu sein und sie sowohl körperlich als auch verbal angriffen. Die Rechtsbeistände, die angegriffen worden waren, entschlossen sich zu einer Sitzblockade vor der Polizeistation. Diese sollte andauern, bis sich das Innenministerium offiziell bei dem Juristenverband, dem sie angehören, entschuldigt oder bis die Staatsanwaltschaft offizielle Ermittlungen zu dem Vorfall einleitet. Da nichts von beidem geschah, wurden die Proteste bis spät in die Nacht fortgesetzt. Zahlreiche Personen bekundeten vor der Polizeistation ihre Solidarität mit den Rechtsbeiständen.
Ein von Youssef Shaaban aufgenommenes Video zeigt PolizeibeamtInnen aus ganz Alexandria sowie rund 500 Armeeoffiziere und zwei Polizeifahrzeuge, die gegen 1.30 Uhr vor der Polizeistation al-Raml erschienen. Die Sicherheitskräfte nahmen mehrere Personen fest, unter ihnen Mahienour El-Massry, Youssef Shaaban und Loay El-Kahwagy, liessen sie jedoch am gleichen Tag wieder frei. Ranwa Mohamed Youssef Ali, die Frau von Youssef Shaaban, gab in einem Fernsehinterview an, dass sie von Polizeibeamten sexuell belästigt wurde, als diese versuchten, ihren Mann festzunehmen.
Der Fall wurde erst am 20. März 2014 bearbeitet, als elf Personen angeklagt wurden, unter denen sich auch Mahienour El-Massry, Youssef Shaaban und Loay El-Kahwagy befanden. Man erhob Anklage gegen sie wegen «illegaler Versammlung», «Beschädigung von Polizeieigentum», «Gewalt gegen Sicherheitskräfte», «Störung der öffentlichen Ordnung» sowie wegen des «Versuchs die Regierung zu stürzen». Am 9. Februar 2015 wurden alle Angeklagten zu einer Gefängnisstrafe von zwei Jahren und zu einer Geldstrafe von 5.000 Ägyptischen Pfund (etwa 586 Euro) verurteilt. Mahienour El-Massry, Youssef Shaaban und Loay El-Kahwagy legten Rechtsmittel gegen ihre Verurteilung ein. Die anderen Angeklagten waren bei ihren Verfahren nicht anwesend. Ein Rechtsbeistand, der ihren Fall bearbeitet, gab an, dass seine MandantInnen untergetaucht seien.
Mahienour El-Massry und Loay El-Kahwagy wurden bereits in einem separaten Verfahren wegen «Protestierens ohne Genehmigung» verurteilt. Die Vorwürfe bezogen sich auf einen Protest vor dem Strafgerichtshof in Alexandria, als dort am 2. Dezember 2013 die Neuverhandlung gegen zwei PolizistInnen stattfand. Die PolizeibeamtInnen waren beschuldigt worden, den 18-jährigen Khaled Said getötet zu haben. Khaled Said war im Juni 2010 seinen Verletzungen erlegen, nachdem er von PolizeibeamtInnen in der Öffentlichkeit verprügelt worden war. Mahienour El-Massry wurde im Januar 2014 in ihrer Abwesenheit zu einer Haftstrafe von zwei Jahren verurteilt. Sie legte Rechtsmittel gegen dieses Urteil ein und war anwesend, als das Gericht die Strafe im Mai 2014 bestätigte. Man hielt Mahienour El-Massry vier Monate lang im Al-Abadeya-Frauengefängnis in Damanhur fest. Im Juni 2014 reduzierte das Berufungsgericht ihre Strafe auf sechs Monate Haft und eine Geldstrafe von 50.000 Ägyptischen Pfund (etwa 5857 Euro). Nachdem die Rechtsbeistände von Mahienour El-Massry vor dem höchsten ägyptischen Gericht, dem Kassationsgericht, Rechtsmittel gegen das Urteil eingelegt hatten, entliess man Mahienour El-Massry im September 2014 aus der Haft. Eine Überprüfung des Falls durch das Gericht steht noch aus. Loay El-Kahwagy verbüsst seine Haftstrafe im Borg-El-Arab-Gefängnis.
Mahienour El-Massry ist eine bekannte Menschenrechtsanwältin in Alexandria. Dort setzt sie sich stark für die Rechte von ArbeiterInnen und Flüchtlingen ein. Während ihrer Haft im Jahr 2014 verlieh man Mahienour El-Massry den angesehenen internationalen Ludovic-Trarieux-Menschenrechtspreis.